Aua364: Doggenrüde Boss: Der tierärztliche Untersuchungsbericht
{TS-Kritik}
[01.11.2011]
Der Artikel Aua348 Im Wettbewerb des Grauens: Ein sexuell missbrauchter Doggenrüde aus Spanien? gehört zu den aktuell meist gelesenen Artikel auf Doggennetz und hat zählt in den knapp 14 Tagen seit seinem Erscheinen rund 3.000 Klicks.
Die Forderung an die verantwortlichen Tierschützer war die zu belegen, wie die Behauptung des sexuellen Missbrauchs zustande kommt.
Diese These büßte schon durch die anfängliche und von den Tierfreunden Musher e. V. selbst geäußerte Verdachtsdiagnose Cauda equina an Glaubwürdigkeit ein (vgl. dazu Aua348). Erschwerend kommt hinzu, dass in allen vorherigen Texten zu diesem Hund nie von dem sexuellen Missbrauch die Rede war (vgl. Aua350).
Die Tierfreunde Musher e. V. haben Doggennetz nun einen tierärztlichen Untersuchungsbericht zu dem Doggenrüden Boss zukommen lassen.
Dieser tierärztliche Untersuchungsbericht vom 27. Oktober 2011 konstatiert einen sehr schlechten Pflege- und Ernährungszustand des Hundes. Die allgemeine Untersuchung und weiterführende Blutuntersuchungen jedoch ließen darauf schließen, dass Boss organisch gesund sei und somit der abgemagerte Zustand durch Haltungsmängel verursacht worden sei.
Kommentar: Diese These wird gestützt durch die unterschiedlichen Bilder von dem Hund, der zunächst – in der Obhut spanischer Tierschützer – noch einigermaßen akzeptabel aussah. Die Bilder lassen die Vermutung zu, dass der Hund in dem spanischen Tierheim heruntergewirtschaftet wurde, was im Übrigen von dem betreffenden Tierheim häufiger berichtet wird.
Weiter dokumentiert der tierärztliche Untersuchungsbericht:
Das Tier zeigte sich bei uns sehr ängstlich. Narben an den Hinterbeinen deuten auf Strangulation hin, der Analbereich weist Narben und Schwielen auf, Verletzungen am Rektum sind digital nicht palpierbar. |
Kommentar: Der einzige substanzielle Hinweis auf den von den Tierschützern behaupteten Missbrauch leitet sich allenfalls aus den „Narben an den Hinterbeinen“ ab.
Da der Hund am gesamten Körper, nimmt man die aktuelleren Bilder zur Hand, Narben und Schwielen aufweist, drängt sich nicht zwingend der Rückschluss auf, dass diejenigen dieser multiplen Narben und Schwielen im Analbereich den sexuellen Missbrauch belegen. Dass Verletzungen am Rektum digital nicht palpierbar sind, beweist aber auch nicht das Gegenteil, denn bei den vorliegenden Größenverhältnissen (Doggenrüde!) sind nach Einschätzung einiger von Doggennetz befragter Veterinärmediziner Schleimhautverletzungen nicht zwingend.
Von der Verdachtsdiagnose Cauda equina spricht der Untersuchungsbericht nicht, weist aber auf röntgenologisch nachweisbare „massive Spondylosen der Lendenwirbelsäule“ hin.
Alle Doggenleute, die ihre Lieblinge in ein höheres Alter gebracht haben und sich dabei mit dem Spondylose-Befund arrangieren mussten, wissen, dass diese Erkrankung auch zu Kotinkontinenz führen kann.
[Persönliche Anmerkung: Bei beiden meiner Doggenrüden, die ein hohes Alter erreicht haben (Manu: 11 Jahre 10 Monate, Marius: 10 Jahre) war das der Fall. Und bei meiner Doggenhündin Pebble mit Spondylose (11 Jahre, 4 Monate) übrigens auch!]
Resümee
Es ist ohnehin schwierig bis unmöglich, sichere physiologische Anzeichen für den sexuellen Missbrauch bei Hunden zu finden, wenn nicht gerade Sperma nachweisbar ist. Da im Falle des Doggenrüden Boss die These vom sexuellen Missbrauch erst auftauchte, als er in Deutschland ankam, und die Tierschützer außer dem oben zitierten tierärztlichen Untersuchungsbericht keine Belege für ihre These vorbringen können, zieht Doggennetz diese Behauptung im Rahmen der freien Meinungsäußerung ernsthaft in Zweifel.
Dazu betrachte man auch noch einmal den entsprechenden Text:
Leider hat Boss außer seinen Erkrankungen auch seelisches Leid davon getragen, denn er wurde von einem Spanier sexuell missbraucht. Sein After ist verletzt und sein Schließmuskel beschädigt. Leider besteht auch noch der Verdacht eines Cauda Equina Syndroms (Wirbelerkrankung). |
Die These vom sexuellen Missbrauch wird unmittelbar mit den physiologischen Merkmalen der Verletzungen am After und der Schließmuskelbeschädigung verknüpft.
Und wieso eigentlich ein Spanier? Woher wissen die Tierschützer das? In Spanien: vielleicht. Aber wenn überhaupt, könnte es ebenso gut ein dort gastarbeitender Italiener, Urlaub machender Deutscher oder ein Portugiese auf der Flucht vor Unterhaltszahlungen gewesen sein.
Beweisen lässt sich weder der erfolgte sexuelle Missbrauch noch das Gegenteil.
Thema elegant verlagert
Inzwischen haben die Tierfreunde Musher e. V. das eigentliche Thema der Diskussion – eben die Sodomie-Behauptung – sacht verschoben. Da sich wohl viele Tierfreunde dahingehend geäußert hatten, dass man diesen Hund doch lieber hätte erlösen sollen, wird die Diskussion jetzt auf die Frage Lebensqualität für Boss ja oder nein abgelenkt.
Darum aber geht es hier und vor allem der Doggennetz-Redaktion nicht.
Nachdem nun feststeht, dass es keinen sicheren Beleg für den Missbrauch gibt, sieht Doggennetz auch keine Veranlassung dazu, der Einladung der Tierfreunde Musher e. V. zu folgen, sich persönlich vom Wohlergehen des Hundes zu überzeugen.
Außerdem drängeln sich da schon andere Kompetenzanmaßer vor, denen das Feld gern überlassen sei.
Doggennetz.de-Senf:
Sodomie ist ein ernstes Tierschutzthema von hoher Relevanz, das weder tabuisiert noch verharmlost werden darf.
Umgekehrt ist es nach Doggennetz.de-Meinung aber ebenso verwerflich, vorschnell und ohne konkrete Hinweise und Belege sehr publikumsträchtig eine solch schwer wiegende Behauptung aufzustellen. Im Falle des Doggenrüden Boss erhält diese durch die Tierfreunde Musher e. V. aufgestellte Behauptung noch ein besonderes Geschmäckle dadurch, dass der Tatvorwurf ohne jeden Beleg gegen einen Spanier erhoben wird.
Auffallend bei der Diskussion und den ersten Reaktionen auf diese Horrorgeschichte der Tierfreunde Musher e. V. ist aber auch, dass erschreckend viele „Tierfreunde“ diese Behauptung in keiner Weise hinterfragt haben und sofort bereit waren, auch diese neuerliche Bestialität (eines Spaniers!) zu glauben. Mit der Empörung waren die meisten schneller bei der Hand als mit einer gesunden Skepsis.
Wenn es aber irgendetwas am Falle Boss zu beweisen gibt, dann dies: Skepsis gegenüber den Horrorberichten zu den Leidensgeschichten ihrer Schützlinge ist bei vielen Tierschützern mehr als angebracht.
Aktualisierung vom 19.03.2012:
Bitte beachten Sie dazu Aua558.