Aua866: Rüsselheim e. V. Schweineleichen-Ticker (7): Die Rückseite des Feindbilds

 

{TS-Kritik}

 

Der den Jahreswechsel umrankende Tierschutz-Schweine-Skandal in Stapen, Sachsen-Anhalt, nimmt inzwischen auch publizistisch kuriose Wendungen. Von diesen eventuell später mehr.

Fortlaufend berichtet Volksstimme de: Nach den kritischen Artikeln vom3. und 4. Januar 2013 nimmt der aktuellste Beitrag  von gestern die gegenseitigen Schuldzuweisungen der Akteure zum Thema.

Vom „großen Hauen und Stechen“ in den Reihen dieser ist die Rede:

              

Reinhold Kassen, Medienkoordinator von „Animal-Peace Tierhof“, schiebt dem für die Aktion verantwortlichen Verein „Rüsselheim e.V.“ und der Stapener Hofbesitzerin Sabine Schmutzler die Verantwortung zu. Beide hätten im Vorfeld Kontakt zum Veterinäramt gehabt und ihm garantiert, dass eine Genehmigung vorliegt.

(Volksstimme.de, 07.01.2013: Tierschützer: „Ordnungsamt rebellisch gemacht„; Hervorhebung d. Red.)

              

Dagegen schiebt Doris Rauh, erste Vorsitzende des verantwortlichen Vereins Rüsselheim e. V., den schwarzen Peter den Nachbarn der illegalen Schweineunterbringung in Beetzendorf zu:

              

Währenddessen macht die Vorsitzende von „Rüsselheim“, Doris Rauh, „eine dem Pflegeplatz nahe liegende Tierfabrik/Mastanlage (gemeint ist ein Apenburger Schweinemastbetrieb; d.Red.) sowie die landwirtschaftlich geprägte Nachbarschaft“ für das Scheitern der Aktion verantwortlich. Diese hätten „das lokale Ordnungsamt rebellisch gemacht“, so dass die Tiere erneut um ihr Leben fürchten müssten, erklärte sie am Freitag in einem Interview mit dem Internet-Infoportal vegan.eu.

(ibid.)  

              

Wer sich für das in dem Artikel genannte spektakuläre Interview mit dem Internet-Infoportal vegan.eu interessiert, findet hier Erhellung.

Veganer geben Schweinekopfhautverkäufern Stimme!

Interessant an dieser Publikation sind zwei Merkmale: Es handelt sich bei Vegan.eu um einen gewerblichen Anbieter! Das Impressum weist eine Gleichklang limited in Großbritannien aus.

Des Weiteren darf es durchaus als Novum bezeichnet werden, wenn nun auch die Verkäufer von Rindertrocken- und Lammpansen sowie Schweinekopfhaut in der veganen Szene zu Wort kommen dürfen.

Bildzitat Screenshot von https://www.rauh.panys.info/produkt_detail.php?artnr=70458&lang=de
Doris Rauh, die erste Vorsitzende des Vereins Rüsselheim e. V., tritt im Internet als Verkäuferin von „Rindertrockenpansen, Dörrfleisch, Lammpansen und Schweinekopfhaut“ auf. Offensichtlich haben weder Rauh noch die weiteren, an der skurrilen Schweinerettungsaktion in Stapen beteiligten „Tierschützer“ ein Problem mit dieser Doppelmoral? Auf Vegan.eu gibt die Schweinekopfhautverkäuferin jedenfalls ein langes Interview!

 

Oder man nimmt es als Nachweis der Glaubwürdigkeit der Vegan-Szene?


Fatale Überproduktion auf dem deutschen Schweinemarkt

Doch nach Meinung dieser Redaktion hat die durch und durch dilettantische Rettungsaktion, die bis jetzt offiziell bestätigt sieben Schweineleichen produzierte, mit der Realität auf dem Agrarmarkt nichts zu tun.

Diese DN-Meinung wird durch den aktuellen Bericht Schweinehalter üben Kritik an Schlachtkonzernen auf Proplanta, einem Informationsportal für die Landwirtschaft, bestätigt.

Dort kritisieren die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sowie der Deutsche Schweinehalterverband die aus ihrer Sicht eigentlich Verantwortlichen für die aktuelle Situation: die vier großen Schlachtunternehmen Tönnies, VION, Westfleisch und Danish Crown.

So weit scheinen Schweinezüchter und Tierschützer gar nicht voneinander entfernt zu sein?

              

Die AbL verwies in diesem Zusammenhang auf die für Bauern fatale Überproduktion auf dem deutschen und europäischen Schweinemarkt. Diese werde von den Schlachtunternehmen immer noch unter dem Motto „Eroberung der Weltmärkte“ forciert. Angesichts der Tatsache, dass die zu deutschen Kosten produzierten Schweine bei der Belieferung Russlands und Chinas mit Billig-Anbietern aus Brasilien und China konkurrierten, könne diese Rechnung nicht aufgehen.

(Proplanta.de, 07.01.2013: Schweinehalter üben Kritik an Schlachtkonzernen. Hervorhebung d.Red.)  

              


Was ist <Tierschutz> an einer Aktion, die den Markt durch konsumfreie Entnahme eines Teils dieser „fatalen Überproduktion“ entlastet (vgl. auch Aua858) und zumindest einen Teil der Tiere trotzdem ums Leben bringt (vgl. Aua861 und Aua864)? Da die verantwortlichen Tierschützer bisher noch nicht darlegen können, wo die übrigen Schweine bis zu der von den Behörden gesetzten Frist am 2. Februar 2013 (vgl. Aua863) untergebracht werden sollen, lässt sich bisher über den Ausgang der ganzen Aktion nur spekulieren.

In dem genannten Beitrag auf Proplanta zeigen sich die Parallelen zwischen den Anliegen der Tierschützer und denen der Landwirte immer wieder:

              

Diese ruinöse Überschussproduktion, die zudem auf teuren Soja-Importen aus Südamerika basiere, gefährde mittlerweile die gesamte mittelständisch-bäuerliche Schweinhaltung und fördere das Vordringen agrarindustrieller Schweinehalter.

(ibid.; Hervorhebung d. Red.)  

              

Es sind doch die „agrarindustriellen Schweinehalter“, an denen bzw. deren Haltungsbedingungen zuvorderst sich die Kritik der Tierschützer festmacht.  Ließen sich hier nicht  – unter der Prämisse eines pragmatischen Ansatzes und jenseits einer ideologisierten Fundamentalopposition – GEMEINSAM  reale Chancen zur Verbesserung der Situation der Tiere nutzen?

Und es entspricht auch gar nicht dem von Tierschützern à la Rüsselheim e. V. verbreiteten Feindbild, dass die Bauern selbst eine „artgerechtere und antibiotika-unabhängige Schweinehaltung auf Stroh mit begrenztem Auslauf der Tiere“ fordern:

               Die AbL sieht eine Perspektive für faire Erzeugerpreise vor allem im Abbau preisdrückender Überschüsse, die mittlerweile um 20 % über dem deutschen und europäischen Verbrauch lägen. Erreichbar sei dies – mit gesellschaftlicher Akzeptanz – durch den europaweiten Rückbau auf eine flächengebundene, artgerechtere und antibiotika-unabhängige Schweinehaltung auf Stroh mit begrenztem Auslauf der Tiere.

(ibid.; Hervorhebung d. Red.) 

              

Warum finden sich nicht Rüsselheim e. V., Animal Peace Tierhof und die Amok laufenden Tierschutz-Einzelaktivisten der völlig verfahrenen Rettungsaktion an der Seite von AbL und ISN, die als maßgeblich Betroffene und in ihrer Existenz bedrohte Verbände doch das fordern, was das angebliche Vorzeigeprojekt in Stapen demonstrieren sollte: Schweinehaltung auf Stroh mit begrenztem Auslauf der Tiere.

Der Feind (der Tiere UND der Landwirte) sitzt, nimmt man obigen Text ernst, also  ganz woanders?

 

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