Aua911: Nina Taphorn: Leserbrief zu Aua903

{TS-Kritik}

 

Nina Taphorn ist ein gern gesehener Text-Gast auf Doggennetz.de. Und zum Thema Auslandstierschutz ist sie kompetent, hat sie doch selbst zwei sogenannte Südhunde übernommen und ausführlich zum Thema recherchiert. Ihre Erfahrungen dazu plus jede Menge Informationen hat sie in dem Buch Von der Straße auf die Couch: Streuner aus dem Süden als Familienhunde zusammengefasst.

In ihrem Leserbrief zu Aua903  antwortet Nina Taphorn auf die dort gestellte Frage:

              

Oder im melodramatischen Duktus der „Tierschützer“: Warum tun deutsche Spender, angebliche Tierfreunde, Unterstützer, Schlepperhelfer, Fahrketten- und Pflegestellen-Mittäter das den Tieren an?

(Karin Burger auf Doggennetz.de: Aua903: Timisoara/Temeswar: Subventionierte Tierquälerei im Tierheim Danyflor

              

wie folgt:

              

Leserbrief Nina Taphorn zu Aua903:

Zur unglaublichen Blindheit gehört im Auslandstierschutz tatsächlich die Überzeugung, dass es ein Hund in einem Tierheim wie dem in Timisoara/Rumänien immer noch besser hat als auf der Straße. Diese Ansicht speist sich aus weiteren Überzeugungen, die im (Auslands-) Tierschutz gäng und gäbe sind:

Straßenhunde haben keine eigene Würde und keine Freiheitsrechte. (O-Ton einer führenden Mitarbeiterin eines großen, deutschen Tierschutzvereins mit Schwerpunkten im Auslandstierschutz und -hundeimport: „Nein, wir sehen diese Würde nicht.“) Sie unterliegen dem Diktat des Tierschutzes, wo immer dieser ihrer habhaft wird. Die Gefahren eines Straßenhundelebens werden als Berechtigung aufgefasst, Tiere aus dieser Gefahr zu holen und sie unter weniger gefährlichen Umständen, aber bei einer Lebensqualität nahe null zu kasernieren. Die Unmöglichkeit, alle anfallenden Straßenhunde (nach Deutschland?) zu vermitteln, führt dabei nicht zur Änderung des Tierschutzkonzepts. Eingefangene Straßenhunde können tatsächlich von Tierschützern in einem Käfig gehältert werden ohne Unrechtsbewusstsein. „In Sicherheit!“ heißt das hierfür bemühte Ziel. Wer angesichts solcher Bilder noch behaupten mag, dass ein solches Käfigleben besser ist als das Hundeleben auf der Straße, dessen Motive liegen gewiss nicht beim Tierschutz. Erklärlich wäre dies mit Animal Hoarding, übersteigerter Machtausübung oder sogar Sadismus. Auf jeden Fall schließt sich hier der Kreis: „Wir sehen diese Würde nicht!“ Das merkt man.

Die Leugnung der Wirklichkeit ist perfekt, auch im In- und Export. Man kann einen Hund quer durch Europa halb tot transportieren, es findet sich immer jemand, der seinen eigenen Beitrag dazu zur Heldentat stilisiert und behauptet, die Qualen hätten sich gelohnt. Überlebt ein Hund nicht, werden die Täter sogar virtuell getröstet.

Man kann Hunde, die nie auf Menschen und deren Lebenswelt geprägt wurden, zwei Jahre in der Vermittlung halten und immer noch behaupten, die „arme Maus“, die sich immer verkriecht, sei von ihrem Vorleben als verfolgter Straßenhund noch immer ängstlich, ohne zu erkennen – wie denn ohne Fachkenntnis? – dass solche Hunde sich nicht als Gefährten für Menschen eignen.

Dem heutigen Tierschutz wohnt auch eine gehörige Portion Egoismus inne. Als ich nach Erscheinen meines Buches in einer Kritik lesen musste, dass eine Leserin froh war, sich mein Buch erst nach der Hundeanschaffung durchgelesen zu haben, da sie andernfalls von dieser Anschaffung abgesehen hätte, war mein erster, marketingtechnisch eher kontraproduktiver Gedanke dazu: Na und?

Zu schlechter Letzt hätten wir noch die lästige Seesternjungen-Mentalität*. Während tausende von Seesternen am Strand vertrocknen, kommt der Junge (Mann? Opa?…) daher und wirft einen ins Meer zurück. Die weltberühmte Antwort auf die Frage, warum er das überhaupt tut, nämlich, dass er damit das Leben und die Welt dieses einen Seesterns rettet, wird leider zum Anlass genommen, Einzelschicksale werbewirksam zu vermarkten. In einzelne Hunde wird Geld und Energie im Übermaß gesteckt, sie werden maximal lange transportiert, besonders teuer operiert und rehabilitiert und in ihrer Endfamilie endlos fotografiert. Man kann diese Antwort jedoch auch zum Anlass nehmen, dass sich andere ein Beispiel nehmen sollten und dem Jungen (Mann? Opa?…) helfen. Man kann auch sagen, jede lange Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Sprücheweisheiten sind vergleichsweise beliebt bei Tierschützern, also sollte nicht nur die eine Deutung, bitteschön Einzelschicksale zu überhöhen, Gültigkeit haben.

Spenden können als eine Art Ablasszahlung betrachtet werden. Wer schon selber nichts für Tiere tut oder tun kann, zahlt wenigstens für den Tierschutz und delegiert damit die Verantwortung. Ziel der Spende ist ein gutes Gefühl und Gewissen, nicht die bittere Erkenntnis, das Geld verschleudert oder sogar zu Tierquälerei beigetragen zu haben.

Leider sind im Tierschutz die guten Beispiele rar gesät. Integere und kompetente Leute, die auf Personenkult verzichten, sind erstens selten und zweitens wegen ihrer positiven Eigenschaft der Bescheidenheit besonders schwer zu finden. So bleiben die fragwürdigen Werte, Überzeugungen und Handlungsmaximen der Tierschutzwelt hartnäckig erhalten.

              

* Zum Stichwort „Seesternjungen-Mentalität“ vgl. auch die berühmteste Doggennetz.de-Satire Aua82: Der Seestern – zu Ende gedacht!
 

 

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