Aua1497: Der andere Blick auf Veterinäre (2): Landwirt erschießt Mitarbeiter des Veterinäramts Havelland

 

{TS-Kritik}

[23.01.2015]

DN hat in der Vergangenheit schon mehrfach versucht, eines der beliebtesten Feindbilder von Tierschützern – Veterinärbehörden und ihre Mitarbeiter – in ein anderes Licht zu rücken. Insbesondere der Artikel Aua1252P: Veterinäre, die Prügelknaben der Tierschutznation: Wenn Tierschutz kein Spaß mehr ist war auf dieses Ziel ausgerichtet. (Deshalb erhält Aua1497 die Nummer 2 der Artikelserie; Aua1252P ist dann Nummer 1.)

Auch das Bemühen der DN-Redaktion im Fall der 36 zunächst zur Versteigerung ausgeschriebenen Foxterrier des Veterinäramts Recklinghausen durch Berichterstattung mehr Sachlichkeit in die Empörung der Tierschützer zu bringen, zielte in diese Richtung (vgl. Linkliste in Aua991).

Die andere Seite derselben Medaille behandelt Aua1365P: Die DN-Quintessenz oder die Katastrophe, ein Staatsziel dem Ehrenamt auszuliefern.

Parallel zu aktuellen Recherchen erhält das Thema Veterinärämter und Veterinäre durch eine Tragödie im Landkreis Havelland am Dienstag, den 20. Januar 2014, traurige Aktualität. Dort hat ein Landwirt einen Mitarbeiter des Veterinäramts Havelland erschossen, als die Behörde versuchte, 30 Rinder bei ihm zu beschlagnahmen.

 

Mitarbeiter verblutet, Amtstierärztinnen konnten fliehen

Der Vorfall ging sofort durch alle Medien. Abgespielt hat sich die Tragödie im Nauener Ortsteil Klein Behnitz, Kreis Havelland. Ein 72 Jahre alter Landwirt, dessen rund 30 Rinder an diesem Tag beschlagnahmt werden sollten, verlor die Nerven, zückte eine Schrotflinte und schoss einen 61 Jahre alten Mitarbeiter des Veterinäramts Havelland nieder. Die beiden Amtstierärztinnen konnten auf ein Nachbargrundstück fliehen. Nachbarn, welche dem blutend am Boden liegenden Veterinäramtsmitarbeiter zu Hilfe kommen wollten, wurden von dem immer noch bewaffneten Landwirt nicht aufs Grundstück gelassen.

Details der Zeitungsberichterstattung lesen Interessiert bitte unter den nachstehend gelisteten Links nach:

+++ https://www.moz.de/details/dg/0/1/1361711/

+++ https://www.maz-online.de/Lokales/Havelland/Schiesserei-in-Klein-Behnitz-bei-Nauen-im-Havelland

+++ https://www.berliner-zeitung.de/brandenburg/landwirt-in-brandenburg-bauer-nach-toedliche-schuessen-in-haft,10809312,29630262.html

+++ https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/landwirt-erschiesst-mitarbeiter-des-veterinaeramtes-13381274.html

+++ https://www.bild.de/regional/berlin/landwirt/erschiesst-amts-mitarbeiter-mit-schrotflinte-39421458.bild.html

 

Die Tragödie in Havelland zeigt einen Trend

Der Artikel in der Berliner Zeitung enthält einen Hinweis, auf den es auch dieser Redaktion ankommt. Die Tragödie in Havelland ist nämlich keineswegs ein Einzelfall. Zu den offensichtlich härter werdenden Konfrontationen insbesondere zwischen gewerblichen Tierhaltern und den Aufsichtsbehörden heißt es im BZ-Artikel:

              

Bundesweit gibt es fast 39 000 Tierärzte, knapp 6 000 sind verbeamtet oder arbeiten im öffentlichen Dienst. Diese Tierärzte sind nicht unbedingt die liebsten Gäste auf Bauernhöfen. Denn meist kommen sie mit Auflagen. Die Landwirte arbeiten heute in einer hoch industrialisierten Branche, die hart umkämpft ist und stark reguliert.

 

Hart umkämpfter Markt

Sie wollen und müssen Gewinne machen. Doch die Discounter verlangen billiges Fleisch. Tierschützer fordern hingegen, dass das Vieh besser gehalten wird. Und die Amtsveterinäre wiederum verlangen, dass die Bauern mehr Geld investieren, um sich besser gegen Tierseuchen zu schützen.

Bundesweit sorgte im vergangenen Jahr ein Fall aus Süddeutschland für Aufsehen: Eine Amtstierärztin hatte sich selbst getötet – wohl auch, weil sie den Druck in der Branche nicht mehr aushielt. In Nachrufen von Kollegen hieß es, sie habe für die Rechte der Tiere gekämpft, sei aber wegen ihrer „korrekten, unbestechlichen Art“ ganz gezielt „angefeindet, bedroht und verleumdet“ worden.

(Berliner Zeitung, 21.01.15: Landwirt in Brandenburg – Bauer nach tödlichen Schüssen in Haft; Hervorhebg. d. DN-Red.)

  

              

Zwar scheint es im speziellen Fall Havelland primär eine seelische Not des Tierhalters gewesen zu sein, die zur Eskalation der behördlichen Maßnahme führte, aber Amtstierärzte und ihre Mitarbeiter unterliegen heute generell einem extremen Druck.

Und dass sogenannte „Tierschützer“ und ihre Mitstreiter durchaus in der Lage sind, mit illegalen Maßnahmen, regelrechtem Terror und Stalking, Mord- und anderen Drohungen Amtstierärzte in den Ausnahmezustand zu treiben, hat nicht zuletzt der Fall Gnadenhof Momo der verurteilten Tierquälerin Barbara B. bewiesen. Die zuständige Amtstierärztin war nach jahrelangem Stalking berufsunfähig.

Der Druck für die Veterinäre kommt also mindestens von zwei Seiten: der Agrarindustrie und den Massentierhaltern sowie von den Tierschützern. Ist es auf erstgenannter Seite eher das vornehmere Besteck anwaltlicher Gegenwehr, jahrelanger Prozesse und disziplinarischer Kopfnüsse über Dienstaufsichtsbeschwerden, kommen bei den sogenannten Tierschützern die hemdsärmeligeren Methoden zum Einsatz: Shitstorm, Verleumdungen, Bedrohungen, Telefonterror etc.

Und zu diesem „Druck“ gehören auch so zweifelhafte Einrichtungen wie etwas das Ranking der Veterinärämter, wie es die Tierrechtsorganisation PETA Deutschland e. V. jährlich herausgibt (hier und hier). Behörden, welche in diesem doch sehr einseitigen Ranking gut wegkommen, entblöden sich nicht, mit dieser zweifelhaften Auszeichnung ihren Amtskollegen (indirekt) vor das Schienbein zu treten. Ob es das Vertrauen der – vor allem: gewerblichen – Tierhalter in die Maßnahmen eines Veterinäramts besonders stärkt, wenn dieses auf der Rankingsliste von PETA ganz oben brilliert, darf füglich bezweifelt werden. Denn dorthin gelangt nur, wer akkurat über das von den Tierrechtlern gehaltene Stöckchen springt.

Unter welchem enormen Druck die Amtstierärzte jedoch stehen, bei denen es – ganz anders als bei den Tierschützern – immerhin um ihren Beruf und ihre Existenz und die ihrer Familie geht, davon parlieren die sich selbst als die einzigen Hüter der Moral Wahrnehmenden nicht!

 

Gewalt ist keine Lösung! Dass man ausgerechnet Tierschützer und Tierrechtler an diese fundamentale zivilisatorische Weisheit erinnern muss, belegt nur deren vollständige moralische Verwahrlosung. Gewalt- und Morddrohungen auch gegen Veterinärbeamte sind heutzutage in der Szene Standard!
Foto: moritz rothacker / pixelio.de

 

 

Hessische Tierschutzbeauftragte berichtet von Selbstverteidigungskursen

Ganz aktuell und Mitte Dezember 2014 informierte die hessische Tierschutzbeauftragte Dr. Madeleine Martin in der Radiosendung Hundemedia von Inge Büttner-Vogt bei Radio Rheinwelle auch über die Arbeitsbedingungen von Amtstierärzten (Radiomitschnitt der Sendung vom 16.12.2014 hier). Dort berichtet sie gleichfalls von dem Suizid einer Amtstierärztin in Baden-Württemberg, die offensichtlich dem psychischen Druck im Beruf nicht mehr gewachsen gewesen war.

Was aber an Martins Berichten noch mehr überrascht: Für Amtstierärzte gäbe es inzwischen Selbstverteidigungskurse, die sie auf alle möglichen Situationen im Außendienst vorbereiteten. Dort lerne ein Veterinär dann etwa, wie er sein Auto auf einem Hof so parkt, dass er im Notfall rasch die Flucht ergreifen kann. Oder worauf bei der Begehung von Räumlichkeiten unter dem Primat der Eigensicherung zu achten ist.

Übrigens klären die Veterinärbehörden bei Einsätzen wie dem im Havelland durchaus vorher ab, ob der Tierhalter etwa Waffen besitzen könnte. Wie etwa in diesem Fall, der schon lange und dringend der umfassenden Beschlagnahmung harrt! Allerdings war der Waffenbesitz von Wilfried Z. in Klein Behnitz nicht bekannt.

 

Veterinärämter sind einziger staatlich autorisiertes Exekutivorgan des Tierschutzes

Größenwahn und Anmaßungen der verschiedensten Form sind Standard bei den Tierschützern (aktuelles Beispiel). Im Umgang mit den Veterinärbehörden vergessen sie dabei auch gern, dass NUR die Behörde staatlich beauftragter Sachwalter des Tierschutzes ist! Recht eigentlich sollten also beide Seiten konstruktiv zusammenarbeiten. Dass die Zusammenarbeit nicht immer nur an den Tierschützern scheitert, sondern in vielen und auch schon durch die Medien dokumentierten Fällen an der unerträglichen Arroganz und Ignoranz von Amtsstierärzten, sei dabei durchaus eingeräumt (hier). Menschliche Defizite wirken sich selbstredend auf beiden Seiten fatal aus.

Wenn aber Tierschützer wie im aktuellen Fall der österreichische Verein Streunerparadies ganz gezielt gegen Veterinärämter hetzen (hier), die Tierfreunde mit Unterstellungen, Halbwahrheiten und manipulierten Beweisen aufstacheln, dann hat der Spaß ein Loch und der Tierschutz den Schaden. Im beschriebenen Fall profitieren die Hetzer nur davon, dass sie im Ausland sitzen. Denn einer Behörde Bestechlichkeit und Bereicherung zu unterstellen, sind Straftaten.

 

Kondolenz und Solidarität bei Tierschützers eher Mangelware

In den Tageslinks 2015 (TL28/15) war gerade erst die ungeheuerliche Entgleisung der Tierrechtler von Animal Peace Thema, die im Internet den Tod eines von einem Bullen totgetrampelten Landwirts in ekelerregender Art und Weise feiern.

Es wird das Leid der Familie des getöteten Landwirts nicht ausgleichen, aber immerhin kondolieren diese Tierschützer im Fall Havelland.

 

Ausschnitt aus Bildzitat Screenshot Facebook Animal Peace

 

Auch die DN-Redaktion spricht der Familie des getöteten Mitarbeiter des Veterinäramts Havelland ihr aufrichtiges Beileid aus. Für die Behörde heißt die diesseitige Solidaritätsadresse zeitgeistkonform vermutlich:

 

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Veterinäramt Havelland