Aua123: Endlich: Schwarzbuch Tierarzt
{TS-Kritik}
Alles schwarz. Wo nicht schwarz, da Karikatur: Ein halbbeglatzter Weißkittel mit gierig heraushängender Zunge, linkshändig die Spritze schon vorbereitet, jagt einem flüchtenden Hund und einer davonstürmenden Katze nach.
Die Stimmigkeit der Buchdeckelgestaltung! Ein schwarzes Schwarzbuch! Blutrot die Textinfos: Hunde würden länger leben, wenn … und Eine Insiderin packt aus! Weißschriftig der Autorenname: Dr. med. vet. Jutta Ziegler, der Titel selbst sowie der Untertitel „Totgeimpft Fehlernährt Medikamentenvergiftet“.
Sehr vielversprechend!
So kommt es daher, das Buch, auf das man viel zu lange warten musste! Es ist meines Wissens nach so revolutionären Publikationen wie Grimms Katzen würden Mäuse kaufen für den Bereich der Tierernährung oder Christoph Jungs Schwarzbuch Hund zur Lage des Rassehundes ein vergleichbares Bulldozer-Werk zum Themenbereich Tiergesundheit. Und es räumt systematisch die dem zahlungsstarken Heer der Tierhalter eingebläuten Glaubenssätze zur Seite.
Natürlich macht so etwas Aua!
Und es spricht auch gezielt den endverbrauchenden Tierhalter an. An einigen dieser nämlich, so ist anzunehmen, gingen bisher so wegweisende Veröffentlichungen wie Der Jahrtausendirrtum der Veterinärmedizin von Klaus Dieter Kammerer (2000) vorbei.
Die österreichische Tierärztin Dr. Jutta Ziegler schließt sich an und nimmt Tierhalter in den Fokus. Und Fehlernährung ist auch nur ein Themenbereich im Schwarzbuch. Dazu kommen noch die wichtigen Komplexe Impfungen, Apparatemedizin und Medikamenteneinsatz.
Zu einem noch aufwendbaren Preis von € 17,80 zerrt sie auf 170 Seiten den sichttrübenden Schleier der Indoktrination durch Veterinärmedizin, Pharma und Futtermittelindustrie von jenen, die ihre Tiere lieben und für sie alles zu tun und dafür jeden Preis zu zahlen bereit sind. Seit Januar 2011 können es diese besser wissen!
Kompetent, belegt, empirisch gestützt, gut lesbar bulldozert das Schwarzbuch Tierarzt all die Glaubenssätze fort, die uns von der Veterinärmedizin seit Jahrzehnten eingehämmert werden, brav geechot in zahllosen Hunde-, Katzen- und Tierschutzforen, folgsam ausgeführt und finanziert von den Tierschützern. Dass die teuren, teilweise sogar Tierhalter-Existenz-vernichtenden Exerzitien dieses Glaubens inzwischen völlig losgelöst von Gesundheit und Langelebigkeit unserer Haustiere, vornehmlich Hunde und Katzen, bestehen können, zeigt die Effizienz von Propaganda (erneut).
Totgeimpft – fehlernährt – medikamentenvergiftet!
Kurze Inhaltsübersicht
In zehn Kapiteln streift Ziegler die wichtigsten Themen, denen man jedem einzelnen wenn nicht ein Buch, dann Bücher widmen müsste:
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit den Folgen der Ernährung mit industriellem Fertigfutter. Eine der Folgen von diesem sind Allergien, die dann wieder mit neuen, zwingend noch teureren, natürlich nur über den Tierarzt zu beziehenden Spezial-Diäten behandelt werden. Davon handelt das zweite Kapitel.
Dass der viel zu häufig absolut verheerende Gesundheitszustand unserer Lieblinge multikausal ist, d. h. sich auf mehrere, im ungünstigsten Fall sich gegenseitig verstärkende Ursachen zurückzuführen ist, belegt Ziegler im dritten Kapitel. Die Synergie von Überzüchtung und falscher Ernährung – Doggenhalter aufgepasst!
Schon etwas weiter offen steht die Tür beim Thema Impfungen. Nicht zuletzt durch die Veröffentlichungen von Monika Peichl und Dr. Buchwald hat schon eine nicht bezifferbare Quantität von Tierhaltern ein Konzept davon, dass man sich äußerst kritisch mit dem Thema Impfungen auseinandersetzen muss. Ziegler tritt noch einmal kräftig gegen diese Tür, hinter der die gesamte Tierärzteschaft sowie die Pharma kräftig dagegen halten! Aus offensichtlichen und münzklingenden Gründen! Das ist Thema des vierten Kapitels.
Im anschließenden Kapitel geht es um Psychopharmaka für Hund und Katze.
Das insbesondere auch für Tierschutzvereine und –heime besonders empfehlenswertes Kapitel sechs behandelt den unkontrollierten Einsatz von Antibiotika, Kortison und das Bombardement mit Wurmmitteln. Da fällt mir das Tierheim Berg des Tierschutzvereins Ravensburg und Umgebung ein, dessen enorme Tierarztkosten (2009 knapp das Dreifache der Futterkosten!!!) sich nicht zuletzt daraus erklären, dass der gesamte Tierheimbestand vierteljährlich entwurmt wird! Wenn man Ziegler liest, kann man solche Maßnahmen erst richtig bewerten. Im Kontext mit dem Doggennetz– und CharityWatch.de-Thema muss hierbei dann auch daran erinnert werden, dass damit nicht nur die Gesundheit der Tiere gefährdet, sondern Spendengelder verbrannt werden!
Für das siebte Kapitel – überfütterte Hunde und Katzen – kommen einem auch aus der Tierschutz- und Doggenszene sofort Kandidaten in den Sinn, die man, gefesselt in einem bequemen Stuhl, so lange mit vorgehaltener Pistole zur Lektüre zwingen sollte, bis sie das Kapitel auswendig können!
Wie private Tierhalter für die Amortisation teurer Geräte in niedergelassenen Tierarztpraxen herangezogen werden, ohne dass deren Lieblinge dafür länger leben dürften, das beschreibt das nächste Kapitel! Übertragen auf die Tierschutzszene kritisiert es die endlosen Spendenaufrufe für ein CT bei Galgo X, das MRT bei Mischling Y und die Infiltrationstherapie bei Dogge Z!
Im neunten Kapitel werden Desinformation und Mythen rund ums Barfen aufgearbeitet.
Mein Lieblingskapitel ist das letzte: Eine Art Checkliste gibt jedem Tierhalter die Möglichkeit, sich anhand der Ausstattung einer Tierarztpraxis (z. B. Plakate im Wartezimmer etc.) und typischer Reaktionen von Tierärzten rasch ein Bild davon zu machen, worum es in der jeweiligen Praxis eigentlich geht! Übrigens: Es geht meistens nicht um Ihren Liebling!!!
Und es gibt ein Wort dafür: MONETIK! Monetik statt Ethik!
Begeisterte Leser
Das Schwarzbuch Tierarzt liegt in der Doggennetz-Redaktion schon seit vielen Wochen herum und harrte der Besprechung. Immerhin haben wir es in der Zwischenzeit massenhaft empfohlen. Und selbst bei leicht genervten Viellesern veterinärmedizin-kritischer Literatur waren die Feedbacks blanke Begeisterung! Wer mehr ist als ein durchschnittlicher Hunde- oder Katzenhalter, wer gar Tierschutz aktiv betreibt, der muss es lesen! Wer es nicht tut, darf sich über das Etikett Ignorant nicht beschweren.
Kritik
Was mir nicht gefallen hat, ist das „Zum Geleit“. Dort bejubelt eine Patientenhalterin ihre eigene Tierärztin: Dr. Jutta Ziegler. Öde und wenig glaubwürdig. Das Heer der kritisierten Tierärzte würde Heere von ebenfalls gläubigen Patientenhaltern aufbieten können, die das Nämliche tun: den Tierarzt als letzte Instanz bezeugen, in dessen Hände sie das Wohl und Wehe ihrer Lieblinge legen. Wenn dann die aufgerufene Zeugin auch noch so fragwürdige Gleichsetzungen wie Cauda equina mit Hexenschuss vornimmt, wird der Leser ärgerlich!
In der Besprechung dieses wegweisenden Buches kommt Doggennetz daher wie die alte Fasnacht. Da waren andere schon früher dran:
Christoph Jung bespricht die lebensverlängernde Alternative auf petwatch.blogspot schon im Februar hier.
Und auf das Interview mit Dr. Jutta Ziegler im bmt-Magazin wurde in Aua118 hingewiesen.
Eine häufig vorgebrachte Kritik ist die, dass Ziegler im Schwarzbuch Tierarzt nichts wesentlich Neues verkündet. Dabei wird auf Publikationen wie Grimm, Peichl und vor allem Kammerer verwiesen.
Allerdings ist das Problem weniger das von neu oder nicht neu, sondern liegt in der Lesebereitschaft der Zielgruppe. Ein Besuch in einer mit Werbung der Pharma tapezierten Tierarztpraxis oder ein Halbtagesaufenthalt in einem der einschlägigen Tierfuttermittelläden zeigt rasch: Die wichtigen Infos sind bei der Mehrheit der Tierhalter bisher immer noch nicht angekommen! Und wenn ein Tierschutzverein es als besonders lobens- und deshalb erwähnenswert erachtet, seinen Bestand vierteljährlich mit Wurmmitteln zu bombardieren, dann bedarf es vielleicht noch vieler Schwarzbücher Tierarzt, bis sich etwas ändert.
Wer sich einen guten Überblick über die vielen Pro und Contras zu diesem Buch verschaffen möchte, liest die Rezensionen auf Amazon. Schnell merkt man dabei, wo mit den üblichen pauschalen Urteilen von wegen Feldzug gegen die Veterinärmedizin etc. gearbeitet wird. Oh, große Lächerlichkeit! Die Tierärzteschaft kann sich wahrlich nicht beklagen. Vergleich man die viel zu wenigen kritischen Werke, die gegen ihre Machenschaften zu Felde ziehen, mit den Regalmetern medizinkritischer Literatur für den Humanbereich, dann Prösterle, Vet.-Med.!
Dass es einem Tierarzt nicht aus dem Stand gelingt, ein sprachlich geschliffenes Opus zu schaffen, das gleichzeitig vorgebildetes Fachpublikum UND tierhaltenden Laien adäquat anspricht, dieser Vorwurf ist trivial! Den Termin beim Tierarzt macht aber immer noch der Tierhalter selbst; und er bezahlt auch die Rechnung! Deshalb scheint mir die gezielte Ansprache des Endverbrauchers im Moment einmal wichtiger. Und diese gelingt Ziegler!
Die neue Bibel des aufgeklärten Hunde- und Katzenhalter in weiteren Auflagen sprachlich noch zu optimieren, meine Güte, da wird sich doch vielleicht noch eine Linguistin finden lassen?
Dass das Gros der Tierärzte, der Pharma und der Futtermittelindustrie vom Schwarzbuch nicht so begeistert ist, nun ja, das ist nicht wirklich überraschend.
Besonders witzig ist das Argument, die € 17,80 für dieses Büchlein seien überzogen. Mit ausgerechnet diesem Argument zu hantieren, steht der kritisierten Zunft besonders gut an. Versuche man doch, für € 17,80 irgendeine veterinärmedizinische Leistung von Belang zu erwerben! Und das Geld ist schnell wieder drin, wenn man sich nur eine der vielen redundanten, wenn nicht sogar gesundheitsschädlichen Leistungen, die einem in der durchschnittlichen Tierarztpraxis so alle angeboten werden, erspart!
Doggennetz.de-Empfehlung: lesen!
Und dabei bitte den Tierschützern, die für so manchen veterinärmedizinischen Voodoo auch noch Spendengelder akquirieren, den Vortritt lassen! Oder in den hartnäckigeren Fällen: vorlesen!
Ergänzung vom 05.05.2011:
Zum Thema prima passend böte sich evtl. auch noch das Interview mit dem Tierarzt Dirk Schrader im Hounds- & People-Magazin Mehr Transparenz und Ethik in der Tiermedizin an!