Aua1378: Sachkundeprüfung Tierschutzgesetz (4): Eine erste juristische Einschätzung sieht erhebliche Regelungslücken

 

{TS-Kritik}

[07.08.2014]

 

Die DN-Redaktion wartet im Moment unter Spannung, wenngleich natürlich in hingestreckter Demut darauf, dass insgesamt vier (sehr komplexe) Presseanfragen an die zuständigen Behörden und Institutionen sowie ein sehr geschäftstüchtiges Tierärztinnen-Duo in Bayern zum Thema Sachkundeprüfung und D.O.Q.-Test beantwortet werden.

Inzwischen wird weitere fundierte Kritik an den Neuerungen des Paragraf 11 Tierschutzgesetz (Erlaubnispflicht) ohne bundesweit geltende weitergehende Durchführungsverordnungen öffentlich.

 

Juristische Vorabeinschätzung auf IG Hundeschulen

DN verlinkt nachstehend im Einverständnis mit dem Inhaber des Urheberrechtes, Rechtsanwalt Jan Plischke von der Kanzlei Toprak und Partner Rechtsanwälte in Gießen eine juristische Voreinschätzung zur „Rechtslage zu dem durch Änderungsgesetz zum Tierschutzgesetz vom 7. August 2013 eingefügten § 11 Absatz 1 Satz 1 Nr. 8 f TierSchG“, die einen Überblick geben und verschiedene Handlungsalternativen aufzeigen will.

 

Rechtsanwalt

Jan Plischke

Juristische Vorabeinschätzung Rechtslage zu dem durch Änderungsgesetz zum Tierschutzgesetz vom 7. August 2013 eingefügten § 11 Absatz 1 Satz 1
Nr. 8 f TierSchG

HIER!

 

Zur Verfügung gestellt wird das Dokument durch die Interessengemenschaft Hundeschulen e. V. (IG Hundeschulen.de).

 

Betrifft die Hundetrainer, hat aber für den Tierschutz Relevanz

Tierschützer beachten bitte, dass obige juristische Vorabeinschätzung auf die besondere Situation gewerblich tätiger Hundetrainer zugeschnitten ist und mithin für Tierschützer nur bedingt und in Teilaspekten relevant ist. Da sich diese Kritik jedoch gegen das gesetzliche Gesamtpaket richtet, sind juristische Schwächen in Bezug auf Hundetrainer auch für die anderen Zielgruppen des Gesetzes relevant.

Juristen sehen insbesondere keine Rechtsgrundlage für die Durchführung des Testes (z. B. D.O.Q.-Test) und fragen, auf welcher Rechtsgrundlage Veterinärbehörden diesen Test heranziehen möchten:

             

Die Behörden, so der bisherige Stand, nehmen die Einschätzung der „Sachkunde“ aufgrund von unterschiedlichen Erlassen, Weisungen der Landesministerien und unter teilweiser Verwendung der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften (AVV-) zum Tierschutzgesetz aus dem Jahr 2000 vor. Die Erlasse etc. wiederum sehen vor, dass derjenige den Nachweis der „Sachkunde“ erbracht hat, der eines der bereits genannten Zertifikate vorlegen kann oder sich der Überprüfung seiner „Sachkunde“ im Rahmen von unterschiedlichen Prüfungen (i.d.R. D.O.Q.-Test® Pro) erfolgreich unterzieht. Dies begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken und bedarf einer genaueren Betrachtung.

(Jan Plischke)

              

Im Weiteren geht es dann um die Auswahl des Prüfungsstoffes und die Bewertung der Prüfungsleistung, für die bisher eine gesetzliche Grundlage fehle. Das gilt dito für Tierschützer.

Zentral:

              

Der Gesetzgeber muss jedoch auch diese Angelegenheiten nicht in den Einzelheiten selbst abschließend regeln. Er hat aber diejenigen Leitentscheidungen zu treffen, welche die Regelungsbefugnisse der zur konkreteren Rechtsetzung (durch Rechtsverordnung), aber auch zur Rechtsauslegung (einschließlich der „amtlichen“ Auslegung durch Erlasse und sonstige Verwaltungsvorschriften) und Rechtsanwendung berufenen Verwaltung (einschließlich der Prüfer und Prüfungsbehörden) nach Tendenz und Programm umgrenzen und für den betroffenen Prüflingberechenbar machen (BVerfG, 1 BvR 1033/82 ; BVerfG, 1 BvR 640/80).“ Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber Abs. 2 eingefügt. Eine Prüfung ohne entsprechende Ermächtigung einzufordern bzw.diese selbst durchzuführen entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen und wäre in der Folge als rechtswidrig anzusehen. In letzter Konsequenz würde dies bedeuten, dass eine nichterteilte Erlaubnis aufgrund fehlender oder nicht bestandener Prüfung durch ein Gericht aufgehoben werden müsste.

(ibid.)

              

Diese Mängel und Defizite betreffen nach Auffassung der DN-Redaktion ebenfalls die Tierschützer. DN hatte ja schon kritisiert, dass es ganz offensichtlich und beim Stand der Dinge der Willkür der Veterinärbehörden überlassen bleibt, welche Art von Test und Sachkundeprüfung sie durchführen wollen.

 

IHK (Potsdann) und Landestierärztekammer nicht autorisiert?

Speziell die Hundetrainer betrifft allerdings die auch an anderer Stelle zu vernehmende Kritik daran, was bitte die Industrie- und Handelskammer oder auch die Landestierärztekammern mit Hundetrainern zu schaffen haben. Dazu schreibt der Jurist:

              

Weder die Landestierärztekammern noch die IHK Potsdam sind zur Abnahme einer möglicherweise berufsbeschränkenden Prüfung gesetzlich ermächtigt. In der Folge blieben der Behörde nur noch Anhaltspunkte (Indizien) für die Feststellung der „Sachkunde“, wie z.B. die langjährige unbeanstandete Tätigkeit als Hundetrainer/in, Sachverständigentätigkeit, sonstige bereits abgelegte Prüfungen die Rückschlüsse auf die „Sachkunde“ zulassen etc.

(ibid.)  

              

Übrigens sieht der hier vorabeinschätzende Jurist den Ansatz von Kolleginnen, welche die Defizite der aktuellen Rechtslage gleich zur Verfassungsbeschwerde aufpumpen möchten, eher skeptisch:

             

Eine „abstrakte“ Überprüfung des § 11 TierschG in der Form einer Verfassungsbeschwerde wird im Hinblick auf die existenzielle Bedeutung und des damit einhergehenden Zeitdrucks der Antragsteller als wenig zielführend erachtet. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Beschwerde überhaupt annehmen wird. Gegen formelle Gesetze (wie das TierSchG) ist grundsätzlich für Bürger kein Rechtsweg eröffnet, mit welchem ein Gesetz unmittelbar mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte.

(ibid.)

              

Danke. Es hätte diese Redaktion auch eher verstört, wenn Frau Schönacker einmal einen Treffe gelandet hätte …


Übersetzt in DN-Sprech

Weit über diese juristische Vorabeinschätzung hinausreichend und zum Status quo des Chaos das Ganze einmal in DN-Klarsprech gefasst: In der bisherigen Darreichungsform ohne nachgeordnete Regelungen zur Durchführung der ganzen Chose ist die Novellierung des Tierschutzgesetzes § 11 Sachkunde und Erlaubnispflicht ein offensichtlicher und heilloses Chaos produzierender Murks, der die dazugehörige Lobby mutmaßlich dazu einlädt, sich Regelungsdefizite zum eigenen kommerziellen Vorteil hinzubiegen.

Über diese Biegebemühungen wird DN ausführlich berichten.

Und zum D.O.Q.-Test in welcher Variante auch immer: An der IMP-Version besteht schon umfassende Kritik, die sowohl dem Rechteinhaber Data Parc Ltd. wie der TAG-H von der DN-Redaktion vorgelegt, bisher aber leider noch nicht stellungenahmt wurde.

Mit Spannung darf man darauf warten, dass kynologische Kapazität außerhalb der intransparenten TAG-H sich der Testvariante PRO annimmt und zu den dort verwendeten Fragen eine fachliche Kritik abgibt. DN hat da schon einmal etwas vorbereitet … 

 

Den Auslandsschleppern drohen hohe Bußgelder!

Derweil die Hundetrainer um ihre Rechte kämpfen, haben wohl die meisten Auslandsschlepper immer noch nicht geschnallt, dass die schönen Zeiten ohne jede Erlaubnis nun endgültig vorbei sind. Eine DN-Leserin berichtete der Redaktion die Tage, eine Auslandsschlepperin ohne die nötige Erlaubnis habe ihr, darauf angesprochen, entgegnet, ihr Verein brauche diese Erlaubnis nicht, weil man „das“ (= illegalen Hundehandel) schon so lange mache.

Die DN-Redaktion wünscht dieser Dame von Herzen die dazugehörige Ordnungstrafe in Höhe von 25.000 Euro.

Es ist nämlich kein Schönheitsfehler mehr, ab 1. August 2014 keine Erlaubnis für das Verbringen von Auslandshunden nach oder die Vermittlung von Auslandshunden in Deutschland vorweisen zu können. Wer ohne diese Erlaubnis Nämliches tut, begeht nach § 18 Abs. 1 Nr. 20 eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld bis zu 25.000 Euro geahndet werden kann.

 

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