Aua867: Fundtierverwaltung Landkreis Sigmaringen (7): Wo tote Katzen als Brauchtumspflege gelten

 

{TS-Kritik}

[08.01.2013]

 
Auch wenn es in den letzten Tagen und Wochen in der Szene so aussah, als gäbe es nur noch die Themen Michael Grewe und der Schweine-Skandal in Stapen, dümpeln im Windschatten dieser Internethypes weiterhin die üblichen Probleme des Tierschutzes und vor allem mit dem Tierschutz vor sich hin. Die Auslandstierschlepper etwa werden die Aktivisten des Schweinedesasters in ihr Abendgebet dankend einschließen, dass die allgemeine Aufmerksamkeit für eine geraume Weile von ihnen abgelenkt wurde.

Schon vor Weihnachten recherchiert und geschrieben, kommt die DN-Redaktion deshalb erst jetzt dazu, die Artikelserie Fundtierverwaltung Landkreis Sigmaringen fortzusetzen.

Der Zeitpunkt ist allerdings gar nicht schlecht. Denn gerade beginnt die sogenannte fünfte Jahreszeit, in der die Narren das treiben, was Thema dieses siebten Artikels der Serie ist.

In Aua842 wurde auf einen aktuellen Artikel in der Schwäbischen Zeitung vom 14. Dezember 2012 Bezug genommen. Der Bericht Katzen fressen 20 Kilo Nassfutter pro Tag informierte unkritisch über eine neue Kooperation der Stadt Meßkirch mit der Tierschutzorganisation Villa Samtpfötchen, eine gemeinnützige GmbH.

Der Zeitungsartikel verpasst der Stadt Meßkirch zum Thema Katzen ein ganz neues Image, denn bisher waren und sind es vor allem tote Katzen, die der regional Kundige mit dem „Badischen Geniewinkel“ (hier) verbindet.

 

Fasnacht: Tote Katzen prägen das Meßkircher Stadtbild

Um die Hintergründe der durchgehend defizitären Fundtierverwaltung im Landkreis Sigmaringen zu verstehen, wird auch der multiple Hinweis auf Tradition und Brauchtum, die Mentalität und die „Denke“ der Kommunalvertreter in diesem Landkreis hilfreich sein.

Die Meßkircher Katzen jedenfalls dürften sich verwundert die Äuglein gerieben haben, als sie oben zitierten verkitschten Artikel über die frisch erwachte Begeisterung der Geniewinkel-Einwohner für LEBENDE Katzen lasen? Bisher nämlich und vor allem in der so hoch gehaltenen fünften Jahreszeit waren und sind es vor allem TOTE Katzen, die das Stadtbild prägen.

Freilich liegen die nicht platt und blutig auf der Straße herum. Nein, sie baumeln in Gänze an den Hälsen der Narren! Tote Katzen sind das skurrile Merkmal der Meßkircher Katzenzunft und gehören schlicht und einfach zum Kostüm!

 

Bestandteil des Narrenkostüms der Meßkircher Katzenzunft sind ECHTE Katzenfelle mit Kopf dran. Die Verantwortlichen dieser Narrenzunft berufen sich dabei auf Tradition und Brauchtumspflege.
Das Foto wurde von Andreas Praefcke am 19.02.2006 beim Narrentreffen aufgenommen und ist Bestandteil des Wikipedia-Porträts der Stadt Meßkirch.
Foto: Andreas Praefcke

 

Es handelt sich auch nicht um Plüschkatzen oder sonstige Imitate, sondern es sind echte Katzenfelle. Und zwar: mit Kopf dran!

Die Kleiderordnung dieser Narren ist genau festgeschrieben – insbesondere der nicht nachvollziehbare Zwang, echtes Katzenfell zu verwenden:

              

Die Scheme, ein aus Lindenholz geschnitzter Katzenkopf, wird nach hinten mit einem Katzenfell und der nach innen geschlagenen schwarzen Kapuze abgeschlossen. Über Brust und Bauch ist ein echtes Katzenfell ausgebreitet.

(Quelle; Hervorhebung d. Red.) 

              


Diese Sonderart von „Katzenfreunden“ sind auch auf Facebook vertreten. 
 

Widersprüchliche Angaben zur Quelle der Felle

Tier- und Katzenschützer vor Ort hätten die Meßkircher Narren immer wieder nach der Herkunft dieser Felle gefragt und keine vernünftige Auskunft bekommen. So erklärt es eine Katzenschützerin gegenüber Doggennetz.de, die jedoch ungenannt bleiben möchte. Teilweise sei behauptet worden, es handele sich um Unfallkatzen. Das jedoch ist wenig glaubwürdig, betrachtet man die unverletzten Felle, die kopfüber um die Hälse der Narren baumeln. Abgesehen davon wäre es ein Verstoß gegen die einschlägigen BGB-Regelungen zum Thema Fundsachen/-tiere.

Die Auskünfte des ersten Vorsitzenden der Zunft, Martin Birk, im Telefonat mit der Doggennetz.de-Redaktion zur Herkunft der Felle sind widersprüchlich. Hatte Birk zunächst behauptet, die Zunft beziehe ihre Katzenfelle ordnungsgemäß aus dem Fachhandel und über die Apotheke, wurde diese Angabe nach dem DN-Hinweis auf das Tiererzeugnisse-Handelsverbotsgesetz 2008 revidiert. Das nämlich untersagt den Handel mit Katzen- und Hundefellen.

Daraufhin erklärt Birk, die Zunft habe in den letzten fünf Jahren (und mithin seit Inkrafttreten dieses Gesetzes) überhaupt keine neuen Felle mehr angeschafft. Überdies sei zu unterscheiden zwischen den sogenannten zunfteigenen „Häs“ (mundartlicher Ausdruck für das Fasnachtskostüm) und den „privaten Zunfthäsern“. Im Bestand der Zunft befänden sich Felle, die teilweise über 50 Jahre alt seien und noch tragbar wären.

Völlig vage werden die Auskünfte des Zunftvorsitzenden zu der Frage, woher die Meßkircher Narren künftig ihre Katzenfelle mit Kopf beziehen wollen? Eine legale Bezugsmöglichkeit besteht nicht und kann Birk auch nicht benennen.

Zu dem gegebenen Bestand, auf diese Feststellung legt der Vorsitzende Wert, könnten für alle Felle Herkunftsnachweise erbracht werden.

Das klingt erstaunlich und könnte den Tierschützern, welche dieses Phänomen klären möchten, als Ansatzpunkt dienen.

  
Abgesehen von wenigen Tierschützern und Katzenfreunden regt sich in Meßkirch und Umgebung niemand über den seltsamen Brauch der Meßkircher Katzenzunft auf. Auch die Tatsache, dass bei Fastnachtsveranstaltungen immer anwesende Kinder von den baumelnden Kadavern irritiert werden könnte, ist kein Thema. Jedes Jahr wieder tauchen im Rahmen der Zeitungsberichterstattung über Fastnachtsveranstaltungen diese Bilder mit übler Regelmäßigkeit auf.
Ein besonderes Schmankerl an obigem Bild der Schwäbischen Zeitung vom 17.02.2010 ist die Tatsache, dass dieses vom demselben Mitarbeiter gefertigt wurde wie der Bericht über den „Tierschutzverein“ Villa Samtpfötchen!
Ausschnitt Schwäbische Zeitung vom 17.02.2010

 

Breite Proteste ändern etwas

Überregional scheint der perverse „Brauch“ im Landkreis Sigmaringen bisher noch nicht wahrgenommen worden zu sein. Dabei können bundesweite Proteste sehr wohl etwas bewirken, wie sich am Beispiel der Freiburger Miau-Zunft 2002 belegen lässt (vgl. auch die Diskussion im  KSK-Forum).

Es ist nicht einzusehen, warum diese Narren für ihre Traditionspflege echte Felle, noch dazu mit Kopf, einsetzen müssen. Der Brauch ließe sich ebenso gut mit Fellimitaten ausleben.

PETA Deutschland e. V. wurde über die unsensiblen Praktiken der Meßkircher Katzenzunft schon vor geraumer Zeit  informiert.

 

Symptomatisch für den Umgang mit Katzen im Landkreis

In einem Landkreis, in dem es als „Brauchtumspflege“ gilt, sich zum fröhlichen Feiern und in der Anwesenheit von Kindern tote Katzen um den Hals zu hängen, in einem solchen Landkreis darf man sich nicht wundern, wenn sich die Begeisterung für die noch lebenden Samtpfoten in überschaubaren Grenzen hält!

Weitere Doggennetz.de-Artikel dieser Serie:

Fundtierverwaltung Landkreis Sigmaringen: Aua814 / Aua816 / Aua821 / Aua824 / Aua841 / Aua842 /

Fundtierverwaltung Landkreis Oldenburg: Aua836 / Aua840  /