Aua1408: Rüsselsheimer Polizist erschießt zwei Hunde (1): Tierschützer missbrauchen menschliches Versagen zur schäbigen Selbstdarstellung
{TS-Kritik}
[24.09.2014]
Spätestens wenn man dieses Video gesehen hat, stockt dem Tierfreund der Atem: Ein Polizist in Rüsselsheim erschießt auf offener Straße zwei Hunde. Das Schreien des zunächst nur angeschossenen ersten Hundes geht jedem Hundefreund durch Mark und Bein.
Das Video zeigt keinen Versuch seitens der Polizei oder Dritter, die Hunde zuvor einzufangen.
Die beiden American Staffordshire Terrier sollen durch einen Einbrecher aus dem Ladengeschäft ihres Besitzers entkommen sein. Der Hundehalter selbst war zum Zeitpunkt des Geschehens nicht anwesend. Die bisher vorliegende Berichterstattung, welche auch verschiedene Augenzeugenberichte von Anwohnern einschließt, lässt den Verdacht aufkommen, dass die Hunde regelrecht hingerichtet wurden. Ein Gefahrenmoment ist in den Videoaufnahmen nicht zu erkennen. Die Hunde schnüffeln friedlich an einem Plakat, das an einem Baum befestigt ist.
Empörend ist auch, wie die Polizei mit dem Tierheim Rüsselsheim in diesem Fall umgegangen sein soll, denn den Tierschützern sei gar nicht die Möglichkeit gegeben worden, zu versuchen, die Hunde einzufangen. Das berichten sie hier.
Die aktuelle Zeitungsberichterstattung muss nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen schlicht als falsch bezeichnet werden, wenn etwa die Rhein-Main-Presse behauptet, das Bemühen der Polizei, das örtliche Tierheim hinzuzuziehen, habe keinen Erfolg gehabt. Das Tierheim berichtet das anders!
Überhaupt bedient die Presse bisher nur beliebte Klischees: Von Hunden „außer Kontrolle“ ist da die Rede. Dafür gibt es jedoch keinen Beleg! Anwohner und Augenzeugen berichten eine ganz andere Version der Vorgänge: hier.
Der von einigen Medien berichtete „Angriff“ der beiden Hunde auf Passanten nährt sich aus der Pressemeldung der Polizei, der es schon per se an Glaubwürdigkeit mangelt: Wenn Am-Staffs „außer Kontrolle“ geraten und zubeißen, kommt kein Rüsselsheimer mit leichten Verletzungen davon! Augenzeugen und obiges Video widerlegen diese Behauptung eher.
Alle fallen in ihre rituellen Muster
Die Verlautbarung der Polizei ist nach Meinung dieser Redaktion unglaubwürdig. Wenn es so einen „Held“ gäbe, welcher bei dem Einfangversuch gebissen worden sein soll, wo ist der? Warum kennt und nennt ihn die Presse nicht?
Aber das alles ist gar nicht spielentscheidend. Viel interessanter, typischer und deprimierender ist, was die Tierschützer aus dem tragischen Vorfall machen.
Und es ist keine Satire, dass es zu diesem Vorfall von gestern schon wieder eine Petition der Tierschützer gibt. Sie können nichts anderes: Hass und Petitionen. Und zwar in dieser Reihenfolge!
Die Wiebold TV News GmbH springt auf den populistischen Zug auf und verlinkt zum Thema den umstrittensten Tierschützer ever: Jens Waldinger (vgl. dazu Artikelliste am Ende vom Text).
Jetzt erst wird die Katastrophe erstklassig eskaliert, denn nun hat sich Jens Waldinger mit seinem Elfenverein Deutschland Sagt Nein zum Tiermorden den Vorfall unter den Nagel gerissen: hier und hier.
Ein Polizeibeamter in Rüsselsheim erschießt möglicherweise ohne Not zwei unbeaufsichtigt in der Innenstadt herumlaufende Hunde. Die Pressemeldung der Polizei dazu ist wenig glaubwürdig. Die Presse bedient unhinterfragt bekannte Klischees. Und die Tierschützer ticken wieder völlig aus. Im Worst Case handelt es sich hier einfach um menschliches Versagen. Doch der Fall ist ein prima Vorwand, um aus der Anonymität heraus gegen die Obrigkeit zu rebellieren, der mit offenen Visier gegenüberzutreten gerade den karitativen Tierschützern der Mut fehlt! Foto: Uwe Schlick / pixelio.de |
Tierschützer auf einer Stufe mit den Tätern
Melodramatisch wird zu einer Demo am Sonntag, den 28. September 2014, vor der Rüsselsheimer Polizei aufgerufen, die sich „gegen die Willkür der Rüsselsheimer Polizei“ richten soll.
Meine Güte! Haben es diese Hysteriker nicht eine Nummer kleiner? Aber vermutlich wissen sie gar nicht, was der Begriff Willkür eigentlich bedeutet? Um ein diesen kindlichen Erkenntnismöglichkeiten angemessenes Bild zu benutzen, ist die Verwendung des Begriffs „Willkür“ für das mutmaßlich menschliche Versagen in diesem Fall ebenso angemessen wie der Vorwurf an einen Lokführer, er hätte seinen verunfallten ICE willkürlich aus den Gleisen springen lassen!
Waldinger missbraucht den schockierenden Tod dieser armen Hunde mit Feuereifer, um sich und seiner Elfenkönig-Fußschweiß-Aufschlecker-Gefolgschaft den nächsten Auftritt zu verschaffen. Weder ist bisher bekannt, dass „Willkür der Rüsselsheimer Polizei“ ein durchgehendes Phänomen sei, noch ist an dieser populistischen Aktion irgendein konstruktiver Beitrag zu erkennen.
Im Fall Rüsselsheim handelt es sich möglicherweise um menschliches Versagen seitens des Polizeibeamten. Es ist nachweislich nicht so, dass bundesweit regulär Polizisten freilaufende Hunde abknallen. Der Vorfall ist furchtbar, tragisch und muss Konsequenzen nach sich ziehen. Zu dessen Bearbeitung durch seriöse Tierschützer gibt es einen bewährten Katalog ritueller Pflichtaufgaben (siehe unten).
Was dieser Fall jedoch nicht braucht, das sind Tierschützer aus der untersten Schublade oder dessen Kritiker, die ihre Menschenverachtung dadurch zelebrieren, vorzuschlagen, die Kinder solcher Tierschützer genau den jetzt abgeschossenen Hunden zum Fraß vorzuwerfen. Was für ein Pack!
Auch das Ausschlachten der Tatsache, dass es sich in diesem Fall um sogenannte Kampfhunde gehandelt habe, kommt solchen Tierschützern gerade recht. Dabei ist sich diese Redaktion ganz sicher: Auch zwei mit dieser Vorgeschichte (Anrufe aus der Bevölkerung bei der Polizei) in einer Innenstadt unbeaufsichtigt herumlaufende Doggen hätte dasselbe Schicksal ereilt, auch wenn sie nicht der diffamierende Kategorie der Kampfhunde angehören.
Der Gesellschaft jedoch signalisiert das aktuell laufende „Management“ dieser Tragödie erneut, dass Tierschützer nicht alle Nadeln am Baum haben. Zunächst muss der Vorgang vollständig aufgeklärt werden. Im günstigsten Fall wird der verantwortliche Beamte zur Verantwortung gezogen, disziplinarisch und möglicherweise sogar strafrechtlich verfolgt.
Eine Demo ist das falsche Instrument, das lediglich neuerlich Beweis ablegt für die Unfähigkeit der Tierschützer, ihr Anliegen in akzeptabler und konstruktiver Form der Gesellschaft zu präsentieren.
Was den Polizeibeamten möglicherweise erwartet
Wer möchte mit dem verantwortlichen Polizeibeamten tauschen? Es gibt jede Menge tier- und hundeliebender Polizisten, die wenig Verständnis für die Rambo-Aktion ihres Kollegen aufweisen werden, welche der gesamten Innung schadet.
Von den Tierschützern hat er mindestens einen Shitstorm zu gewärtigen, wenn nicht gar die Veröffentlichung seines Namens und seiner Adresse auf Facebook inklusive Lynchjustizaufruf, anonyme Anrufe, Morddrohungen, Päckchen mit fäkalem Inhalt, zerstochene Autoreifen und Graffity am Haus.
Und diese unterste Kategorie von „TIerschützer“ sind für ihre faschistoide Menschenjagd gut im Training: The same procedure wie bei dem Hundequäler von Betzdorf (vgl. Aua1264) oder jüngst die Lynchjustizaufrufe auf dem Facebook-Account des Nicht-Tierschutzvereins Gegen Tierquälerei im Kontext mit einem Katzenquälervideo (Aua1403).
Solche Pseudo-Tierschützer stellen sich moralisch auf dieselbe Stufe mit den „Tätern“ (Hunde- und Katzenquäler und Hunde liquidierende Polizeibeamte): Sie toben sich mit den Werkzeugen digitalen und analogen Terrors an vergleichsweise Wehrlosen aus.
Sie sind ihnen gleich.
Unterste Schublade von Tierschützern: feige und systemstabilisierend
Der Fall zeigt neuerlich ein Grundproblem der Tierschützer: Ihr Unvermögen, zwischen strukturell bedingtem Tierleid und dem, das durch individuelles Versagen zustande kommt, zu unterscheiden.
Und das war jetzt noch die freundlich formulierte Version, denn oft genug entsteht der Eindruck, dass diese Art von Tierschützern, die durchgehend durch ihren extremen Drang zur Selbstdarstellung auffallen und bekannt sind, gezielt Tierleid aus menschlichem Versagen instrumentalisieren: zum Krachmachen, zur Selbstdarstellung, zum Spendensammeln, zur eigenen Heiligsprechung. Dummer, feiger, gemeiner Aktionismus, der keinem Tier hilft.
Und: systemstabilisierend! Denn dort, wo tatsächlich, systematisch, umfassend und strukturell bedingt Tierleid in schier unfassbaren Dimensionen geschieht, dort sind solche Tierschützer aus der untersten Schublade nicht zu finden: in der Massentierhaltung, auf den Schlachthöfen, den Pelztierfarmen, den Tierversuchslabors, der Hundezucht.
Ein Polizist in Rüsselsheim hat auf offener Straße zwei Hunde erschossen? In deutschen Wäldern werden Hunde zu Tausenden abgeknallt. Von Jägern. Aber da tauchen diese Feiglinge mit ihrem Vorwand Tierschutz nicht auf!
Gerade eben erst wird die gesamte Republik durch den Skandal in den Tierversuchslabors der Max-Planck-Gesellschaft in Tübingen erschüttert (vgl. Aua1407). Hier legen sich Tierschützer und Tierrechtler mit wirklich Mächtigen an: der Politik, der Wissenschaft. Hier versucht der Tierschutz allgemein ein strukturelles Problem anzugehen. An keiner dieser systemrelevanten Fronten jedoch sind die Selbstdarsteller des karitativen Tierschutzes – all diese nerdigen Jens Waldingers, Ralf Seegers, Frank Webers – zu finden. Ihre Ausrede ist billig: Sie seien Tierschützer, keine Tierrechtler.
Das ist deshalb praktisch, weil man sich als „Tierschützer“ unter dem Applaus und dem sensationsgeifernden Johlen eines zumeist aus der Anonymität heraus agierenden lobotomierten Mobs an Wehrlosen austoben kann: Einzelpersonen, nicht selten offensichtlich psychisch krank, oder jetzt einem Polizeibeamten, der in seiner Gegenwehr aus beruflichen, juristischen und anderen Gründen gehindert ist.
Terror statt ritueller Pflichtübungen
Sie sind also wieder losgelassen: die Menschenjäger, die Trommler und Rattenfänger, die sich nicht schämen, den Tod der armen Hunde für ihre Zwecke zu missbrauchen und ihren Terror zu inszenieren, ihren Hass im Internet auszuleben und ihre faschistoiden Sprüche in die Tastatur zu kloppen.
Dabei steht für solche Fälle tragischen menschlichen Versagens von Behörden und Beamten ein bewährter Katalog ritueller Pflichtübungen zur Verfügung. Hier allerdings müssen dann Tierschutzorganisationen ran, die sich wenigstens noch einen Restanstand bewahrt haben und noch etwas Glaubwürdigkeit besitzen; also etwas mehr als Jens Waldinger und Deutschland Sagt Nein zum Tiermorden (wozu nicht viel gehört.)
Standard: Strafanzeige gegen den Polizeibeamten; Dienstaufsichtsbeschwerde; Protestnoten der Orgas mit Restglaubwürdigkeit wie Deutscher Tierschutzbund, Bund gegen Missbrauch der Tiere. Für PETA Deutschland wird der Fall nicht interessant sein, weil sich keine Kopfprämie ausloben lässt. Alle reichen artig ihre Protestnote ein. Der zuständige Innenminister als oberster Dienstherr, Peter Beuth, wird zu einer öffentlichen Stellungnahme zu diesen Vorgängen aufgefordert.
Das war es dann leider auch.
Ein Riesenerfolg für die Operation Reißverschluss
Schade, dass die DN-Redaktion ihren (satirischen?) Artikel „Operation Reißverschluss“ noch nicht veröffentlicht hat. Darin wird beschrieben, wie die fundamentalen Unterschiede zwischen einem systemstabilisierenden karitativen Tierschutz und einer systemkritischen Tierrechtsbewegung vom System selbst dazu benutzt werden, wie bei einem Reißverschluss die Kluft zwischen Ethik/Tierschutz und Gesellschaft zu vergrößern.
Der Puschel-Tierschutz für Hundele und Katzele wird von den Machthabern in Politik und Industrie gefördert, gestützt und besungen, weil er das System stabilisiert. Damit werden die „tierlieben“ Einfaltspinsel erstklassig beschäftigt und vom wahren, quantitativ und qualitativ wirklich relevanten Tierleid abgelenkt.
Gleichzeitig wird den Tierrechtlern eine Militanz und Radikalität sowie Menschenverachtung vorgeworfen (vgl. hier und hier), die de facto jedoch im karitativen Tierschutz ebenso ausgeprägt, wenn nicht sogar noch intensiviert zu finden ist. Da stört sie jedoch die Mächtigen weniger, weil diese Dekadenzform ethischen Engagements das System selbst unhinterfragt lässt.
Die Hunde sind tot. In der Haut des Polizeibeamten möchte niemand stecken. Der Vorgang wird bearbeitet.
Aber die karitativen Tierschützer haben eben Langeweile …
Foto: Gabi Schoenemann / pixelio.de |
Weitere Meldungen nach Erscheinen dieses Artikels:
24.09.14: echo-online.de: „Mehrere Anzeigen gegen Polizisten und von Verletzten“:
https://www.echo-online.de/region/ruesselsheim/Mehrere-Anzeigen-gegen-Polizisten-und-von-Verletztem;art1232,5461353
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24.09.14: hr online.de: „Polizei wehrt sich gegen Shitstorm:
https://www.echo-online.de/region/ruesselsheim/Mehrere-Anzeigen-gegen-Polizisten-und-von-Verletztem;art1232,5461353
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24.09.14: mimikama.at: „Polizist erlegt Hunde – reichen 67 Sekunden Videomaterial zur Klärung?“ (In den Kommentaren gibt es eine Stellungnahme des Hundebesitzers!)
https://www.mimikama.at/allgemein/polizist-erlegt-hunde-reichen-67-sekunden-videomaterial-zur-klrung/
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24.09.14: „Tieranwältin“ Susan Beaucamp auf Facebook: „Schusswaffengebrauch gegen Hunde“
https://de-de.facebook.com/SusanBeaucamp.Tieranwaeltin
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24.09.14(?): Gassi.TV (Video): „Polizisten erschießen Hunde“
https://gassi-tv.de/News/2014-09-25-toetung-Staffs-Ruesselsheim
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24.09.14: hr-online.de mit einem Fernsehbeitrag auf YouTube: „Rüsselsheim: Morddrohungen nach Hundeattacke“
https://www.youtube.com/watch?v=GvLamEreilU&feature=youtu.be
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25.09.14: Hit Radio FFH, „Polizist nach Schüssen auf Kampfhunde angezeigt“:
https://www.ffh.de/news-service/ffh-nachrichten/nController/News/nAction/show/nCategory/suedhessen/nId/48429/nItem/ruesselsheim-polizei-erschiesst-zwei-freilaufende-hunde.html
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25.09.14: echo-online.de: „Shitstorm mit Blaulicht„
https://www.echo-online.de/region/suedhessen/Shitstorm-mit-Blaulicht;art24719,5465341
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25.09.14: retter.tv: „Erschießung von Hunden löst Shitstorm gegen Polizei aus„:
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25.09.14: echo-online.de: „Bis zu 5.000 Teilnehmer für Kundgebung gegen Hundetötung angemeldet- Sicherheit: Demonstranten aus dem In- und Ausland erwartet“
https://www.echo-online.de/region/ruesselsheim/Bis-zu-5000-Teilnehmer-fuer-Kundgebung-gegen-Hunde-Toetung-angemeldet;art1232,5467121
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25.09.14: hr-online.de: „OB verteidigt Schüsse auf Kampfhunde“
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25.09.14: Der Stadtverordnete Achim Weidner aus Rüsselsheim hat eine Facebook-Veranstaltung: „Solidarität mit der Polizei in Rüsselsheim“ initiiert; die Seite erreicht aus dem Stand über 4.000 Likes.
https://www.facebook.com/Solidaritaet.mit.der.Polizei.Ruesselsheim?fref=ts
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25.09.14: heute.at: „So brutal geht es nach Hunde-Erschießung zu“
https://m.heute.at/news/welt/art23661,1074791
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26.09.14: echo-online.de: „Gebissener meldet sich zu Wort: Der Hund hätte mich umgebracht.“
https://www.echo-online.de/region/ruesselsheim/Gebissener-meldet-sich-zu-Wort-Der-Hund-haette-mich-umgebracht;art1232,5472553
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27.09.14: hr-online.de: „Tierschützer verurteilen Hass auf die Polizei“:
https://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?rubrik=36098&key=standard_document_53106109
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