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Aua62: Das Management der schieren Scheiße

{Kraut & Rüben} 

 

PROLOG:

ÜBERICH: Aus ästhetischen und Anstandsgründen wird die Fallzahl des Tabuwortes „Scheiße“ und seiner Stammverwandten in diesem Text abzüglich Überschrift auf elf begrenzt.

ES: Und eine dieser Kostbarkeiten haben wir damit schon verdödelt!

 

 

Der früh und mit Macht eingefallene Winter gönnt einigen seiner Opfer eine kleine Pause. Die anderen versuchen, ihr Hab und Gut vor dem Schmelzwasser zu retten.

Der Schnee geht, aber die Hundeschiete bleibt. Schlimmer noch: Erst jetzt wird sie so richtig offenbar  – nach gut vier Wochen geschlossener Schneedecke mit immer neuen Schichten obendrauf. Eine durch die Schneemenge stark eingeschränkte Auswahl an Gassistrecken konzentrierte die Stoffwechselendprodukte dreier Doggen in hässlicher, weil optisch unschöner und olfaktorisch bedrängender sowie sozial unverträglicher Art und Weise.

Restjährig haben wir ein perfektes Doggenkacke-Entsorgungsmanagement mit ausgetüfteltem Equipment. Der verantwortungsvolle Hundehalter weiß, was er seiner Zivilisation schuldig ist. Und diese Schuld übersteigt jene an die Ökologie bei weitem. Denn brav ignoriert man Gerd Hauckes nüchterne Erkenntnis, aus x Portionen verrottungsbereitem Material per Tütchen & Co. x Portionen Unverrottbares zu machen. Von der Öko-Variante wollen meine Nachbarn gar nichts wissen.

 

Aufgreiftechnik

Niemals verlassen wir Haus und Grund ohne: eine Rolle Kosmetikeimerplastiktütchen plus eine tragbare Mini-Box mit Frischetüchlein. Den zufälligen Beobachter besticht die manuelle Virtuosität: Beide Hände in Albrecht-Dürer-Position aneinandergelegt. Ohne Theatralik. Auch spirituelle Sammlung ist nicht erforderlich. Dann mit diesen in das arglose Tütchen hineinstoßen wie der Zug in den Tunnel. Den Rücken beugen. (Ja, das schmerzt.) Nun werden vermittels beherztem Schaufel-Griff und elegantem Schwung die gut zwei Handvoll Doggen-Output vom Boden aufgenommen und in die nicht kleine Tüte hineinzentriert. Bitte: Das ist EINE Bewegung! Vom Profi fast achtlos ausgeführt. Der die lebenswarme Masse und den anhänglichen  Geruch gleichzeitig an der Flucht hindernde Abschlussknoten im Tütenhälschen wird von einem Blick professioneller Arroganz kontrolliert. Kein Spritzer an den Händen. Trotzdem und in ankonditionierter Übererfüllung des Hygienesolls, vielleicht auch als Beruhigung für ferne Beobachter, die bei Begegnungen einen Händedruck scheuen könnten, zupft man mit lässiger Geste ein Pflegetüchlein (Aloe!) aus der Frischebox und reinigt die Hände mit präoperativer Gründlichkeit.

Ich bin – trotz dreier Riesenhunde – ein akzeptables Mitglied dieser Gesellschaft.

Gegenüber dem Doggen führenden gemeinen Fußgänger, der je nach Anzahl mitgeführter Riesen und Länge der Strecke zum Ende hin schon leicht gebeugt unter der Last mitgeschleppter Kackebeutel wankt, habe ich es recht bequem auf meinem E-Mobil. Das Stoffwechselendprodukte-Management nach dem Eintüten bietet zwei Optionen: das Tütchen (*quatsch*) kann entweder achtsam am Wegesrand abgestellt und auf dem Rückweg lässig eingesammelt werden. Oder ich deponiere es im Fußbereich meines Mobilitätsvorteils. Hängt von der Streckenführung ab. Und manchmal auch von meiner Laune!

 

Verdachtsmomente

Die Deponierungsvariante verhalf mir im Sommer zu einer Lebenslehre: Es kann auch vorkommen, dass die Streckenführung dem oder den Tütchen eine mehrtägige Wartezeit beschert. Macht nichts, dann sehen alle anderen Passanten derweil, dass ich meine Scheißpflichten erfülle! Verwechslungen sind ausgeschlossen. Selbst wenn meine Nachbarn mit dem Rehpinscher dieses aufwendige Management für nötig hielten, wären die Gummi-Fingerlinge im freien Gelände wohl kaum wiederzufinden.

Immer wieder jedoch stellte ich verstimmt fest, dass die Tütchen nicht mehr am vorbestimmten Ort, teilweise mitten in der Wiese, obendrein auch noch beschädigt (*rausquillt*) wiederzufinden waren. Welcher Vollidiot ….. ? So ist der Mensch, da neigt er hin!  Bis ich eines Tages die Täter auf frischer Tat …. ja: ertappte! Krähen! Die verspielten Wesen. Ihrem schwarzen Federkleid entströmend meinte ich die Bosheit zu erkennen, mit der sie Sauberkeit und Wegeordnungspflicht des Doggenhalters unterliefen, frech keckernd am zugedrehten Tütenhälschen zupften, ohne Berührungsängste in die braune Masse pickten und das desolate Gesamtkunstwerk fröhlich in die Wiese schleuderten.

Bußfertig und mit einer angemessenen Portion Demut entschuldigte ich mich im Geiste bei den verdächtigten Mitmenschen, nicht ohne die ganz irreale, doch völlig gesunde Hoffnung, dieser moralische Erkenntnisgewinn möge sich vermittels magischer Strahlen auch auf meine Feinde übertragen. Werd nicht auch ich viel zu oft vollkommen zu unrecht ….

 

Beschneite Schande

Doch dieses ganze minuziös geplante Doggenkacke-Entsorgungsorganigramm kann man im Winter in die Tonne treten, wenn Massen von Schnee still verträumte Wegoptionen ersticken. Die Hunde müssen entlang der befahrbaren und befahrenen Wirtschaftswege bewegt werden; deshalb dort häufig auch an der Leine. Zum Aufschaufeln von zwei Pfund Doggen-Output braucht man beide Hände. Ich habe derer nur zwei, gefesselt im Leinengriff. Also bleibt die Scheiße liegen, mit einem flehenden Blick gen Himmel höheren Mächten anheimgegeben, die doch bitte die nächste Schicht Schnee zeitnah herunterrieseln lassen möchten, damit die Schande bedeckt werde. Das klappt ganz gut.

Bis es wieder taut!

Turbo-Tau im Januar 2010. Man muss sich etwas zusammenreißen, aber Übung hilft. Dann schnappt man sich den 10-Liter-Eimer, kleidet ihn liebevoll mit einer großen Mülltüte aus und geht in den Garten und die hausnahen Wege entlang.

Die Hunde werden weggesperrt. Irgendwie bilde ich mir ein, dass mein Führungsanspruch bröckelt, wenn junge oder alte Doggenbuben breit lefzend danebenstehen, derweil ich ihre …. einsammele. Die gucken immer mit einem Blick auf der Skala von erstaunt bis erschüttert. Mehr bei erschüttert.

 

Symbolhaftes Tun

Die Sammlung braucht Struktur. Erst gucken, dann kategorisieren, dann entscheiden, dann aufnehmen. Mit System! Wo fange ich an? Wie soll die Streckenführung sein? Bieten sich eher kreisförmige Sammlungsläufe um die Endstation Restmülltonne an? Oder ist gehaufwandtechnisch eine patroullierende Wegführung nach Gartengrundriss ökonomischer? Man möchte nämlich nicht glauben, wie rasch sich so ein 10-Liter-Eimer mit Doggenkacke füllt …. und wie schweißschwer er dabei wird.

Mit Lust in die Pflicht. Ganz selbstvergessen und mit dem wohligen Gefühl, Dinge in Ordnung zu bringen. Man räumt den Dreck weg. Reinigung. Katharsis. In die Konzentration hinein fliegt mich wie ein sommerlicher Schmetterling die Symbolik dieses Tuns an und setzt sich fröhlich auf meiner Schulter nieder: Es ist wie deine Arbeit! Die Scheiße erkennen und benennen. Was für ein phantastischer Beruf. Denn das reicht. Für das weitere Wohl und Wehe sind andere zuständig. Sie kümmern sich oder nicht. Wurscht!

Und, welche Entlastung: Man muss sich ja nicht um jeden Scheiß kümmern! Sieh die Parallelen!

Hier liegt ein Haufen mehr am Wegesrand. Der kann unbeachtlich bleiben. Hier ist die Kacke noch am Boden festgefroren und wird zur späteren Entsorgung vorgemerkt. Dort lockt Erfüllung, wenn sich noch halb gefrorene Würste mit leichter und von der mit einer extra stabilen Tüte geschützten Hand aufklauben lassen. Da drüben hat eine der Katzen künstlerisch zwei Doggenhäufen in ihrer Symmetrie gekrönt. Harmonische Komposition! Da hinten haben Niederschläge den Haufen schon so in den Boden genagelt, dass das Kratzen nicht lohnt und man sich mit Mut zur Lücke den natürlichen Vorrottungsabläufen auch nicht mehr entgegenstemmen möchte. Wie vielgestaltig Scheiße ist!

Und wie natürlich! Lebensnotwendig! Welcher Tierhalter in größter Not kennt die Tierarztfrage nicht, ob noch verdaut wird? Ein Lebenszeichen. Vielleicht hat Kohl sich dort geirrt, denn tatsächlich entscheidend ist nicht, WAS hinten rauskommt, sondern DASS hinten was rauskommt! Seine These ist ja physiologisch gar nicht haltbar. Unser Altbundeskanzler bleibt für mich auch deshalb das ewige Mirakel, weil ich in 52 Jahren eigener Verdauungsempirie zzgl. 43 Jahre Zeugenschaft von Hundekacke über diese eine Qualität nie hinausgekommen bin. In welche Zielmasse verstoffwechselt der? In Rosenblattpüree?

Alles, was lebt und atmet, verdaut? Oder misslingt mir hier der Rückgriff auf den Stoff des Biologieunterrichts? Sicher bei den größeren Exemplaren, alle Säugetiere sicher! Die Scheiße ist wohl unvermeidbar.

Schlussendlich dann ist sie eine Frage des Managements? Der Verteilung und Entsorgung. Und natürlich – jetzt kuscheln sich Garten- und Schreibtischarbeit traulich aneinander – muss sie erkannt und benannt sein. Es geht nicht hin, dass den Menschen die blanke Scheiße als die gute Tat angedient wird! Ja, so isses!

Eine gelungene Analyse! Mit frischem Mut und neuer Kraft gehe ich ans Werk! Sichten, benennen.

Dass manche nur mit dem zurückgrüßen können, was andere diskret in der Stehkeramik versenken, liegt an ihrem Grad der Zivilisation! Affen bewerfen ihre Widersacher auch mit Exkrementen.

 

Gesammelt ein starkes Argument

Dass die sorgfältige Sammlung von Scheiße (der Hunde) und deren Hortung in luftabgewürgten Plastiktüten zu einem umwerfend starken Argument werden kann, diese phantastische Erfahrung durfte ich vor einigen Jahren machen. Es war im Sommer. SEHR heiß. Ein missgünstiger Nachbar, der die offensichtlichste Schwachstelle schamlos nutzte: meine Hunde. Eine Anzeige bei der Gemeinde, die Burger-Doggen verunreinigen die Nachbarschaft. Mir wurde das Ganze schriftlich und abmahnend mitgeteilt.

Kurzes Überlegen. Dann mutiges Schultern des – oh glückhafte Fügung – aufgrund eines nur vierwöchigen Abfuhrrhythmus der Restmülltonne nahezu nikolaussschweren Plastiksacks. Ab ins Auto, auf die Fenster und husch zur Gemeindeverwaltung. „Sind Sie Herr IchabediesenBriefverfasst?“ Irritiertes Antwortnicken des Beamten mit misstrauischem Blick auf den geruchlich in der Sommerhitze schon leicht beredten Plastiksack. „Wieso?“ Mit Paff ließ ich den Sack zu Boden gleiten und pfriemelte den Knoten auf. „Sie glauben hoffentlich nicht, dass ich Tag für Tag die Doggenscheiße einsammele, damit ich von Ihnen dann solche Briefe kriege?“, sprach’s und reihte derweil Doggenkacketütchen neben Doggenkacketütchen, ihrer über 30 an der Zahl, vor den Aktenschränken auf! Die Tütchen nutzten sofort ihre Chance in der Sommerhitze und begannen ordentlich vor sich hinzuschwitzen. Die entsetzten „Ich-glaub’s-Ihnen-ja“-Schreie konnten es nicht hindern: Alle Tütchen mussten raus. Mit ironischer Sorgfalt und inzwischen auch schon leicht angehaltenem Atem faltete ich die große Tüte zusammen und wünschte noch einen schönen Tag!

Das schriftliche Entschuldigungsschreiben der Gemeinde hängt gerahmt im Stall neben der Adresse vom großen Doggen-Kacke-Sammlung-Plastiksack. Ich glaube nicht, dass ich in diesem Leben von diesem Beamten noch einmal der Achtlosigkeit im Umgang mit den Hinterlassenschaften meiner Hunde gezeiht werden werde! Nein, das glaube ich nicht!

Jedoch beruflich umgesetzt habe ich sie. Diese wichtige Erfahrung.

 

EPILOG:

ES: Jetzt haben wir eins übrig!

ÜBERICH: Scheiße!

 

DOGGENNETZ- LESER-SERVICE:

Damit sich die Viertestand-Leser der Tierschützer-Szene durch den arroganten Sprachstil nicht ausgeschlossen fühlen, haben wir das Thema hier noch einmal visuell komprimiert:

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Kotprobe macht keinen Sinn! Ist Fremdkacke und nicht von den Meinen! Bild: Tierwelt im Schatten