Aua5: Pflicht-Lektüren: Schwarzbuch Hund

Christoph Jung ist eine Hundeszene-Größe: Begründer von Petwatch (www.petwatch.at oder direkt zum Blog über petwatch.blogspot.com), Sprecher und Mitinitiator des Dortmunder Appells (www.dortmunder-appell.de), Herausgeber des Portals Bulldogge.de und Autor diverser Schriften, unter denen zumindest dem Schwarzbuch Hund Pflichtlektüren-Status für all jene, die mit Hunden zu tun haben, zuzuweisen ist.

Für seine kritische Auseinandersetzung mit dem Hund in unserer Gesellschaft bringt er auch das wissenschaftliche Rüstzeug mit. Er studierte Biologie und Psychologie in Bonn und Regensburg und ist Diplom-Psychologe. Und genau das macht das Neue an seiner Perspektive aus.

Mit seinem Schwarzbuch Hund – Die Menschen und ihr bester Freund, erschienen 2009 bei Books on Demand, erstellt Jung eine vollständige Übersicht des Hundes in unserer Gesellschaft unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Probleme. Gut lesbar und mit umfangreichen wissenschaftlichen Querverweisen rückt er noch einmal dem Mythos des einen Wolfswelpen zu Leibe, der als erster Kontakt zu den Menschen suchte und sich durch Wauwau bei nähernder Gefahr als nützlich ausgewiesen haben soll. Schrittweise und gut nachvollziehbar zeichnet Jung den gemeinsamen Weg von Mensch und Hund und ziseliert insbesondere dessen zentralen Status‘ in der Zivilisationsgeschichte heraus. Kurz und knapp: Ohne Hund wären die Menschen in ihrer Zivilisation nicht so zügig vorangekommen.

Diese Ausleuchtung unserer gemeinsamen Vergangenheit hat aber vorrangig den einen Zweck: Den Hund heute in seinen vielfältigen Verflechtungen mit Individuen, gesellschaftlichen Bereichen und Institutionen zu verorten. Ganz besonders dankenswert dabei ist seine detaillierte Auseinandersetzung mit der Zucht und ihren ungebrochenen Mythen. Kapitelüberschriften wie „Inzucht ist Qualzucht“, „Erbkrankheiten ohne Ende“ und „Erbkrankheiten erwünscht“ gehen dem Zuchtkritiker runter wie Öl, einer derer sich von kompetenter Seite in so „historischen“ Artikeln wie „Inzucht und Lebenserwartung“ (auf dieser Site; Artikel vom 21.07.2003) bestätigt fühlt.

Das nächste Hauptkapitel beschäftigt sich mit den vielfältigen Zweigen des Kartells der Hundewirtschaft. Endlich einmal so drastisch gesagt! Mit Zahlen belegt. Marketing-Lügen wie die insbesondere von der Zucht balkenbreit vor sich hergetragene „Liebhaberei“ kommen ebenso auf den Analysestand wie die uns Hundehalter nachhaltig manipulierenden Marktriesen. Ganz besonders ist dem Autor dafür zu danken, dass er dabei auch nicht die Veterinärmedizin mit ihren Ambivalenzen vergisst! Wo Tierärzte jährlich 700 Millionen Euro mit der Versorgung unserer Hunde umsetzen und die Pharma 150 Millionen Euro für Medikamente einnimmt, da geht es sicherlich nicht immer und nicht nur um des Hundes Wohl! „Der Markt um die Gesundheit des Hundes ist nach dem für seine Ernährung das zweitgrößte Segment der Hundewirtschaft“ (ibid., S. 162). Hier kommen wir wieder zu dem beliebten Cui bono!

Der angeblich beste Freund des Menschen – buchstäblich verkauft (Hundewirtschaft) und verraten – nämlich von der Politik, deren heuchlerisch-opportunistische Haltung Jung dezidiert aufzeigt.

Selbst die bei der härteren Fraktion der Kynologen so geliebte These von der sozialen Sodomie löst sich für all jene wohltuend auf, denen es aus ihrer Lebenswirklichkeit heraus eben nicht vergönnt ist, mit ihrem geliebten Vierbeiner zu jagen, Schafe zu hüten, Lawinenopfer zu bergen oder andere wichtige Aufgaben in unserer Gesellschaft zu verrichten. Jung lässt den Hund als zu respektierenden Sozialpartner in einer individualisierten, kleinstrukturigen Gesellschaft zu. Da knutscht man seine nichtsnutzig auf dem Sofa herumliegenden Doggen mit ganz neuem Selbstbewusstsein!

Auch wenn das Fazit zum Status quo des Hundes in unserer Gesellschaft desaströs ausfällt, zeigt der Autor im Schlusskapitel „Partnerschaft wiederentdecken“ Lösungswege auf. Dabei formuliert er die Aufgabe klar: „Der Zeitpunkt zu handeln ist da. Der Hund ist der beste Freund des Menschen, seit Tausenden von Jahren und auch heute noch. Der Mensch war über lange Jahre der beste Freund des Hundes. Ob er die Freundschaft wieder erwidern will und auch kann, wird sich erst noch zeigen müssen“ (S. 275). Wieder erwidern – heißt: Derzeit tun wir es nicht!

Bei all dem atmet aus jeder Zeile des Buchs die Gänsehaut machende tiefe Verbundenheit des Autors zu seinem Thema: Hund. Hier schreibt dessen Anwalt: mit weitem Blick, mit Analysekompetenz, mit Rekurs auf wissenschaftliche Fakten und ohne emotionales Trara.

Oder knapp: glaubwürdig, überzeugend, aufrüttelnd.