3.4.1 Kastration

Manche Hundefreunde schreckt allerdings der Zwang zur Kastration. (Anmerkung: Sowohl beim Rüden wie bei der Hündin handelt es sich immer um die Kastration. Unabhängig vom Geschlecht des Hundes ist die Kastration die Entfernung der Keimdrüsen, also Hoden oder Eierstöcke. Sterilisation dagegen bedeutet Unfruchtbarmachung durch Unterbindung der Samen- oder Eileiter. Die Begriffe „Kastration“ und „Sterilisation“ haben also nichts mit dem Geschlecht des Hundes zu tun, sondern sind medizinisch-chirurgisch unterschiedliche Eingriffe.)

Denn natürlich muss bei einer gegengeschlechtlichen Vergesellschaftung des privaten, nicht züchtenden Doggenhalters mindestens einer der beiden Hundepartner kastriert werden. Tut man dies nicht, bedeutet das für beide Hunde zwei Mal im Jahr einen unzumutbaren Stress über mehrere Wochen hinweg. Die Hunde müssen in dieser Zeit getrennt voneinander gehalten werden, was auch dem Gruppenleben nicht gerade gut tut, für viele Hundehalter schon räumlich nicht zu praktizieren ist. Die Hündin giert naturgemäß nach dem Rüden; der Rüde unterliegt in der Zeit ihrer Läufigkeit einer Dauerreizung, die auch gesundheitliche Folgen haben kann (Prostata).

Die Meinungen zum Für und Wider der Kastration gehen weit auseinander; übrigens oft in Korrelation zum Geschlecht des Argumentierenden! Veterinärmedizinisch ist die Frage geklärt: eine frühe Kastration der Hündin, nämlich noch vor der ersten Läufigkeit, minimiert das Krebsrisiko (Milchleistenkrebs – Mamma Karzinom) und damit die häufigste Todesursache für Hündinnen in gigantischem Ausmaß (die Prozentangaben schwanken, gehen aber bis zu 60 Prozent für Kastrationen vor der ersten Läufigkeit). Der Mythos vom angeblich trägen und fetten Hund, wenn er dann kastriert, ist – eben ein Mythos und hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Nach der Kastration ändert sich die Stoffwechselsituation des Hundes, was bei der Fütterung zu berücksichtigen ist. Trägt dem der Halter Rechnung, zeigt sich selbst ein seit zehn Jahren kastrierter Labrador – immerhin die Rasse mit der höchsten Neigung zu Fettleibigkeit – schlank und vital! Das gelegentlich von Tierärzten ins Feld geführte Argument der Inkontinenz-Gefahr (Unvermögen, Harn willkürlich zurückzuhalten) bei der Hündin sticht nur bedingt, denn erstens tritt dieses Phänomen tatsächlich relativ selten auf, trifft für eine Rasse mit einer vergleichsweise geringen Lebenserwartung ohnehin nur bedingt zu und lässt sich heute medikamentös sehr erfolgreich behandeln. Mir ist aus meiner gesamten Tierschutzpraxis kein einziger Fall einer aufgrund von Kastration inkontinenten Doggenhündin bekannt.

Oft wird argumentiert, dass eine alleinige Kastration des Rüden unproblematischer sei, weil weniger invasiv (kein Eröffnen des Bauchraumes bei der Operation). Das stimmt zwar, aber erstens kann auch ein kastrierter Rüde sehr heftig auf seine läufige Gruppenkollegin reagieren, zweitens verzichtet man auf den oben genannten medizinischen Vorteil der Hündinnen-Kastration. Drittens treten bei einer solchen Konstellation häufig ganz praktische und gelegentlich schlicht nicht zu lösende Probleme beim Spaziergang in Feld, Wald und Flur auf: die läufige Hündin zieht einen paarungswilligen fremden Rüden an, der eigene kastrierte Rüde möchte seine Hündin verteidigen, die Hündin aber möchte sich naturgemäß paaren und zeigt überhaupt keine Solidarität mehr mit ihrem männlichen Gruppenkollegen – und wenn dann noch der Halter zu dem fremden Rüden fehlt oder in weiter Entfernung ist, hat man – verniedlichend gesagt – ein massives Problem!

In die Waagschale der Pro-Argumente für eine Kastration der Hündin fließt noch ein Nebensaspekt mit ein, der zwar nicht allein ausschlaggebend sein sollte, aber doch von gewisser praktischer Relevanz ist. Eine läufige Doggenhündin in Haus- und Familienhaltung bringt nämlich gewisse hygienische Belastungen und Anforderungen mit sich, die nicht jedermanns Sache sind. Die Blutungsmenge ist analog zur Körpergröße eine andere als bei der Dackeldame. Aufgrund des kurzen Fells tritt das Blut sofort aus, versickert also nicht wie beim Eurasier oder Spitz erst einmal im Fell, wo es die Hündin regelmäßig abschlecken kann. Das bedeutet: alle Liegeplätze, frequentierten Matratzen, Sofas etc. müssen mit Tüchern oder Bettlaken abgedeckt werden, die mindestens zwei Mal täglich auszuwechseln sind. Auf den Wegen dazwischen finden sich regelmäßig Blutstropfen. Die vermenschlichende Monats-Höschen-Lösung eignet sich für unsere Doggen auch nur bedingt, weil die Haltegurte im kurzbehaarten Schenkelbereich scheuern und reiben.

Die Empfehlung aus der Praxis lautet also: Idealkombination für eine Mehrhunde-Haltung ist Rüde mit Hündin. Dabei sollte vorzüglich (mindestens) die Hündin kastriert werden oder sein.