Aua10: MDR-Soap „Leben für 4 Pfoten“ – Haarsträubend!
Bühne frei für gefährlichen Dilettantismus
Das Öffentlich-Rechtliche als Steigbügelhalter
für intransparente Fundraiser
{TS-Kritik}
Was der Mitteldeutsche Rundfunk MDR am Donnerstag zur frühen Abendstund’ seinen Zuschauern als Tier-Doku-Soap vorsetzte, ist schlicht und einfach haarsträubend. Die Sendung „dokumentiert“ die Arbeit des Tierheim Oelzschau des Tierschutzvereins Leipziger Land e. V. an bisher zwei Schauplätzen: im Tierheim selbst und im angeblich weltgrößten Tierheim Smeura in Rumänien.
Ehrlichen Fundraisern stellt es schon den Kamm, wenn sie feststellen, dass sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit dem Geld der Gebührenzahler zum willigen Steigbügelhalter für Organisationen macht, die nicht über jeden Zweifel erhaben sind und die nicht dem heute selbstverständlichen Transparenzgebot im Bereich Fundraising Genüge tun. Beispiele siehe unten.
Noch schlimmer aber ist das, was den Zuschauern da als moderner Tierschutz verkauft werden soll. Obwohl die Leitung eines Tierheimes Sachkunde verlangt, zeigt diese Soap exakt das Gegenteil. Zu viele Szenen der ersten Serie dokumentieren einen gefährlichen Dilettantismus sowie eine ganze Reihe von Verstößen gegen bestehende Vorschriften.
Hinzu kommt ein Übermaß an exakt dem Ingredienz, das Tierschutz in der bundesrepublikanischen Realität 2010 so gefährlich, kontraproduktiv und gesellschaftlich inakzeptabel macht: ein unerträglicher Gefühlsquark!
In einer mehrteiligen Artikelserie wird Doggennetz einzelne Szenen und Aussagen der Soap aufgreifen, analysieren und mit dem kontrastieren, was moderner effektiver Tierschutz ist.
Sollte die zweite Folge Ähnliches zeigen wie die erste, wird sich ein offener Brief an den MDR-Intendanten anschließen. Diese Tier-Doku-Soap ist ein fertiger Skandal, wenn die weiteren Folgen das Ruder nicht noch ganz deutlich herumreißen.
Struktur der Doggennetz-Artikel-Serie
Im ersten Teil werden brisante Fakten, Aussagen und Szenen der ersten Folge einfach nur gelistet. Kommentierung und Kontrastierung mit dem, was effektiven Tierschutz ausmacht, folgt in den weiteren Artikelteilen.
Sollte die Autorin hier einzelne Szenen nachweislich fehlerhaft beschreiben, so ist das keine Absicht, sondern Versehen. Ich bitte um entsprechende Hinweise, um die Szenenbeschreibungen dann korrigieren zu können.
Sollten Doggennetz-Leser bestimmte Fakten, Aussagen oder Szenen vermissen, die hier nicht gelistet sind, bitte ich gleichfalls um Hinweis per E-Mail und werde dann prüfen, ob ich diese noch mit aufnehmen kann.
MDR Doku-Soap TH Oelzschau Teil 1 / 16.09.2010 /
Fakt 1:
Das Tierheim Oelzschau wird betrieben vom Tierschutzverein Leipziger Land e. V. Auf der Homepage des Tierheims ist die Namenstafel abgebildet mit folgender Unterschrift:
Diesen Namen erhielt das Heim als Gedenken an die Mitbegründerin und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Tierschutz e.V. Moers, welcher Dachverband und Besitzer der Immobilie in Oelzschau ist. |
Der Bundesverband Tierschutz e. V. Moers trägt bei CharityWatch.de einen Warnhinweis wegen intransparenter Spendenverwendung.
Fakt 2:
Seit dem 06.09.2010 liegt der 1. Vorsitzenden des Tierschutzvereins Leipziger Land e. V., Frau Elvira Henkel, eine offizielle Anfrage von CharityWatch.de mit der Bitte zum Zusendung des letzten zur Verfügung stehenden Geschäfts- und Kassenberichts vor. Fr. Henkel verweigert diesen zunächst mit Hinweis auf eine in der 37. Kalenderwoche einzuberufende Vorstandssitzung, in der dann entschieden werden soll, ob CharityWatch.de die erbetenen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Mit Datum vom 17.09.2010 liegen CW keine weiteren Stellungnahmen vom TSV Leipziger Land vor.
Obwohl ihr eigener Dachverband schon seit 2009 einen Warnhinweis bei CharityWatch.de trägt, zu deren Vorgeschichte sogar der Deutsche Spendenrat involviert war, gibt Fr. Henkel in einer Mail an CharityWatch an, nicht zu wissen, wer CW ist. Wörtlich „Sie und die Organisation Charity Watch sind uns nicht bekannt“ (Mail des Fr. Henkel an CW vom 08.09.2010).
Fakt 3:
Die Sendung stellt das rumänische Tierheim Smeura vor, das von Ute Langenkamp betrieben wird. Ute Langenkamp ist 1. Vorsitzende des Vereins Förderverein Tierhilfe Hoffnung – Hilfe für Tiere in Not e. V.
Ute Langenkamp liegt seit dem 19.08.2010 eine offizielle Anfrage von CharityWatch.de mit der Bitte um Zusendung des letzten verfügbaren Geschäfts- und Kassenberichts sowie der Beantwortung von Einzelfragen vor. Auf diese Anfrage hat Ute Langenkamp nicht reagiert.
Über Kontakte im Kontext einer anderen Recherche fordert Markus Olberts, Geschäftsführer des Futtermittelunternehmens Markus Mühle, Fr. Langenkamp auf, sich mit CharityWatch.de in Verbindung zu setzen (eigene Angaben von Fr. Langenkamp auf dem Anrufbeantworter von Karin Burger), was sie dann auch telefonisch tut.
Frage: Wieso folgt eine Tierschützerin den Anweisungen des Geschäftsführers eines Unternehmens der Futtermittelindustrie?
Telefonat von CW mit Fr. Ute Langenkamp am 08.09.10, in dem sie keine einzige der gestellten Fragen beantworten kann. Mit Datum vom 09.09.10 wird ihr der Brief vom 19.08.10 noch einmal per Einschreiben-Einwurf sowie per E-Mail zugestellt. Bisher liegt keine Reaktion von Fr. Ute Langenkamp auf diese Anfragen vor.
MDR Doku-Soap TH Oelzschau Teil 1 / 16.09.2010 /
Aussage 1:
Als Protagonisten der Soap werden eingangs des ersten Teils vorgestellt:
Elvira Henkel = 1. Vorsitzende des Vereins Leipziger Land e. V.
Holger Henkel = Tierheimleiter
Jessica = Tierpflegerin
(nicht eigens vorgestellt, aber vorkommend) Simone = Tierpflegerin
Elvira Henkel als 1. Vorsitzende hat ihren eigenen Ehemann als Tierheimleiter angestellt.
Aussage 2:
Szeneort im Auto der Eheleute Henkel auf der Fahrt zum Flughafen: Das Ehepaar unterhält sich über die Anzahl der Hunde, welche Elvira Henkel aus Rumänien mitbringen darf. Der Tierheimleiter schreibt der 1. Vorsitzenden energisch vor, nicht mehr als 20 Hunde mitzubringen. Die 1. Vorsitzende zeigt sich den Weisungen ihres Tierheimleiters gegenüber einsichtig. Holger Henkel verweist darauf, man müsse ja auch noch Platz für deutsche Hunde haben.
Aussage 3:
Szeneort Smeura/Rumänien: Der Sprecher aus dem Off berichtet, während Ute Langenkamp im Bild zu sehen ist, dass die Frau mit 100 Hunden zusammen in einem Haus in dieser Smeura lebt.
Aussage 4:
Szeneort Smeura/Rumänien: Der Sprecher aus dem Off verweist darauf, dass das rumänische Tierheim (Smeura/Ute Langenkamp) von Sach- und Geldspenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz lebt.
Aussage 5:
Szeneort Smeura/Rumänien: Der Sprecher aus dem Off kommentiert angesichts der Bilder von dicht besetzten Hundezwingern, die Anzahl der Hunde sei bedrückend. Aufgrund dieser Enge stünden die Hunde unter Dauerstress.
Diskussionswürdige Szene 1:
Szeneort TH Oelzschau: Die Tierpflegerin Jessica hatte morgens einen Karton mit ausgesetzten Katzen vor dem Tierheim gefunden. Jetzt sieht man Elvira Henkel in einem Quarantäneraum vor dem Käfig der jungen Katzen. Sie schimpft über die Menschen, welche diese Katzen ausgesetzt haben und bringt ihre Wut zum Ausdruck.
Diskussionswürdige Szene 2:
Szeneort TH Oelzschau: Ein Bürger bringt nach seiner Aussage verwilderte Jungkatzen in undefinierbaren Holzkästen ins Tierheim.
Tierpflegerin Jessica macht die Aussage, das Tierheim dürfe „wilde Tiere nicht annehmen“.
Diskussionswürdige Szene 3:
Szeneort TH Oelzschau: Tierpflegerin Jessica hat es sich wieder anders überlegt und schaut sich die verwilderten Jungkatzen an. Dann werden diese Katzen doch aufgenommen, ohne dass die Kamera dokumentieren oder die Off-Stimme erklären würde, dass der abgebende Landwirt (?) dazu verpflichtet wird, die dazugehörige Mutterkatze zur Kastration vorbeizubringen.
Diskussionswürdige Szene 4:
Szeneort TH Oelzschau: Die frisch angelieferten Jungkatzen werden einer Tierärztin vorgestellt. Da sich die vollkommen verängstigten Tiere nicht anfassen lassen, werden die Tiere mit Handschuhen und Zwangsmaßnahmen behandelt. Die Katzen schreien und mehrfach zeigt die Kamera, wie die Tiere vor Stress hecheln – bei Katzen ein massives Stress- und Alarmzeichen.
Man sieht, wie die Tierärztin die Katzenwelpen spritzt. Die Stimme aus dem Off erklärt, die Tiere würden hier geimpft.
Diskussionswürdige Szene 5:
Szeneort TH Oelzschau: Ein ganz normaler Katzenraum im Tierheim (KEINE Quarantäne!): Die Kamera zeigt eine der verwilderten Jungkatzen vom Morgen. Der zeitliche Ablauf ist für den Zuschauer nicht eindeutig zu rekonstruieren. Es entsteht aber der Eindruck, es sei der Abend desselben Tages. Die Tierpflegerinnen unterhalten sich. Dabei wird berichtet, dass zwei der drei am Morgen angelieferten verwilderten Jungkatzen schon vermittelt worden seien. Die verbliebene dritte Jungkatzen sitzt apathisch hinter einem Kratzpfosten. Die Tierpflegerinnen streicheln das Tier und bewerten dessen Apathie als beginnende Zähmung. Die Tierpflegerin macht des Weiteren die Aussage, dass auch diese Katze einmal „ganz normal“ und zutraulich werden werde.
Diskussionswürdige Szene 6:
Szeneort TH Oelzschau: Vorgestellt wird der Schäferhund „Prinz“, der als Pensionshund im Tierheim sei. Dem nach Angaben des Besitzers 7 Jahre alten Hund geht es offensichtlich schlecht. Tierheimleiter Holger Henkel ergeht sich in Beschimpfungen des abwesenden Besitzers dieses Hundes, der das Tier in diesem maladen Zustand abgegeben habe. Eine erste tierärztliche Untersuchung im Tierheim zeigt eine wohl gravierende Ohrenentzündung (Otitis). Daraufhin und für weitere Untersuchungen wird der Hund mit einem Auto in eine Tierarztpraxis gefahren. Dort kann er schon nicht mehr selbstständig aus dem Auto aussteigen und muss mit einer flexiblen Trage getragen werden. Dann schleppt er sich wieder selbst über den Bürgersteig und erbricht sich. Deutlich sieht man weißen Schaum, der erbrochen wird. Obwohl der Schaum so fest ist, dass er sogar auf dem Asphalt stehen bleibt, erklärt die Tierärztin, es handele sich um Wasser, das der Hund getrunken habe.
Alle diese dramatischen Szenen werden von Holger Henkel immer wieder als Schuld des Tierbesitzers kommentiert.
Mehrmals in den verschiedenen Szenen um den DSH Prinz hört die Tierärztin mit der Bemerkung: „Das arme Schwein!“
Diskussionswürdige Szene 7:
Szeneort Smeura/Rumänien: Man sieht Elvira Henkel hockend zwischen zwei Reihen von Hundezwingern, an deren Gitter sich Hunde, überwiegend Welpen, drängen. Elvira Henkel wörtlich: „Die tun mir einfach leid. Es fehlt ihnen die Liebe.“ Dann bricht Fr. Henkel in Tränen aus.
———————–
Aktualisierung vom 12.01.2011:
Bitte lesen Sie hierzu auch meinen Artikel Ein Tierschutzverein als Familienunternehmen auf CharityWatch.de!