1.4 Selbstbewusstsein

Selbstbewusstsein? Was soll das denn für eine Voraussetzung für Doggenhaltung sein? Oh doch, ist es – und gleich in mehrfacher Hinsicht:

Zum einen ist die Deutsche Dogge kein geeigneter Begleiter für Menschen, die sich ihrer zur Aufpolierung des eigenen Selbstbewusstseins bedienen. Sonst klappt es schon mit der Rangeinweisung und Erziehung nicht. Gerade die Deutsche Dogge muss die innere Souveränität ihres Halters spüren. Und in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Hundefeindlichkeit ist es auch so, dass nicht mehr der Hund den Herrn (oder natürlich: die Frau) beschützt, sondern exakt umgekehrt. In der Freiland-Begegnung mit aggressiven Joggern, hysterischen Radfahrern, gewaltbereiten Jugendlichen und der naturentfremdeten Erscheinungen mehr, ist dem Doggenhalter wohl geraten, sich schützend vor (!) seinen Hund zu stellen, harmonischen Gehorsam und Rückzugsbereitschaft zu demonstrieren, will man nicht eine am selben Tag erfolgende Anzeige beim Rechts- und Ordnungsamt wegen „gefährlicher Hund“ riskieren. Hängt der Dackel bei der Begegnung mit anderen Hunden töbernd im Brustgeschirr, zaubert dieses Bild mildes bis amüsiertes Lächeln auf die umstehenden Gesichter. Tut unsere Dogge dasselbe, drängt das Volk zuerst den umstehenden Bäumen und danach der Ortspolizeibehörde zu.

Je nachdem, wo man wohnt und sich mit seiner Dogge im Freien bewegt, können auch die permanenten Überreaktionen entgegenkommender Menschen (und Tiere!) über die Jahre hinweg am Selbstbewußtsein kratzen. Besonderen Leiden sind dabei die Halter gefleckter Doggen ausgesetzt, die sich permanent mehr oder weniger intelligente Kuh-Vergleiche anzuhören haben: „Mein Gott, was für ein Kalb!“; „Ist das ein Hund oder eine Kuh?“ etc. Kleinwüchsige Doggenhalter werden mit dem Verdacht überzogen „Den können Sie ja gar nicht halten!“, der eher scherzhafte Typ fragt vor dem Vorbeigehen ab „Hat der heute schon gefressen?“. Der zur Melancholie neigende Doggenhalter wird über die Jahre frustriert, wenn er immer wieder beobachten muss, dass entgegenkommende Menschen die Straßenseite wechseln, sich ängstlich in Hauseingänge verdrücken oder ganz umdrehen.

Idealerweise ist das Selbstbewusstein des Doggenhalters so groß und dynamisch, dass es sich wie ein schützender Schirm über Mensch und Dogge ausbreitet, dem begegnenden Umfeld absolute Sicherheit vermittelt und damit alle Zuständigkeiten für diesen großen Hund beim Halter belässt.