Aua953: Offener Brief an die Redaktion des ARD-Weltspiegels: Eine Bühne für die Schindlers-Liste-Autorin!

 

{TS-Kritik}   [Bitte beachten Sie die Aktualisierung vom 13.03.2014]

 

Sehr geehrte Damen und Herren der ARD-Weltspiegel-Redaktion,

in der Sendung vom 7. April 2013 berichtete der ARD-Weltspiegel unter der Überschrift Rumänien: Schmutziges Geschäft mit Hundemord über die dramatische Situation der rumänischen Straßenhunde und die dort agierende Hunde-Mafia. Dabei wurde unter anderem die derzeit durch alle Medien geisternde Truckerin Tamara Raab vorgestellt, die mit gleichzeitiger Werbung für die Spedition Jas Forwarding Hilfsgütertransporte nach Rumänien durchführt.

Dieser Weltspiegel-Beitrag atomisiert meinen Glauben an die journalistischen Qualitäten dieses ARD-Vorzeigeformats. Inhaltlich weist er über die Darstellung der angeblichen Hilfsleistung von Raab & Jas  Forwarding keinen Unterschied zu den Berichten in irgendwelchen Hundemagazinen (z. B. Dogs-Magazin) oder gar dem österreichischen Boulevardblatt Kronen-Zeitung auf.

 

Keinerlei Recherche für Weltspiegel-Beiträge?

Recherche irgendwelcher Art zu diesem unterirdischen Weltspiegel-Beitrag kann unmöglich stattgefunden haben. Oder war es die Absicht Ihrer Redaktion, der neuen Autorin von Schindlers-Liste eine Bühne zu bieten?

Warum wurden die Hintergründe des Status quo rumänischer Straßenhunde nicht beleuchtet?

Wieso erfährt der ARD-Zuschauer nicht einmal, aus welchen Quellen die Gelder stammen, an denen sich die dortige Hundemafia bereichert? Sind es EU-Gelder oder zahlt der rumänische Steuerzahler?

Hat die Autorin des Weltspiegel-Beitrags wenigstens einmal vorher mit dem für Tamara Raab und der Spedition Jas Forwarding zuständigem Veterinäramt gesprochen, da die Truckerin im Internet selbst davon berichtet, wie sie an den vorgeschriebenen Traces-Meldungen vorbei Hunde nach Deutschland verbringt?

Hat die Weltspiegel-Autorin wenigstens mit dem Experten für den schmuddeligen Dschungel Spenden sammelnder Tierschutzvereine, mit Stefan Loipfinger, gesprochen?

Ja, natürlich, das alles sind rhetorische Fragen.

 

Eine Bühne für die Schindlers-Liste-Autorin

Aber die Fragen lassen sich fortsetzen: Ist es von Ihren Journalisten wirklich zu viel verlangt, wenigstens einmal die Internet-Veröffentlichungen der Personen, denen man da eine Bühne bietet, zu lesen? Oder ist es für den Weltspiegel okay, einer jungen Dame einen ARD-Auftritt zu verschaffen, die sich auf selber Augenhöhe mit Oscar Schindler wähnt und im Internet zu ihren angeblichen Tierschutzaktivitäten tatsächlich ihre „Schindlers-Liste“ veröffentlicht? Auf der stehen dann – Gipfel der Verhöhnung der Holocaust-Opfer – die Spender der kontraproduktiven Hilfsgütersendungen.

 

Bildzitat Screenshot von https://www.tamara-raab.de/downloads/Reisebericht_Spanien.pdf

Reisebericht der Truckerin Tamara Raab im Internet über ihren angeblichen Hilfsgütertransport Spanien 2012. Sie verhöhnt die Opfer des Holocaustes in zweifacher Weise: Nicht nur dass sie sich tatsächlich auf moralischer Augenhöhe mit Oscar Schindler wähnt, nein, auf ihrer Schindlers Liste  stehen dann die Spender der zweifelhaften Hilfsaktion. Diese unglaubliche Entgleistung hätte die Weltspiegel-Autorin zwangsläufig entdecken müssen, hätte nur minimalste Recherche über Personen stattgefunden, denen der ARD-Weltspiegel eine Bühne bietet. Für die alternative Erklärung steht zu hoffen, dass sie nicht zutrifft: Eine derartige Verhöhnung der Opfer des Holocaustes spielt für die Weltspiegel-Redaktion keine Rolle?

 

Diese Entgleisung ist im Internet nicht so schwer zu finden und sie ist vor allem nicht die einzige. Wie intakt ist die Ethik von „Tierrettern“, welche eine ganze Nation pauschal als „Land des Todes“ verunglimpfen?

 

 

Bildzitat Screenshot von https://www.tamara-raab.de/

Tamara Raab auf ihrer Webseite über Rumänien als „Land des Todes“. Wie „Auslandstierschützer“ bei ihren Darstellungen mit dem Ausland verfahren, das war schon Thema des Offener Brief an das Bundeskriminalamt und den Bundesinnenminister (Aua697) dieser Redaktion. Die Grenzen zwischen Melodram, Hysterie, Übertreibung und Auslandshetze sind da oft nur schwer zu ziehen. Wie jedoch kann Hilfe für eine Nation aussehen, die pauschal als „Land des Todes“ verunglimpft wird? In einem anderen Fall anderer Tierschutz-Protagonisten verstieg man sich sogar zu der Ansage, Rumänien sei ein Land, „was in dem Blut von Hunden schier ertrinkt“. Abgesehen von der maßlosen Übertreibung ist auch schwer vorstellbar, wie die Rumänen selbst für die Anliegen des Tierschutzes gewonnen werden sollen, wenn die Tierschützer sie derart pauschalisierend verurteilen.

 

 

[Aktualisierung vom 13.03.1014]

Sammlungsverbot, Staatsanwaltschaft und Privatkonten

Ist es Weltspiegel-Autoren wirklich nicht zumutbar zu recherchieren, mit welchem Verein zusammen die glorifizierte Truckerin auftritt: dem Verein Europäischer Tier- und Naturschutz e. V. (ETN)? Stattgefundene Recherche hätte zu dem Ergebnis führen müssen, dass dieser Verein seit 2010 einem Sammlungsverbot der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier unterliegt, auch wenn dieses seit August 2011 außer Vollzug gesetzt ist. Stattgefundene Recherche hätte den Nachweis erbracht, dass dieser Verein seit Jahren auf der CharityWatch.de-Warnliste steht (hier und hier). Stattgefundene Recherchen hätten darüber hinaus zu Tage gefördert, dass die Staatsanwaltschaft Bonn seit 2010 gegen Verantwortliche des Vereins ermittelt. Diese Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue dauern nach aktueller telefonischer Auskunft der Staatsanwaltschaft Bonn gegenüber dieser Redaktion an. [Wie der ETN in einer Pressemitteilung vom 13.03.2014 veröffentlicht, wurden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bonn gegen Heinz Wiescher und Dieter Ernst im Februar 2014 eingestellt. Um auch grafisch nachvollziehbar zu machen, dass diese Behauptung zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses des Artikels noch zutreffend war, ab 13.03.2014 aber nicht mehr zutreffend ist und auch nicht mehr erhoben werden darf, wurde die entsprechende Aussage durchgestrichen.]

Warum assistiert der Weltspiegel die Montage des Heiligenscheins einer mit auffallender Medienpräsenz installierten neuen Tierretterin, ohne ein Wort über die Entmystifizierung ihrer Vorgängerin zu verlieren? Denn gerade erst mussten Tierfreunde und Spender lernen, dass sich die bisherige Charity-Lady und ETN-Botschafterin Maja Prinzessin von Hohenzollern, die gern vor laufender Kamera rumänische Straßenhunde abknutschte, ihre Wohltätigkeit mit einem Tagessatz von 250 Euro und Honoraren in Höhe von rund 55.000 Euro in 20 Monaten hat vergolden lassen (vgl. Aua938).

Ist es journalistisch für Ihre Redaktion akzeptabel, wenn hier eine „Tierretterin“ glorifiziert wird, die im Internet dazu aufruft, Spenden für die angeblichen Rettungsaktionen in Rumänien auf ein Privatkonto fließen zu lassen?

 

 

Bildzitat Screenshot von https://www.facebook.com/events/462616340452065/permalink/496187830428249/

Traulich beieinander: Auf ihrer Facebook-Seite bietet Tamara Raab zum einen die Überweisung auf das Konto des Europäischen Tier- und Naturschutz e. V. (ETN) an. Gleich darunter wird Spendern ohne Wunsch nach einer Quittung jedoch auch die Option angeboten, auf Raabs Privatkonto zu überweisen. Derlei Angebote im Kontext mit Spendengeldern ist kein Problem für die Weltspiegel-Redaktion?

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Bildzitat Screenshot von:https://www.facebook.com/events/462616340452065/permalink/496187830428249/

Auch hier wieder werden Spender von Tamara Raab auf Facebook dazu aufgefordert, das Geld direkt auf ein Privatkonto zu überweisen. Dank der Werbung im Weltspiegel wird das möglicherweise jetzt reichlich fließen, denn vielen Spendern ist einfach nicht bewusst, dass sie später keine juristische Grundlage haben, einen Nachweis der Verwendung dieser Spendengelder zu verlangen.

 

Elend als Unterhaltung statt Hintergrundinformation

Genießt nun auch beim Weltspiegel die „Unterhaltung“ des Zuschauers mit rumänischen Elendsbildern des unsäglichen Tierleids Vorrang vor profunder Situationsanalyse, dem Hinweis auf alternative Ansätze und die inzwischen laut vernehmliche Kritik überkommener Praktiken des Auslandstierschutzes? Ist Ihrer Autorin nicht klar geworden, dass der Status quo in Rumänien nicht zuletzt Ausfluss und direkte Folge fast 15-jähriger Präsenz zentraleuropäischer Tierschutzorganisationen in diesem Land ist?

Dabei kommt sie in ihrem Beitrag der Lösung einmal ganz nahe, wenn sie davon berichtet, dass sich auf kommunale Ausschreibungen für den Betrieb von Tierheimen nur gewerbliche und offensichtlich skrupellose Unternehmen bewerben. Ja, kein Wunder! Darauf hat der zentraleuropäische Auslandstierschutz seit 15 Jahren hingearbeitet. Statt die Strukturen im Land aufzubauen, die Menschen dort mit einzubinden, die Wirtschaft dort zu stärken, Partnervereine zu gründen, zu unterstützen und zu finanzieren, wurden mit dem Elend der rumänischen Straßenhunde Spendengelder, Aufmerksamkeit und Manpower exklusiv für die deutschen Tierschutzvereine abgezogen und außer Landes gebracht.

Hat sich der Weltspiegel-Redaktion die Erkenntnis aus der humanitären Entwicklungshilfe noch nicht vermittelt, dass Hilfsgütertransporte außerhalb von akuten Katastrophensituationen kontraproduktiv sind und die dort aufzubauenden Strukturen nachgerade abwürgen (Aua914)? Waren alternative Hilfskonzepte, die schon mit Erfolg praktiziert werden, von dieser Sekundenrecherche nicht umfasst (vgl. Aua923)? Warum wird Rumänien im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Hundefutter aller Qualitätsstufen und Zubehör als eine Art Sahel-Zone dargestellt?

Oder ganz kurz: Was unterscheidet dann noch einen ARD-Weltspiegel-Beitrag journalistisch und inhaltlich von Berichten in Hundemagazinen, im österreichischen Boulevard oder der Werbesendung für den gewerblichen Hundehandel des WDR, Tiere suchen ein Zuhause (vgl. Aua665)?

Der mehr als mangelhafte Weltspiegel-Beitrag über den Hundemord in Rumänien am 7. April 2013 lässt dem mit Elend überfrachteten Zuschauer emotional nur noch den Ausweg in die Spendensackgasse auf das von Tamara Raab benannte Privatkonto oder die Spendenkonten des von ihr im Internet benannten Vereins. Damit leistet der Weltspiegel seinen Beitrag dazu, dass die ARD auch nach weiteren 15 Jahren die nämlichen Elendsbilder aus Rumänien wird senden können, wie das schon seit 15 Jahren geschieht. Von Lösungsansätzen keine Spur! Kein Wort verliert der Weltspiegel über die durchaus fruchtbare aktuelle Diskussion der Szene zu diesem Thema.

Der Weltspiegel-Beitrag vom 7. April 2013 über Rumäniens schmutziges Geschäft mit dem Hundemord ist eine journalistische Schande, die den Hunden dort nicht helfen, einer Truckerin mit offensichtlich fehlenden Geschichtskenntnissen unverdienten Ruhm und umstrittenen deutschen Tierschutzvereinen neue Spendengelder verschaffen wird.

War es das, was Sie wollten?

 

Mit freundlichen Grüßen

Karin Burger

www.doggennetz.de