Ein ambivalenter Züchterbesuch

Vorbemerkungen
Mehr als 20 Jahren war ich im Tierschutz aktiv. Vor über 10 Jahren habe ich mich dabei auf die Deutsche Dogge spezialisiert. Seit mehreren Jahren bin ich in diesem Bereich nicht mehr aktiv karitativ, sondern nur beratend, beobachtend und vor allem schreibend tätig.

Meines Wissens gibt es zu keinem Rassehund in Deutschland so viele Tierschutz-Organisationen wie zur Deutschen Dogge. Das mag den Outsider überraschen; der Insider weiß, dass die Deutsche Dogge auf Platz 7 der VDH-Welpenstatistik steht. Das erklärt alles!

Je nach gruppen- oder vereinsspezifischem Schwerpunkt haben diese Doggen-Schutz-Organisationen MEHRHEITLICH damit zu tun, den Output der beiden Zuchtverbände „nachzubetreuen“: „nachlässig“ (Achtung: Euphemismus!) verkaufte Welpen in instabile Halter-Biographien, immer häufiger wesenstechnisch äußerst problematische Hunde, deren Halter dieser 60- bis 80-Kilo-Rüpel nicht mehr Herr werden, ausgemergelte, missbrauchte, geschundene Zuchthündinnen und vielfältige Abwandlungen des Elends von Verbandsdoggen mehr.

Wen wundert es dabei, dass die Mehrzahl der Doggen-Schützer die Zucht teilweise oder generell ablehnen, ihr kritisch bis aggressiv gegenübersteht.

Da bin ich radikaler: Eins meiner Züchter-provozierendsten Dikta lautet:

Wer die Deutsche Dogge liebt, züchtet nicht mit ihr!

(Nicht heute, nicht so, nicht unter diesen Verbands- und Marktvoraussetzungen.)

Da die Deutsche-Doggen-Zucht uns Doggen-Schützern den Hauptpart unserer Arbeit beschert, die Deutsche-Doggen-Zucht in ihren beiden größten Verbänden – Deutscher Doggen Club (DDC; dem DDC z. B. gefiel es, im Jahr 2005 die vier aktivsten und bekanntesten Doggen-Schützer der BRD gleichzeitig aus seinem Verband auszuschließen) und Kynologische Gesellschaft für Deutsche Doggen (KyDD) nicht einmal ansatzweise zur Kooperation mit den Tierschützern bereit ist, gebiert sich selbstverständlich als kleiner Teil unserer Arbeit die Aufgabe hinzuschauen, wo unsere Fälle/Felle herkommen. Und das bedeutet: Züchter besuchen. Um verwertbare Ergebnisse dieser Besuche zu bekommen, gehen wir analog dem investigativen Journalismus vor. (An dieser Stelle zu erwarten: Züchter-Empörung)

An einem Feiertag im Trauermonat November 2008 nahmen eine Tierschutzkollegin und ich den zuvor telefonisch ausgemachten Termin bei einem Doggen-Züchter wahr. Dabei war die Kollegin mit ihrem Echtnamen als potenzielle Kaufinteressentin in Erscheinung getreten; ich sollte das freundschaftliche Anhängsel geben. Da ich in der Wohnregion des Züchters aus meiner früheren aktiven Tierschützerzeit und meiner journalistischen Arbeit bekannt bin/war, zogen wir es vor, meinen Echtnamen leicht abzuwandeln.
Wer jetzt einen ätzenden Vernichtungsbericht erwartet, wird enttäuscht sein. Es war ein äußerst ambivalenter Besuch, der ganz unterschiedliche Prognosen zulässt. Ich schreibe diesen Besuchsbericht auch nicht, weil die vorgefundenen Zustände soo gut ins tierschützerische Feindbild passen. Ich schreibe diesen Bericht, weil es anders war!

Um dem „Feind“ (Verbänden) keine Gelegenheit zu geben, über die übliche juristische Schiene diesen Bericht zu verhindern, werde ich außer meinem eigenen keine Realnamen nennen, ja nicht einmal den betreffenden Verband. Wenn Sie den wissen wollen, nehmen Sie einfach 2 Streichhölzer, beschriften diese mit den Initialen und rechnen dann den Sieger nach Punkten aus!

Die extreme Ambilanz

Der Besuch dauerte drei Stunden. Grobes Profil: „Jung“-Züchter, d. h. A-Wurf. Die Hunde werden im Haus gehalten. Es gibt nur eine Hündin.

Trotz gut trainiertem Feindbild weiß ich nicht, wie ich das Besuchsergebnis bewerten soll:

Man kann es zwischenmenschlich sehen: Soooo nette Leute! Und der Kaffee war superb und die Kekse bannig lecker!

Man kann es philosophisch-tragisch sehen: Denn sie wissen nicht, was sie tun!

Man kann es tierschützerisch sehen und schon hier nur ambivalente Thesen formulieren:
a) So möchte man Züchter in der Hardware-Komponente haben!
b) Gefahr – Gefahr – Gefahr!!!

Man kann es feministisch sehen: Goldkettchen-Mann mit kaum 3 Jahren Erfahrung in der Haltung seiner ersten und einzigen Dogge – 1. Wurf liegt schon im Nebenraum – belehrt kenntnisreiche Themeninsider im kaum zu stoppenden 3-Stunden-Monolog über Wesen, Haltung und Gesundheit der Deutschen Dogge.

Man kann es veterinärmedizinisch sehen: Frohe Kunde für die DKM-Leute! (Achtung: Ironie!)

Man kann es doggenzüchterisch-farbtechnisch sehen: Neue Doggenfarbe – Vanillepudding aus dem Staubsaugerbeutel.

Man kann es doggenzüchterisch-wesenstechnisch sehen: Schön, dass es solche Doggen wie dieser Mutterhündin noch gibt!

Man kann es aus Verbandskonkurrenz-Perspektive betrachten: Wenn bei Verband A jetzt Schadenfreude über diesen Bericht eines Züchters aus Verband B aufkommt – a b w a r t e n !!!

Man könnte lachen!
Man könnte heulen!
Ich weiß auch nicht…

Der/die Züchter

Gut situierte Leute in fast optimaler Lebenssituation, wenn dieser Blödsinn (= Zucht) schon sein muss. Mittleres Alter. Die Kinder sind nahezu erwachsen. Gesicherte materielle Verhältnisse (soweit man dem Anschein folgt), großes Haus und kleines Grundstück. Besonders lobenswert: der Züchter selbst investiert mehr als einen Jahresurlaub, um ganz für seine Hündin und die Welpen da zu sein. Beide Teile des Züchterehepaars gehen äußerst liebevoll und natürlich mit der Mutterhündin um. Das war kein Theater, kein Vorspielen; das war authentisch, auch an der Reaktion der Hündin abzulesen.

Das waren jetzt die guten Nachrichten.

Wie man sich dazu versteigen kann, eine Rasse zu züchten, mit der man noch nicht einmal drei Jahre lang Kontakt hat, ist die andere Frage. Diese Hündin ist die erste Doggenhündin der Züchter. Einen Doggenrüden haben sie überhaupt noch nie gehabt.

Wiederum begünstigend wirkt sich aus, dass der Mann des Hauses in einem medizinischen Helferberuf arbeitet. Aus dieser frohen Kunde allerdings darf man jedoch nicht zu viel Hoffnung ziehen, wenn solche Statements wie die zur dilatativen Kardiomyopathie (DKM, eine Herzkrankheit und ein GROSSES Problem in der DD-Zucht!) wie unten stehend abgegeben werden.

Weiterreichende genetische Kenntnisse sind nicht vorhanden. Dass die Ahnentafeln der beiden Elterntiere einen nahezu beängstigenden Inzuchtskoeffizienten (IK) erwarten lassen, das hatte der Züchter bis zu unserer Analyse offensichtlich noch gar nicht bemerkt; natürlich hatte er den IK auch nicht ausgerechnet (und offensichtlich hatte ihn sein Verband auch nicht dazu angehalten….). Immerhin reichte es aber noch zur reflexartigen Abwehr unserer erhobenen Bedenken aus der groben Ecke „Inzucht als Sanierungsmaßnahme“ oder so. Die Frage, ob er dazu äußerst kritische Expertenmeinungen wie von Dr. Friedmar Krautwurst in „Praktische Genetik für Hundezüchter“ dargelegt zur Kenntnis genommen habe, verkniff ich mir in der Unterstellung, dass dieser Mann Krautwurst ganz bestimmt nicht gelesen hat (und die wenigen wichtigen anderen Autoren auch nicht). Wir hatten uns doch soo lieb bei diesem Besuch und Goldkettchen-Männchen mögen es in der Regel nicht, von wildfremden Amazonen auf Defizite in ihrer Pflichtlektüre hingewiesen zu werden.

Frau Züchterin wusste zwar sachtechnisch auch nicht viel mehr, hatte dafür aber die weit bessere Intuition. Auf ihrer Stirn stand balkenbreit zu lesen: Wenn ihr zwei Welpenkäufer seid, bin ich ein Sonnenschirm!

Erfreulich: Beide Züchter halten nichts, aber auch gar nichts von dem Ausstellungs(un)wesen der Verbände und werden sich an dem Zirkus nicht weitergehend beteiligen.

Die Mutterhündin

Zuerst das Wesen: TRAUMHAFT!!! Sagenhaft! Schön, dass es solche Doggen noch gibt! Diese Freude wird aus der alle Doggenschützer-Individuen übergreifenden Feststellung geboren, dass die Deutsche Dogge heute wesenstechnisch leider viel zu häufig leider viel zu weit von dem rein marketingtechnisch zu bewertendem Label „sanfter Riese“ entfernt ist.

Nicht diese Hündin. Wachsam, aber nicht aggressiv. Vollintaktes Kommunikationsrepertoire. Pflicht- und verantwortungsbewusste Mutter ohne Hektik oder Übereifer. Diese Hündin ruht tief in der Mitte ihrer Selbst. Sie stammt selbst aus dem C-Wurf eines Jungzüchters – aus einem ganz anderen Verband, weil ganz anderem Land. Präsentierten sich alle Deutschen Doggen mit der Wesensfestigkeit dieser Hündin, dann könnten vielleicht X von den vielen Doggen-Schutz-Organisationen in der BRD ihren Laden dicht machen.

Vom Vater wissen wir leider nichts…… Wesenstechnische Beschreibungen der zweiten wichtigen Elternhälfte des Wurfs hatten in dem 3-Stunden-Monolog des Züchters keinen Platz. Munition für den Pessimisten.

Anatomisch-phänotypisch: Bevor sich hier das unautorisierte Laien-Expertentum entfaltet, der Hinweis darauf, dass die Hündin in ihrem Verband auf einer Ausstellung ein V1 erhalten hat. Und in der Tat: von der Statur her rangiert die Hündin in der gesünderen Schublade unter dem Gigantismus der vergangenen Jahre. Der Rücken ist etwas zu lang; tröstender Einwurf des Züchters: auch deshalb habe man den Rüden ausgewählt, da dieser einen kürzeren Rücken habe (als ob man Rückenlängen addieren und dann zweiteilen könnte). Die Winkelung der Hinterhand war mir zu steil. Gleichweg! Schöne geschlossene Augen. Eine nicht zu starke, dennoch rassetypisch ausgeprägte Belefzung. Die Farbe ist – sorry: beschissen! Hellgoldgelb bis hin zum satten Goldgelb strebt der Mutterverband dieser Rasse – der DDC – als Farbausprägung an. Das Gelb dieser Hündin ist traurig dunkel, fast schmutzig und suchte man nach einem treffenden Bild, wäre es am ehesten das des Vanillepuddings frisch aus dem Staubsaugerbeutel. Aber das sind phänotypische Marginalien vor der weitaus bedeutenderen Ausstattung dieser Hündin mit dem erwähnten traumhaften Wesen.

Die Haltung

Da jubelt der Tierschützer: Ein Außenzwinger sei zwar vorhanden (gesehen haben wir ihn nicht), dies jedoch nur, weil der Verband es verlangt. Ansonsten lebt die Hündin mitsamt ihren Welpen im Haus. Und zwar immer und nicht nur, wenn gerade gefaikte Welpeninteressenten vorbeikommen. Das war eindeutig zu sehen.

Die Hündin verfügt über ein eigenes, sehr großes, gefliestes Zimmer mit Fußbodenheizung. Die selbst gezimmerte, äußerst stabile und funktionsgerechte Wurfkiste steht in der Nähe des Fensters; darüber hängt eine Wärmelampe. Neben der Wurfkiste steht ein sauberes, heiles, gemütliches Sofa mit Kissen und Decken. Wenn die Hündin Ruhe vor den Welpen haben möchte, legt sie sich auf dieses Sofa, hat so ihren Nachwuchs im Auge und dennoch ihre Ruhe.

Während unserer Anwesenheit war die Tür zu diesem Welpenzimmer immer offen; die Hündin pendelte gelegentlich ruhig und selbstverständlich zwischen diesem und dem daneben liegenden Wohnzimmer hin und her. Das ist der Alltagszustand, ganz klar.

Die Jungzüchter geben überzeugend an, die Welpen bis zur Abgabe im Haus behalten zu wollen. Ob sie dieses Vorhaben nach der Horrorerfahrung von 7 Stück 6 bis 8 Wochen alter Doggen-Welpen, die durchs Erdgeschoss toben, aufrechterhalten werden/können, steht dahin und spielt bei der Vorsozialisierung keine entscheidende Rolle mehr.

Die Mutterhündin selbst wurde in einer guten weil Schweizer Hunde-Welpenschule sozialisiert und anerzogen. Weitere ausbildungstechnische Aktionen erwiesen sich als nicht notwendig. Die Hündin ist nach Angaben ihrer Halter mit anderen Hunden gut verträglich, kann mit Kindern umgehen und hat Katzenerfahrung außer Haus.

Der Wurf

Wegen des Wurfs waren wir gekommen. Von dem Wurf gibt es wenig zu erzählen. 7 Wurzels sind es, gelbe und gestromte (farbtechnisch ganz Kinder des Vanillepuddings aus dem Staubsaugerbeutel), Hündinnen und Rüden in so viel paritätischer Verteilung, wie die ungerade Zahl es zulässt. Bisher – nach Züchterangaben – keine Abgänge, weder postnatal noch in der Aufzucht bis heute. Aus der aus Infektionsgefahrgründen gebotenen Entfernung von unter dem Türrahmen aus wirkt alles paletti: keine derben Größenunterschiede, keine unnatürlich dicken Bäuche, kein Ausfluss, kein übler Geruch, Bewegung in altersgemäßem Umfang.

Auch hier wieder Wesenswunderbarkeiten: Während wir zu dritt unter dem Türrahmen hängen, liegt Mama Dogge entspannt auf ihrem Sofa, hat aber ihr klares und konzentriertes Auge auf der potenziellen Gefahr. Derweil der Züchter die einzelnen Welpen kurz emporhebt, um – humorvolle Unterscheidungskategorien – „Starkstrom“ von „Mittelstrom“ und „Schwachstrom“ (will heißen: starke, mittlere, schwache farbliche Stromung) zu präsentieren, beugt sich die Tierschützerin im welpenbegeisterten Übereifer mit dem Oberkörper etwas nach vorn. Nur das geschulte Ohr hört den von keiner Körperregung begleiteten Warnknurrer der Mutterhündin: „Nimm sofort deinen Oberkörper aus meinem Luftraum, sonst gibt es eins aufs Mützchen!“ Wie recht sie hat. Entschuldigung!

Die Aufzucht

Fast könnte man weinen: Die Züchter reißen sich schier ein Bein aus, die Welpen optimal aufzuziehen. Sorgfältige Gesäugepflege bei der Mutterhündin; den Welpen werden die Krallen entschärft. Regelmäßiges Wiegen. Sanfte Hand-Interventionen bei der Gesäugebelegung der Welpenschar, um Gleichmaß herzustellen, wo die „Natur“ (steht doch in Anführungszeichen!) keines vorsieht. Akribisch wird das Milchangebot der Mutterhündin beobachtet; bei Bedarf zugefüttert. Alle 14 Tage wird entwurmt. Die Welpen sollen nach schulmedizinischem Impfschema, dessen medizinische Umstrittenheit hier bestimmt nicht bekannt ist, immunisiert werden.

Zur ausreichenden Sozialisierung sind alle möglichen Pläne entworfen. (Und der Tierschützer freut sich wie jeck, einen Züchter vor sich zu haben, der das Wort kennt!)

Und ich entblöde mich nicht, noch mehr Lorbeer auf des Züchters Haupt zu häufen, denn sogar das Infektionsrisiko durch Welpeninteressenten ist hier bekannt. Die Welpen sind erst 14 Tage alt. Deshalb wird es uns auch – und zurecht! – untersagt, direkten Kontakt mit den Knuddelwürsten zu haben. Beim Züchter selbst beobachte ich, wie er mit einem bereitstehenden Hände-Desinfektionsmittel hantiert, bevor er zu den Welpen geht.

Hier wird das Optimale getan!

Fast möchte man die beiden Züchter tröstend in die Arme nehmen eingedenk des Faktums, wie vertan alle diese Liebesmühe sein kann/wird, wenn sie nicht durch eine Vermittlungs- bzw. Verkaufsempirie ergänzt wird, die ein A-Züchter ohne jahrzehntelange Erfahrung bei der Auswahl seiner Welpenkäufer gar nicht haben kann.

Der Goldkettenmann kann gar nichts wissen von gefrusteten Ehefrauen, die sich zwischen dem letzten Kind und der ersten Scheidung mal rasch eine Dogge anschaffen, um die Leere zu füllen, die sie schon drohend auf sich zuschreiten fühlen; von unbedarften, emotionsgeleiteten Interessenten, die über keinerlei Doggenerfahrung verfügen und nicht einmal ansatzweise abschätzen können, welche extremen Ansprüche die Haltung dieser extremen Rasse an sie stellen wird; von emotional überqualifizierten Hundeliebhabern, die auf der Leckerli- und Hundebespaßungs-Welle daherreiten, frei von jeder kynopädagogischen Kenntnis und in der fatalen Annahme, Liebe allein werde es schon richten; von Zeitgeist-Repräsentanten dieser Gesellschaft, die ihre Verantwortungen an- und ablegen wie Kleidungsstücke – um nur ein paar der harmloseren Beispiele aus dem Heer der potenziellen Doggenkäufer herauszugreifen und jene unter dem Tisch fallen zu lassen, die ihre Dogge nach einer Weile nur noch im Keller halten (Doggen-Schützer-Empirie) oder 24 Stunden am Tag im Wohnzimmer an einer Säule festbinden (Doggen-Schützer-Empirie), fast verhungern lassen (Doggen-Schützer-Empirie), sodomistisch missbrauchen (Doggen-Schützer-Empirie), als Wanderpokal auf die Reise schicken (Doggen-Schützer-Empirie), erziehungstechnisch total versauen (jetzt können Sie es selbst, oder?) und bei fehlender Weiterverwendung ihrem Tierarzt zur Euthanasie vorstellen (dito).

Erschütternd, ernüchternd oder zu erwarten, dass beide Züchter noch nie in ihrem Leben davon gehört haben, dass es Doggen-Schutz-Organisationen überhaupt gibt (Tipp an den Verband – in die erste Züchterschulung mit aufnehmen?), von ihrer Anzahl, ihrem Alltag, ihrer Erfahrung – und vor allem ihrem Rat (!!!) ganz zu schweigen?

Die heimliche Welpen-Segnung

So lecker der Kaffee ist, man muss sich auch wieder von ihm trennen. Der Weg vom Wohnzimmer zur Toilette schenkt mir einen von den Hausherren unbeobachteten Blick ins Welpenzimmer, wo die Mutter entspannt auf der Seite in der Wurfkiste liegt, zwei Welpen genüsslich unhektisch an ihrem Gesäuge nuckelnd.

Im steten Bemühen die Qualität meiner tierschützerischen Arbeit nicht von unangebrachten und fehlleitenden Emotionen in die Irre gehen zu lassen, habe ich mir über die Jahrzehnte doch gewisse Rituale angehext, deren materialistischer Wert nicht ad hoc darzustellen ist. Dazu gehört der stille Monolog und die heimliche Segnung derjenigen unserer Mitkreaturen, die besonderen Gefahren ausgesetzt sind. Wie groß die Gefahr für diesen Wurf ist, das weiß nur der, der über tierschützerische Alltagserfahrung verfügt.

Die stille Zweisprache zwischen diesen Welpen und mir bleibt unser Geheimnis. Im günstigsten Falle ist es mir gelungen, ein energetisches Band zwischen ihnen und mir zu knüpfen, an dem sie Hilfe rufend zupfeln können, wenn es bitter wird, wenn die Doggen-Halter-Realität sich dort breit entfaltet, wo Jung-Züchter-Blauäugigkeit keinen Gedanken mehr dran verschwendet.

Wenn’s nix nützt, schadet’s auch nix!

Die Züchter-Motivation

In über zehn Jahren intensiver Beschäftigung mit der Materie habe ich mir schon allen möglichen Quark darüber anhören müssen, warum Menschen Gott spielen und meinen, eine weitere Abwandlung der Tierart produzieren zu müssen, von der der Markt, die Tierheime und einschlägige Internet-Hundevermittlungsportale mehr als voll sind: von Hunden! Dass jeder Liebehaber der grob 250 gängigsten Rassen Argumente dafür parat hat, warum nun ausgerechnet seine Rasse weiter multipliziert werden muss, gehört in den quälenden Kanon ethischer Banalrechtfertigungen von Züchtern.

Der hier ist wenigstens ehrlich (und vermutlich noch nicht ausreichend verbandsgeschult): hinter diesem Wurf, den kein Mensch braucht, stehen rein sentimentale, emotionale Gründe. Man will sich Nachkommen dieser zugegeben traumhaften Hündin erhalten; eine Hündin aus dem Wurf soll beim Züchterehepaar verbleiben. Von Hündinnen-Unverträglichkeiten, insbesondere bei Mutter-Tochter-Konstellationen, haben diese Züchter noch nie etwas gehört. Bemüht sanfte Hinweise auf mögliche Gefahr verlaufen sich in ausdruckslosen Züchtermienen mit Error-Pupillen.

Immerhin: Nach diesem Wurf hat die Hündin dann erst einmal Ruhe. Vielleicht in zwei Jahren noch mal? Und natürlich mit der Tochter…. Und warten wir mal, was der Verband in dieser Zeit noch an Motivationsarbeit leisten kann…

Warum denn dieser Verband? Jetzt wird es ganz abstrus: Besonders Vertrauen habe ihm, Goldkettchen, eingeflößt, dass der Verbandsvorsitzende Tierarzt sei. Mir quellen die Augen aus dem Kopf und ich muss meine ganze Kraft darauf verwenden, hier nicht nachzufragen; auch weil ich weiß, was kommt.

Es ist der ungebrochene Nimbus eines Berufsstandes, der mit rationalen Kriterien nicht mehr nachvollziehbar ist. Ein Tierarzt wird ja Tierarzt, weil er Tiere liebt. Das ist genauso wie bei Klemptnern, denn die werden Klemptner, weil sie Rohre lieben. (Sie können diese Analogie jetzt für alle möglichen Berufe fortsetzen; wenn Sie Probs bei Müllmann, Kopfschlächter und Finanzbeamter haben, sind Sie auf der richtigen Spur!) Eine Besonderheit allerdings kennzeichnet dieses Berufsbild: in keinem anderen nämlich darf ich so frei von jeder Kontrolle und jedwelcher Nachqualifizierung (Fortbildungen sind zwar anempfohlen, aber….) mit im Zweifelsfall tödlicher Konsequenz an lebenden Wesen „arbeiten“ wie hier. Anders als die Kollegen in der Humanmedizin sind Tierärzte noch nicht einmal von forensischem Instrumentarium bedroht. Und versuchen Sie mal als geschädigter Tierhalter auf dem Privatklage-Weg …. aussichtslos, lassen wir das!

Was unser Züchter vielleicht auch nicht weiß, ist die Tatsache, dass es standesmäßig durchaus einschränkende Kammer-Empfehlungen dazu gibt, welche außerberuflichen Funktionen Tierärzte noch übernehmen sollten – um eben gerade nicht irgendein Geschmäckle zum Faktum der Interessensverquickung aufkommen zu lassen.

Mythen, Blüten, Stuss

Der Verband dieses Züchters ist ein ganz toller Verband, denn er fordert von seinen Züchtern Fortbildungen. Jährlich! Davon hatten wir Tierschützer vor vielen Jahren einmal geträumt und es auch als Forderung erhoben. Natürlich war es völlig naiv anzunehmen, dass diese Fortbildungen inhaltlich dann von einer Qualität seien, die Wissenszugewinn garantieren.

Dieser A-Züchter hat erst eine Schulung absolviert. Vielleicht erklärt das was. Ob es über die Jahre besser wird? Ich weiß auch nicht, ob unten stehende Weisheiten Quintessenz dieser Schulung sind oder mal so gehört oder ihn vom Baum aus angesprungen haben.

Neben der sentimentalen Motivation zu diesem Wurf gab uns der Züchter auch noch eine veterinärmedizinische Begründung an: Hündinnen, die einmal einen Wurf gehabt haben, erkranken nicht an Gebärmuttervereiterung (Pyometra) oder Gesäugekrebs (Mamma-Karzinom).

Aua! Aua! Aua! Ich weiß gar nicht mehr, wo die Mottenkiste steht, aus der diese angebliche Weisheit stammt. Aber vielleicht fragte er mal den von ihm so geschätzten Tierarzt nach aktuelleren Studien zu diesem Themenbereich.

Die zaghafte Frage nach einem allfälligen Herzultraschall wusste Goldkettchen final befriedigend und vielleicht zur großen Freude der DKM-Leute zu beantworten: „Herzkranke Doggen legen sich nicht in die Sonne!“ Was sollen all die weltweiten Studien zu DKM, die vielfältigen Untersuchungen, all die Mühen einzelner Doggenleute, zum Thema DKM etwas vorwärtszubringen, zum Zwecke dessen es sogar ein eigenes Doggen-DKM-Forum gibt – man braucht doch nur zu gucken, ob sich der Hund in die Sonne legt!

Wie ein Welpenkäufer-Gespräch nicht verlaufen sollte

Dieser Züchter ist nicht repräsentativ; aber der Gesprächsverlauf sehr wohl: halt wie bei Mercedes im Verkaufsraum. Nach satten drei Stunden verlassen wir die Zuchtstätte und wissen ALLES über die Züchter, ihre Motivation, ihre Liebe, ihre Familie, ihre Pläne, ihre Illusionen, ihre Träume etc. Aber die Züchter wissen fast nichts von uns! Sie haben sich dargestellt. Sie haben geredet. Aber wer redet, hört nichts. Und wer nichts fragt, erfährt nichts.

Züchterschulung bei Tierschützern zum Thema „Vorgespräch“? Das wäre dann so: Fragen, nicht erzählen! Warten, was kommt. Problematisieren: „Was machen Sie, wenn….“ Keine Selbstdarstellung eigener züchterischer Herrlichkeit und die des Verbandes, sondern gesprächsführend geschicktes Herauspulen von Hundehalterträumen, Hundehalterhaltungsbedingungen, Hundehalterkompetenzen, Hundehaltererfahrungen und Hundehalternotfallkonzepten. Und noch ungefähr 100 andere Techniken mehr!

Prognose?

Die Bewertung dieses Besuches habe ich vorweg genommen. Es bleibt ambivalent.

Aber vielleicht kündigt sich hier eine neue Züchter-Generation, ein anderer Typus an? Abgesehen von der Beobachtung, dass zumindest die Doggenzucht zwischenzeitlich sehr häufig in Hausfrauen-Hände übergegangen ist (also mehr Yin-Energie in der Vermehrung….), treten solche Züchterpersönlichkeiten immer häufiger in Erscheinung. Vorteil: zumindest anfangs wenige Hündinnen, die selten belegt und im Haus adäquat gehalten werden. Das bedeutet für den Tierschutz einen großen Fortschritt, denn es minimiert das Zuchthündinnen-Elend. An ethischem Ballast bleibt: Vermehrung eines Hundes, für den die wirklich geeignete Klientel dahinschmilzt wie die Polkappen sowie ein unabsehbares und aus tierschützerischer Sicht unvertretbares Risiko beim Welpenverkauf.

Angebot

Für diesen einen Züchter mache ich ein Angebot, an dem er nicht interessiert sein wird (und wenn, wird ihm das sein Verband hurtig abschminken). Wenn dieser Züchter einmal bereit ist, das Hunde- und speziell das Doggenelend bei den zahlreichen Organisationen, die mit ihrem Schutz befasst sind, zur Kenntnis zu nehmen, wenn er ansatzweise abschätzen kann, welches gigantische Risiko er auf sich nimmt, wenn er seine Welpen an Menschen verkauft, denen er leider auch nur bis vor die Stirn schauen kann und dies noch nicht einmal mit entsprechender Erfahrung, wenn ihm vielleicht das deutschtypische Eingeständnis entfleucht „Das habe ich nicht gewusst“ und er sich weiterer Vermehrung enthält, DANN würde ich persönlich ihm alle meine Ressourcen und die Erfahrung aus 20 Jahren Hundevermittlung zur Verfügung stellen, damit sich mein Welpensegen materialisiert.

Und über ein solches Wunder würde ich dann noch einmal separat schreiben!

Die Ambivalenz dieses Züchterbesuches schließe ich ambivalent mit einem lachenden und einem weinenden Schlussakkord:

Aus Züchterkreisen wird mir inzwischen folgendes Stoß-Gebet kolportiert:

Lieber Herrgott, walte,
dass ich schalte,
wenn die Burger vor meiner Türe steht!
Auf dass ihr Besuchsversuch voll in die Hose geht!

Mit freundlicher Genehmigung der Tierfreunde Niederbayern e. V., Frau Gabi Hesel, beschließe ich diesen Bericht mit dem Bild der Zucht-Doggenhündin Leva, die die Tierschützer in diesen Tagen bei sich aufgenommen haben. Wir wissen nicht, ob der verantwortliche Züchter einem Verband angehört; das spielt auch keine Rolle, denn in den Tierschützer-Archiven finden sich Legion von ähnlichen Bildern aus angeblich unter Verbandskontrolle stehenden „Zuchtstätten“. Und dem hier durchgenudelten Züchterehepaar sei in ihre doggenliebendes Herz geschrieben, dass sie keine Möglichkeit haben zu verhindern, dass eine der Hündinnen aus ihrem Wurf SO endet!