Aua1250: Hinter den DN-Kulissen (30): Anwaltliche Abmahnung von ACM Tierfreunde für Tiere in Not e. V.

 

{TS-Kritik}

 

Es ist, es war einmal wieder so weit: eine anwaltliche Abmahnung im Briefkasten. Dieses mal von: ACM Tierfreunde für Tiere in Not e. V. Doggennetz.de hatte am 6. Januar 2014 (!) in Aua1214 die diversen Fremdpublikationen und die Gesamtkomposition des tödlich verlaufenen Tierschutzfalls des Hundes „Nanouk“ satirisch kommentiert.

Die angeblichen Tierschützer von ACM hatten einen zunächst als Rüde, später sich de facto als Hündin herausstellenden Hund aus Bulgarien nach Deutschland verbracht. Beim Entladen war Nanouk entlaufen. Mehrere Einfangversuche scheiterten. Als man des Hundes nach rund vier Wochen Streunen durch den Landkreis Wesel endlich wieder habhaft wurde, stellte sich heraus, dass er=sie an Staupe erkrankt war. Nanouk starb.

Im Internet begann darauf die übliche Diskussion, in der die ACM-Damen durch die Verlagerung von Verantwortung auffielen. Das ging so weit, dass man für die Staupe-Erkrankung des Hundes deutsche Wildtiere verantwortlich machte.

Kritik wird im Tierschutz nicht geduldet. Und das auch dann nicht, wenn sie – wie der DN-Text Aua1214 – ausdrücklich als „{satirischer Kommentar zur nächsten Unfassbarkeit}“ gekennzeichnet ist.

 

 

© Tim Reckmann / pixelio.de

 

Eigenartigkeiten des Anwaltsschreibens

In der Rezeption von einschüchternden Anwaltsschreiben geübt, fiel der DN-Redaktion an dem Brief des ACM-Anwaltes zunächst das Datum auf. Das Schreiben selbst datierte unter dem 22. Januar 2014. Im Briefkasten der DN-Redaktion kam er jedoch erst am 14. Februar 2014 an.

Will man ausschließen, dass die Botschaft den weiten Weg vom Leipzig in den Süden von Baden-Württemberg zu Fuß zurücklegen musste, kann also irgendetwas nicht stimmen. Der Post-Dienstleister arriva, mit dem das Schreiben verschickt worden war, erteilte die Auskunft, diesen Brief erst am 13. Februar 2014 zur „Bearbeitung“ erhalten zu haben.

Als nächstes fiel auf, dass der abmahnende Anwalt die Textsorte „satirischer Kommentar“ noch nicht einmal am Rande erwähnte. Hat er diese nicht wahrgenommen oder lässt er sie bewusst unter den Tisch fallen?

Auch die dritte Merkwürdigkeit lässt staunen. In der Regel und insbesondere bei presserechtlichen Streitigkeiten setzen Anwälte eine extrem enge Frist zwischen Abmahnung und Deadline für die gewünschte Unterzeichnung und Zusendung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Ausgehend vom angegebenen Datum des Schreibens am 22. Januar 2014 setzt der ACM-Anwalt eine auffallend großzügige Frist bis zum 20. Februar 2014, also über vier Wochen.

Das hat Vorteile! Denn damit bestätigt er, dass für ihn und seine Mandantin ACM hinsichtlich der angeblichen Persönlichkeitsrechteverletzungen und unterstellten falschen Tatsachenbehauptungen keine Eilbedürftigkeit besteht.

Damit scheidet eine einstweilige Verfügung schon einmal aus.

 

Amateure wollen keine Dilettanten sein

Ansonsten das Übliche: Die Hälfte der inkriminierten Äußerungen würden die Persönlichkeitsrechte der ACM-Damen verletzen; die andere Hälfte seien falsche Tatsachenbehauptungen.

Bemängelt wird etwa die Bezeichnung „Dilettantenzusammenrottung“ und „Dilettantenperformance“ in Aua1214. Oh jeh! Ein Dilettant ist per definitionem ein Nicht-Fachmann, ein Laie. (Hoffentlich) ehrenamtlich tätige Vorstände von Tierschutzvereinen sind schon einmal per se Laien, Amateure.

Erstaunlich auch der Wildwuchs an Spekulationen in der anwaltlichen Lesart. So etwa beinhalte die Äußerung „Wer da jetzt hoffte, die ACM-Mädels putze es im Zuge dieser Aktion auch gleich mit weg“ einen Todeswunsch. 

Zu dieser wilden Behauptung sei aus dem Antwortschreiben der DN-Redaktion an den ACM-Anwalt zitiert:

 

              

Im Übrigen staune ich über Ihre morbide Lesart dieser Äußerung, denn keinesfalls beinhaltet sie einen Todeswunsch. Wo steht das, bitte? Richtig dagegen ist, dass sich die DN-Redaktion so wie viele professionelle Tierschützer von Herzen wünschen, dass Dilettanten wie die ACM-Trullas doch bitte aus dem Tierschutz verschwänden und ihre Finger von wehrlosen Hunden lassen, die bei ihrer Art von „Rettung“ zu Tode kommen. Und genau so war die Äußerung auch gemeint.

(Antwortschreiben der DN-Redaktion vom 19.02.14 an den ACM-Anwalt)

  

              

 

ACM-Umtriebe seien „legal und üblich“

Die Bezeichnung „Auslandsschlepper“ wiederum will der ACM-Anwalt weniger als Beleidigung oder Schmähkritik denn als „falsche Tatsachenbehauptung“ sehen. Das macht es in der Tat einfach. Der Mann schreibt todesmutig: „Solche Hundetransporte sind vollkommen üblich und legal“.

„Üblich“? Ja! Leider! Das ist ja mit ein Grund, warum DN mit der Berichterstattung kaum noch nachkommt. Tatsächlich sind unprofessionelle Tiertransporte von sogenannten Tierschützern „üblich“, bei denen vollkommen verstörte Auslandshunde „abhanden“ kommen, in der BRD wochenlang durch Feld, Wald und Flur streunen und anschließend wahlweise auf irgendeiner Straße an- oder überfahren werden oder irgendwo im Gelände elendig verenden.

Und „legal“ wird im ACM-Fall auch ziemlich schwierig, wie inzwischen bekannt ist. Es ist schon nicht „legal“, wenn das in den Papieren eingetragene Geschlecht mit dem tatsächlichen Geschlecht des Hundes nicht übereinstimmt. Und zu der zu diesem Transport gehörenden TRACES-Meldung melden die Pflegestelle und andere ACM-Aktivisten auch noch Bedenken an, um die sich jetzt aber wohl die Behörden kümmern.

Die Abmahnung enthält dann noch eine Reihe weiterer Weinerlichkeiten, auf die hier einzugehen nicht wirklich unterhaltsam ist.

 

Man kann es nicht mehr hören: „journalistische Sorgfaltspflichten“!

Was diese Redaktion ganz besonders nervt an der Flut anwaltlicher Abmahnungen, welche die mandatierenden Tierschützer mutmaßlich mit dem Geld der Tiere bezahlen, das sind die ewig gleichen Wendungen, Behauptungen und unhaltbaren Konstruktionen der in Betrieb gesetzten Juristen. Ein Lieblingskonstrukt dabei ist der oberlehrerhafte Verweis auf die „journalistischen Sorgfaltspflichten“.

Abmahnende Anwälte haben dabei überhaupt keine Skrupel, von irgendwelchen kleinen Bloggern denselben journalistischen Aufwand zu verlangen wie von Spiegel-Mitarbeitern oder Fernsehredakteuren. Ganz ungeachtet der Tatsache, dass dieser Aufwand in überhaupt keinem Verhältnis zur Reichweite eines ohnehin schon spartenspezifischen Blogs wie DN und vor allem der allgemein bekannten extrem begrenzten Wirtschaftlichkeit von Blogs jedwelcher Art steht. Jüngere Erhebungen mitteln die monatlich zu erzielenden Einkünfte von Blogs, selbst außerhalb von so Nischensparten wie der Tierschutzkritik, bei rund 300 Euro (Beispiel).

Auch die jüngere Rechtsprechung der Pressekammern zu dieser so gewichtig daherkommenden angeblichen Pflicht für Blogger scheint den abmahnenden Anwälten nicht bekannt zu sein.

Glücklicherweise und aufgrund der umfassenden Prozesserfahrung dieser Redaktion kann sie dazu ein auf Karin Burger maßgeschneidertes Urteil in einem von DN gewonnnenen Verfahren vor dem Landgericht Köln (Pressekammer) vorweisen:

 

              

Es verstieße nämlich gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), wenn sich jemand, der eine herabsetzende Tatsachenbehauptung über Dritte aufstellt, die nicht seinem eigenen Erfahrungsbereich entstammt, zur Erfüllung seiner Darlegungslast nicht auf unwidersprochene Pressemitteilungen beziehen darf (BVerfG a.a.O.).

Auf die Beklagte treffen die genannten Merkmale zu. Sie mag zwar publizistisch tätig sein, sie treffen jedoch nicht die journalistischen Sorgfaltspflichten. Sie ist insoweit im Sinne der vorzitierten Entscheidung eine ,,Einzelne“, die sich auf Fremdpublikationen berufen darf und von der keine journalistischen Sorgfaltspflichten verlangt werden können.

(Landgericht Köln 17.04.2013,Az. 28 O 451/12; Seite 19; Hervorhebg. d. DN-Red.)

  

              

 

Anwaltliche Sorgfaltspflichten?

Das kann diese Redaktion schon leiden: andere auf Pflichten festnageln zu wollen, die für sie gar nicht bestehen. Dem steht gegenüber: Ein Anwalt, der bei der Abfassung von Schriftstücken mit Rechtswirkung so grundsätzliche Sorgfaltspflichten wie ein authentisches Datum verletzt, so dass dieses nur noch mit detektivischem Aufwand kalkuliert werden kann.

Zu diesen Sorgfaltspflichten gehörig erachtet es diese Redaktion übrigens auch, dass man in der Lage ist, die Textsorte eines bemängelten Artikels wahrzunehmen. Noch dazu, wenn diese wie im vorliegenden Fall sogar farblich rot markiert ist.

Die dieser Redaktion bekannten Anwaltshonorare für derlei Abmahnungen liegen im Bereich von rund 600 Euro bis weit über 1.400 Euro (vgl. Aua1178). Was erhoffen sich die Amateure von ACM mit diesem vielen Geld zu erkaufen? Sie werden nicht im Ernst davon ausgehen, dass diese Redaktion angstzitternd den Artikel aus dem Netz nimmt oder die gelisteten Äußerungen ändert? Oder doch?

Dann auf jeden Fall haben sie DN nicht gelesen – und insbesondere nicht die vielen Artikel der Serie Hinter den DN-Kulissen (siehe Linkliste unten), wo solche Abmahnungen wieder, wieder und immer wieder Gegenstand der Berichterstattung sind. Dabei gelegentlich auch öffentlich gemachte Antworten an einen abnahmenden Anwalt wie in Aua981 müssten doch eine Wirkung entfalten? Im genannten Fall tat sie das, denn von dem betreffenden Anwalt hat diese Redaktion seither nie mehr etwas gehört.

 

Sicherheit aus den vielen gewonnenen Verfahren

Natürlich darf sich DN nicht auf den Prozesssiegen der Vergangenheit ausruhen. Und auch dieser Redaktion passieren Fehler! Trotzdem geben die vielen bisher gewonnenen Verfahren der DN-Redaktion eine wohltemperierte Sicherheit:

 

1. Landgericht Lüneburg (Az.2 S 79/12; zweite Instanz zu AG Lüneburg (9 C 157/12) vom 24.01.2013: Karin Burger hat vollumfänglich gewonnen; der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites erster und zweiter Instanz (vgl. Aua952).

2. Landgericht Köln (Az. 28 O 451/12) vom 17.04.2013; Karin Burger hat das Verfahren gewonnen; die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger (ein prominenter Tierschützer) auferlegt (vgl. Aua697). Das 27 Seiten umfassende Urteil stellt der journalistischen Arbeitsweise der DN-Redaktion ein Spitzenzeugnis aus.

3. Oberlandesgericht Köln (Az. 15 U 173/12): In zweiter Instanz ist die Beweislage so erdrückend, dass der Kläger (ein großer Tierschutzverein)schlussendlich seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzieht. Der Kläger (benannter Tierschutzverein) trägt alle Kosten aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren sowie dem Hauptsacheverfahren in erster und zweiter Instanz (vgl. Hinweis am Ende von Aua968).

4. Amtsgericht Sigmaringen (Az. 2 C 334/12) vom 03.07.2012) Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Karin Burger wegen falscher Tatsachenbehauptung und Schmähkritik. In der mündlichen Verhandlung nimmt die Klägerin ihren Antrag aufeinstweilige Verfügung zurück (vgl. Aua692). Sie trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Zu beachten: Die scheinbar harmlose Wendung „trägt die Kosten des Verfahrens“ bedeutete in jedem obigen Einzelfall, dass das Geld der Tiere für derlei unsinnige und fruchtlose Gerichtsverfahren versaubeutelt wurden, die kritikunfähige Tierschützer gegen eine kritische Bloggerin aufgezogen haben!

In vier Jahren seit dem Relaunch von DN als tierschutzkritischer Blog und bei über 1.200 ausgesucht kritischen Artikeln auf DN hat dieser Redaktion bisher überhaupt nur auf zwei (in Zahlen: 2!) anwaltliche Abmahnungen hin Änderungen an einem Artikel vorgenommen. In dem einen Fall war der Redaktion tatsächlich ein Fehler unterlaufen. Der Text wurde geändert. Die Unterlassungserklärung wurde unterzeichnet. In dem anderen Fall hat DN ausnahmsweise und einmalig einen ganzen Artikel entfernt. Allerdings nur deshalb, weil er ein absolutes Nebenthema behandelte und sich ein Rechtsstreit für den darin behandelten Sachverhalt nicht gelohnt hätte.

 

ACM-Aussichten?

Die DN-Redaktion hat die vom ACM-Anwalt geforderte Unterlassungserklärung selbstverständlich nicht unterzeichnet und auch die inkriminierten Textpassagen nicht geändert. Stattdessen hat sie frist- und formgerecht und sehr ausführlich auf das Anwaltsschreiben geantwortet.

Der Zug für eine einstweilige Verfügung dürfte nach Auffassung dieser Redaktion und durch die vom Anwalt selbst dokumentierte Nicht-Eilbedürftigkeit längst abgefahren sein.

Bleibt noch die Unterlassungsklage. Boah, viel Spaß dabei! Bei der Überlastung deutscher Gerichte mit juristischen Streitigkeiten auf dem Niveau von Maschendrahtzaun-Differenzen und Sandkastenkrieg ziehen sich die Verfahren unendlich hin. Als Beispiel genannt sei die in Aua984 erwähnte Klage gegen die DN-Redaktion vor dem Landgericht Düsseldorf. Das Verfahren bezieht sich auf Aua823 und einen darin verwendeten Screenshot. Aua823 wurde am 29. November 2012 veröffentlicht. Die erste Verhandlungstermin in dem Verfahren ist auf den 30. April 2014 angesetzt. Die Quelle des Screenshots, um den es geht, ist schon seit Ewigkeiten im Internet gar nicht mehr verfügbar.

Da muss man sich fragen: Was soll das?

Mandant des abmahnenden Anwalts im aktuellen Fall ist expressiv verbis der Verein ACM. Das lässt den Vermutung zu, dass auch die Anwalts- und gegebenenfalls Gerichtskosten vom Verein getragen werden. Dem Geld der Tiere!

Sollte ACM den Klageweg beschreiten wollen, wird DN darüber berichten.

 

Bildzitat Screenshot der Google-Suche auf den Begriff ACM Tierfreunde für Tiere in Not. Bisher erscheint der DN-Artikel Aua1214 erst auf Seite 2 der Google-Trefferliste. Aufgrund des relativ hohen Google-Rankings von DN lässt sich diese Trefferliste aber natürlich noch optimieren!

 

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Und ganz besonders auch die Aktualisierung zu: Aua697!