Aua677: Hundetötungen Ukraine: Die kurze Distanz zwischen Pest und Paradies – Ein Gastbeitrag von Nina Taphorn

{TS-Kritik}

 

HINWEIS:
Im nachfolgenden Gastbeitrag von Nina Taphorn ist immer wieder von „Sterilisationen“ der ukrainischen Hunde die Rede. Der Begriff ist sachlich falsch! Selbstverständlich handelt es sich um Kastrationen, wie in anderen Verlautbarungen dann auch korrekt berichtet wird (z. B. hier).

Im Übrigen darf man sich fragen, welche Sachkunde-Allergiker eigentlich solche Pressemitteilungen herausgeben, auf einer solchen auch die Berichterstattung der von Taphorn zitierten Kreiszeitung beruht.

Trotzdem übernimmt Taphorn für ihren Kommentar den falschen Terminus, um direkt auf einzelne Passagen des Artikels Bezug zu nehmen.

Das ist eine Konzession der Kommentatorin an Verständlichkeit und Lesbarkeit.

              

Die kurze Distanz zwischen Pest und Paradies

Ein Kommentar von Nina Taphorn   

Das Gute hat gesiegt. Das Hundeleben ist wieder sicher. Der Fußball kann beginnen. Und es war so einfach!

Am 5. Juni 2012 greift die Kreiszeitung für die Landkreise Diepholz und Oldenburg im Sportteil eine Meldung der dpa auf:

„Die Hundefänger töten nicht mehr

Dank EM – Vierbeiner werden nun sterilisiert

In Zusammenarbeit mit der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Kiew sterilisieren nun Tierärzte die Straßenhunde „wie am Fließband“. Dafür werden sie „einfach mit bloßen Händen“ eingefangen, berichtet einer der beteiligten Tierärzte. „Die Hunde sind nicht aggressiv, sie sind voller Angst und freuen sich über jede menschliche Zuwendung.“ Dieses humane Modell des Neuter and Release, also Sterilisieren und Freilassen, wird ausdrücklich von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) empfohlen und findet so großen Anklang, dass es nicht nur in Kiew, sondern auch in Donezk, Charkow und Lwiw zur Anwendung kommt. „Zehn Euro kostet eine Sterilisation, deutlich weniger als die 25 Euro, die die Behörden noch bis vor kurzem offiziell als ‚Kopfprämie‘ für jeden toten Hund zahlten.“


Wow! Wow! Wow!

Das ist Läuterung im Akkord, denn was hatten wir mutmaßlich bisher in der Ukraine vorgefunden?

Eine grausame Bevölkerung, die Hunde bekämpft, ein Kopfgeld auf getötete Hunde, ein mobiles Krematorium, „in dem die Tiere in den vergangenen Monaten zu Tausenden bei lebendigem Leib entsorgt wurden“, also insgesamt eine Intensivierung der Maßnahmen gegen Straßenhunde, denn es stand doch die Fußball-EM vor der Tür. Im Tierschutzsprech: Hundehölle, bewohnt von Tiermördern.

Eben hatten wir noch Grausamkeiten gegen Straßenhunde wegen der EM, jetzt haben wir beispielhaften Tierschutz dank der EM.

Eine Sterilisation ist für 10 Euro zu haben (gemeint ist wahrscheinlich der staatliche Zuschuss, nicht die Gesamtkosten einer Sterilisation), die Hundefänger sind Softies und Tierärzte und veterinärmedizinische Fakultäten ziehen an einem Strick. Irgend jemand trägt auch noch die restlichen Kosten der Massensterilisierungen, denn für 10 Euro kriegt man nicht mal eine Viertel Sterilisation. Der Staat spart immens gegenüber der Kopfprämie, mit einem gruseligen Gerät wie einem mobilen Krematorium muss sich niemand mehr erwischen lassen, ja, und die Bevölkerung mag bestimmt die sterilisierten Hunde viel lieber als die mit Eierstöcken und Samenleitern. Juhuu, das wäre geschafft, und zwar in Rekordzeit. Eine Win-win-Situation!

Mit Hirn gefragt: Cui bono?

Ehrlich, man müsste sein Gehirn schon wegschmeißen, damit es sich nicht zusammenkrampft. Weder die einseitigen Beschreibungen der Zustände in der Ukraine von vor der EM sind glaubhaft, noch das, was da jetzt passieren soll. Die alles entscheidende Frage ist, wie immer: Wem nützt das? Wem nützt das so sehr, dass er die Tausende von Euro auf den Tisch blättert, die die Sterilisationen über die lächerliche Subvention hinaus kosten? Wie und wo führt man derart groß angelegte Massensterilisierungen durch? Dazu gehört Voruntersuchung und Nachsorge. Die geringste Nachsorge verursachen minimal invasive OPs per Sonde, die sind aber teurer, genau wie selbst auflösende Fäden, die nicht gezogen werden müssen. Wo kommt das zusätzliche Personal her, das hunderte oder tausende zusätzliche Narkosen überwacht? Wo sind die Aufwachräume für 20, 30, 40, … 100 Hunde auf einmal? Werden die aufgegriffenen Hunde individuell kartiert, damit man sie nachher an ihrem Wohnort wieder aussetzen kann? Also, mittels welcher Logistik wird diese Herausforderung gestemmt? Und wenn das so einfach ist, warum nicht früher?

 
Weder plausibel noch transparent

Doch im „Tierschutz“ sind Fragen nach Plausibilität, nach Transparenz und besonders nach den Motiven immer unbeliebt. Hirn aus, Jubelgeschrei an.

Pssst! Bitte, ist hier vielleicht irgendwo ein Leser, der zur EM nach Kiew fährt und bei der veterinärmedizinischen Fakultät der Uni nachgucken kann, was da los ist, vielleicht auch undercover mit dem eigens gefangenen Straßenhund?