marius

Was macht eigentlich … M A R I U S ?

Nicht alle, aber alle Altohrhasen können sich bestimmt noch gut erinnern: Marius, temporär (2002, intensiv 2003, abfallend 2004) und unübertrieben sicherlich eine der bekanntesten Tierschutz-Doggen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Marius, um den wie um keine andere Dogge in Foren, an Telefonen und in Emails heiß diskutiert und exzessiv gestritten wurde. Marius-Kriege, die ganze Foren gekippt haben. Viele Experten, viele Gutmenschen und lange keine Lösung.

Ein schwarzer, willensstarker Doggenrüde im Tierheim Biberach, dort angekommen knapp 1,5-jährig, freilaufend aufgegriffen bzw. auf einem Reiterhof „zugelaufen“. Marius, der sich auf jeder menschlichen Ansage ein Ei buk. Groß, stark, selbstbewusst, wunderschön, völlig unerzogen, nicht leinenführig, wesenstechnisch schwer einzuschätzen. Auch: weit gereist. Im verzweifelten Bemühen und in wundersamerweise konzertierter tierschützerischer Aktion um eine zukunftsträchtige Lösung einmal Hamburg und zurück. Innerhalb einer Woche und unter dramatischen Begleitumständen. Puuh! Dieses Kapitel lassen wir besser ruhen!

marius  
Der traumschöne Doggenrüde Marius 2002 im Tierheim Biberach.

Marius – ein Buch! Vielleicht schreibe ich es einmal ganz. Sie kennen Doggen? Aber Sie kennen Marius nicht? Schade – es fehlt Ihnen was! Aber ich kann Ihnen einiges erzählen….

Herkunft

Wir wissen ziemlich genau, wo Marius herkommt. Kein Zufall, sondern Ergebnis meiner zeitweilig intensiven Bemühungen, auch sogenannte Schwarzwürfe (also Doggenvermehrung ohne Papiere) im Auge zu behalten. Ein Bauernhof in der Nähe von Bad Waldsee. Mein Besuch war initiiert durch eine Verkaufsanzeige in irgendeinem Käseblatt, das Übliche: „Doggenwelpen zu verkaufen“. Ein Bauer, der sich erhofft hatte, auf leichtem Wege ein paar Euros dazuzuverdienen. Die gefleckte Mutter stammt(e) aus dem DDC. Vom Vater wissen wir nichts; Papiere hatte er keine. Als ich neun Wochen nach dem Wurfdatum dort ankomme, ist das Meiste schon passiert. Von fünf Welpen haben ohnehin nur drei überlebt. Zwei, darunter auch Marius (von dem ich zu diesem Zeitpunkt natürlich nichts weiß), sind schon verkauft. Ich erlebe nur noch ein kleines schwarzes Doggenmädchen – dem ich zwei Monate später auf dramatische Weise wieder begegne.

Der Bauer ist ziemlich frustriert; der Verdienst entsprach nicht den Erwartungen; 2 x 500 Euro sind einfach weggestorben, wobei er keine Angaben über die Todesursache machen kann. Dieser Bauer hat jenes nie mehr getan. Dazu gab es auch in den Folgejahren zu viele Anrufe und Schauerberichte von mir, wie sich das Elend, das er da in die Welt geschickt hat, fortentwickelte.

Etwas mehr als zwei Monate nach diesem Besuch melde ich mich auf eine andere Dogge-zu-verkaufen-Anzeige. Ein Türke bietet mir in gebrochenem Deutsch eine ca. 5 Monate alte schwarze Doggenhündin an, die er auch gern noch kupieren könne (selbst! „Mach ich dir mit Küchemesser! Geht scho!“). In Windeseile organisiere ich die Kohle und sause mit Bleifuß zur angegebenen Adresse, wo ich ein im Freien gehaltenes, völlig verwahrlostes, flohstrotzendes kleines Doggenmädchen vorfinde. Die Verhandlungen sind hart, beinahe scheitern sie. Dann habe ich das Kleinchen im Auto. Sie wird später Aimée heißen. Und sie ist Marius‘ Schwester.

Telefonische Rückfrage beim Verursacher: Der Bauer gibt es zu: Er hat die kleine Doggenwelpin dem türkischen Mitbürger („political correctness“ muss sein ….) anstatt des Rechnungsbetrages für eine Autoreparatur übergeben. MIT Doggen bezahlen! Kenne ich gar nicht. Ich muss immer FÜR Doggen bezahlen! Und seine, des Bauern, Empörung über diesen Weiterverkauf mit Kupierangebot muss man nicht glauben.

Kapitale Fehleinschätzung
Durch den nicht existierenden Zufall und eine Tierärztin erfährt Doggennetz von dem jungen, zum damaligen Zeitpunkt in seiner Wesenswelt noch nicht vollständig ausgeleuchteten Doggenrüden, der im Biberacher Tierheime sitze. Ich nehme Kontakt mit dem Tierheim auf. Man bietet Hilfe bei der Vermittlung an. Ich höre mich noch heute: „Aber ein bis zwei Monate kann es schon dauern, bis wir einen geeigneten Platz finden!“ Diese Aussage dürfte zu meiner kapitalsten Fehleinschätzung gehören.

Wo war Marius zwischendurch gewesen? Also zwischen Bauer und Tierheim? Die Tierschützer vor Ort haben Vermutungen, die sich auf einen Schrotthändler mit Schrottplatz richten. Eine Hundehaltung, die in der Vergangenheit schon häufiger Kontakt mit dem Tierschutzverein produziert hatte. Rückmeldungen oder gar Nachfragen dort seien tunlichst zu unterlassen.

Nun beginnt ein mehrjähriger Vermittlungsmarathon.

Es gab keine mit Doggen befasste Tierschutzorga in Deutschland, die Marius nicht zeitweilig auf ihrer Seite führte; ob autorisiert oder nicht. Am längsten wohl stand Marius bei den Tierfreunden Niederbayern auf der Site.

In den folgenden zwei Jahren ziehen Legion von potenziellen, teilweise unterwegs wieder abspringenden, bei näherer Betrachtung völlig ungeeigneten, maßloser Selbstüberschätzung unterliegenden und anderweitig unterhaltsamen Marius- Interessenten an uns vorüber. Zwei Interessenten ragen aus der Masse heraus. Der eine ist in dem Artikel Marius und der Perückenbock vom 04.11.2003 beschrieben.

Der Andere war auch gut: null Hundeerfahrung. Bei seinem (einzigen) Besuch im Tierheim Biberach ließ er sich von mir die grundlegenden Kommandos (also so schwierige Sachen wie „Sitz!“, „Fuß!“ etc.) der Hundeführung diktieren. Sicherlich ein adäquater Sparringspartner für einen hochdominanten Doggenrüden! Auf unsere Konsens-Absage hin entsteißte er sich einer ca. drei Kilometer langen Empörungsmail in einen Doggenforum des Inhalts, wie Tierschützer mit völlig überzogenem Anforderungsprofil das Elend eines Tierheimhundes wie des armen Marius‘ unnötig verlängern.

Durch solche und ähnliche Misslichkeiten war die Anzahl der bundesweiten Marius- Experten, ungeachtet der Tatsache, dass ihn kaum 3,5 Leute persönlich kannten, so dramatisch angewachsen, dass nun endlich einmal eine Expertise her musste. Gerd Leder von Canis übernahm diesen hilfreichen Part. Die Einschätzungen und Annahme exakt der Leute, die auch Umgang mit Marius hatten, wurden bestätigt  Artikel vom 30.01.2004 Marius – eine Bewertung von kompetenter Stelle).


Marius gibt auf

Ein Tierheim ist ein Tierheim ist ein Tierheim. Gut, dass wir so viele davon in Deutschland haben. Schön, wenn es eine Übergangslösung ist. Fatal, wenn das Tierheim zur Dauerlösung für einen Doggenrüden wird, der sich kaum von jemanden handeln lässt. Katastrophal, wenn das Tierheim baulich so hundefeindlich ist, wie in diesem Fall und von den jetzt Verantwortlichen auch kaum zu ändern.

Marius sieht nichts. Weiß gekachelte Wände. Sonst nichts. Ein Durchgang zu einem betonierten Auslauf, von dem aus man außer dem Himmel über sich wieder nichts sieht. Das Fehlen jeglicher optischer Reize gilt verhaltensbiologisch als schwere Belastung (ein treffenderer Euphemismus fällt mir jetzt nicht ein).

Dafür hört er viel, nein: er hört laut. Bei jedem Beller, jedem Durchlaufen von Mensch oder Hund eine körperlich traktierende Kakophonie schmerzender Lautstärke, im quälenden Pingpong von den Kachelwänden geechot.

Raus kommt er nur selten, denn kaum jemand kann ihn führen. Ein Mal pro Woche reist das Doggennetz 80 Kilometer weit an, um mit dem Buben lange Spaziergänge, Unterordnungsübungen, intensive Körperpflege und Zuwendung zu absolvieren. Aber man kann ja nicht nur samstags von 14.00 bis 19.00 Uhr leben.

Jetzt gibt Marius auf. Er wird sehr krank. Am ganzen Körper verliert er das Fell, sieht aus wie ein stumpf-staubiger Flickenteppich. Eine tierärztliche Untersuchung diagnostiziert eine Schilddrüsenerkrankung.

Notlösungsangebote: Ich nehme ihn, aber er muss bei mir im Zwinger leben. Anders geht es nicht mit einem Rüden, der zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal katzensicher ist. Und von den vorhandenen zwei Seniordoggen wird die Hündin den starken Rüden keinesfalls akzeptieren. Vorteil einer solchen Minimallösung: Marius kommt aus dem Tierheimstress raus und Marius kommt überhaupt drei Mal täglich raus – zu langen Spaziergängen! Alle sind nicht begeistert. Aber vor Ort ist immer deutlicher zu erkennen, dass eine Lösung her MUSS.

Und das Beste: Den Zwinger gibt es (noch) gar nicht. Der Tierschützer legis arte verfügt in seiner privaten Haltung natürlich über keinen Zwinger.

Lange Zeit kann sich der Tierschutzverein Biberach zu dieser unattraktiven Lösung nicht entschließen. Marius geht es derweil immer schlechter. „Der stirbt hier noch weg!“, meine Meinung. Und plötzlich scheinen die Gebete erhört. Man ist bereit, Marius in seinen riesengroßen Luxuszwinger mit eigenem Bett, Teppich und Außenzwinger übersiedeln zu lassen – sobald wir ihn gebaut haben.

Ein finanzieller Kraftakt, den im Hauptpart eine Doggenfreundin aus Norddeutschland unter der weitergehenden Zusage lebenslanger Patenschaft und damit Übernahme der Lebenshaltungskosten von Marius bewältigt hat. Andere Spender und Marius- Unterstützer traten hinzu. Auch die Tierfreunde Niederbayern, Gabi Hesel, und der Doggenschutz halfen.
 

Ein neues Leben beginnt bescheiden

Am 3. Juni 2004, nach ziemlich genau 2 Jahren im Tierheim Biberach, ändert sich Marius‘ Leben. Er zieht bei mir ein, in den noch farbfrisch riechenden, sauteuren Zwinger, eingebaut in der Ökonomie meines Miet-Bauernhauses. Sogar die Wand haben wir durchbrochen, um ihm, witterungs- und kältetechnisch durch eine Tür geschützt, Zugang zu einem Außenzwinger zu ermöglichen.

Marius nimmt es elastisch. Rasch merkt er, dass sich die Kernessenz seines Lebens der vergangenen neun Monate, nämlich die Samstage von 14.00 bis 19.00 Uhr, auf 24 Stunden am Tag ausgeweitet haben. Darüber hinausgehende Ansprüche hat er keine; woher auch!

Es war notwendig. Es hat geholfen. Aber ich möchte bitte nie mehr in meinem Leben so etwas tun müssen: jeden Tag 2 x 3 Spaziergänge. Kommt man winters von dem ersten müde, nass und durchgefroren zurück, reibt man die Seniordoggen trocken, bugsiert sie ins Wohnzimmer auf ihre Sofas und rafft sich erschöpft zur zweiten Runde auf. Tag ein, Tag aus. Und ja nie vergessen, die Türen zwischen den Parteien abzuschließen. Und immer eine Dogge auf einem anderen Planeten, nicht zusammen, weggesperrt, allein. Schrecklich! Neben der Doppelversorgung so viele Schmuseminuten, -viertelstunden, -halbstunden wie möglich, um Marius zu entschädigen.

Schon wenige Woche nach dem Umzug beginnen wir mit der zielgerichteten Ausbildung auf einem Hundeplatz. Zunächst war unklar, ob man mit Marius überhaupt auf einem „normalen“ Hundeplatz würde aufschlagen können; aber auch das erwies sich als völlig problemlos. Tollkühn visieren wir die Begleithundeprüfung an.

Neue Probleme: Der Zwinger in der Ökonomie ist ja wunderbar, aber im Winter nicht zu beheizen! Daran hatte bis dato niemand gedacht. Verzweiflung. Gabi Hesel bringt mich auf die rettende Idee: Marius wird im Winterhalbjahr in den ersten Stock des Hauses ziehen. Inzwischen ist er auch weitgehendst katzensicher; unabdingbar in einem Haushalt mit sieben Felinen. Ausuferndes Training mit einem eigens maßgeschneiderten Ledermaulkorb hat Früchte getragen. Aber: Um das Obergeschoss doggenrüdensicher abschließbar zu machen, sind neue Investitionen (ein zwingergitterähnlicher Treppenabschluss) notwendig. Ein warmer Dank an die nicht müde gewordenen Marius-Spender, die auch diesen neuen Preis zu zahlen bereit waren.

Marius sieht seinen Stern deutlich steigen, denn aus seiner Sicht geht es stetig aufwärts. Erst raus aus dem Tierheim, dann schon raus aus dem Zwinger; es kann nur noch besser werden. Fröhlich thront er auf dem extra angeschafftem Polsterbett, von dem aus er die Treppe nach unten einsehen kann, kynopädagogisch kontraproduktiv für einen Doggenrüden, der sich sowieso schon für den größten Knall im All hält, schamhafte Kompensation für einen Hund, der nicht wirklich in menschlicher Gemeinschaft gehalten wird.

Zwei Zimmer, zwei Sofas, ein Bett, ein Sessel und ein Flur gehören jetzt zu seinem Reich. Und die gemeinsamen Zeiten weiten sich aus, denn eines der Zimmer ist mein Arbeitszimmer. Zu den drei Spaziergängen, den Schmuseminuten, -viertel- und –halbstunden kommen jetzt noch viele Stunden Arbeitszimmeraufenthalt. Zeitweise geraten meine eigenen, meine Seniordoggen schon ins Defizit an gemeinsamer Zeit mit mir.

Im Sommer 2005 absolviert Marius auf Platz 1 und mit Pokal die Begleithundeprüfung. Okay, der Prüfer war schon sehr alt und hatte das leichte Knurren beim Abscannen des Chips nicht gehört; auch deshalb, weil ich sofort einen Hustenanfall simuliert hatte. Ein Marius lässt sich von einem wildfremden Mann doch nicht so einfach mit so einem komischen Kasten am Hals entlangfahren!

Ansonsten: Soo hatte ich noch mit keinem Hund trainieren können! Die Erklärung des Phänomens folgte später: So lange Marius in deprivierter Haltung lebte (separat), stürzte er sich in alle Zeiteinheiten individueller Zuwendung mit Feuereifer. Kaum war er aus dieser benachteiligten Haltungsform befreit (siehe unten), pfiff er drauf. Das zunächst mit Feuereifer begonnene Obedience-Training im Anschluss an die BH brach ich bald darauf ab. Nachdem Marius leben durfte, wie es einem Hund gebührt, hatte er keinerlei Interesse mehr an dieser Form der Zuwendung und drehte mir sichtbar und auch zur Verblüffung der Trainer eine soo lange Nase, dass ich es sein ließ.

Tod und Neubeginn

Im Mai 2006 stirbt mein so sehr geliebter Altrüde Mano im segensreichen Doggenalter von 11 Jahren und 10 Monaten. Den bewegendsten Doggenrüden aller Zeiten, fleischgewordener Mythos des sanften Riesen, ehrte viele Jahre das Startbild meiner Website www.doggennetz.de. Die Trauer schmerzt so sehr und körperlich, dass sie mich buchstäblich krümmt. Ich gebe dieser Trauer Raum, denn mein Mano hat sie verdient.

Doch das Leben geht weiter. Und oben wartet einer, der Kapital aus Manos Abgang schlagen wird: Marius. Aber vor diesem Triumph hat die Göttin der Doggen Pebble gesetzt: ein zähes Luder, autonom, stur und überhaupt nicht elastisch. Paulchen, ja, den hatte sie geliebt; Mano, okay, nach einigen Widerständen hatte sie ihn akzeptiert. Aber Marius: definitiv nicht! Pebble, schon schon 11 Jahre alt, für eine Dogge nicht sehr groß, altersmäßig und durch eine Spondylose geschwächt, hatte Marius und mir schon zu einem früheren Zeitpunkt unmissverständlich klar gemacht, dass sie diesen Rüden final frühstücken werde, und sei es auch das Letzte, was sie in ihrem Leben tue!

Bei einer Zusammenführung im Garten war die völlig wackelige Doggendame, nur knapp über 50 Kilo wiegend, mit ca. 15 Zentimeter weniger Stockmaß unterliegend, über den jungen Kraftprotz hergefallen und hatte ihn auf Schaden gebissen. Zwischen Überraschung, Entsetzen und vermutlich Mitleid mit dieser größenwahnsinnigen Alten trudelnd, hatte Marius sich nicht einmal gewehrt.

Wochenlanges Training im Freien. Allein mit zwei Doggen, von der die eine, wenn sie nicht altersmäßig von alleine umfiele, bereit war, die andere einzudosen. Erst einmal nur Sichtkontakt. Marius verhielt sich extrem klug: stets wandte er den Blick ab. Selbst dominant, anerkannte er das Zähe in meinem Knutscheluder. Zwei Giganten, der eine dieser in Ehrfurcht sein Haupt neigt. Wird er sie gnädig stimmen?

Auch Tyrannen leiden unter Einsamkeit. Pebble hatte schwer um ihren Mano, den man ihr zwar anfangs auch hatte andienen müssen, getrauert. Pebble war noch nie Alleinhund gewesen. In den Wochen nach Manos Tod begann sie zunehmend unter der Abwesenheit eines Partners zu leiden.
Aber d e n?
Mal versuchen?
Nur ein wenig?
Scheißegal!

Nach ca. sechs Wochen war es geschafft: Die Hündin akzeptierte den Rüden, Pebble duldete Marius in unseren Räumen. Nach ein paar Monaten waren sie wie Arsch und Eimer; allerdings stieß der Arsch im kräftestrotzenden Übermut den altersschwachen Eimer auch gelegentlich um.

11 Jahre und 4 Monate hat sie geschafft, meine Pebble. Darauf sind wir stolz. November 2006 und nur sechs Monate nach Mano starb sie buchstäblich an Altersschwäche.

Trommelwirbel: der Sieger! Ist das nicht Aufstieg?: Aus dem Tierheim – in den Zwinger – in den ersten Stock – ins Wohnzentrum (und – psst – ins Bett!) – und am langen Ende: alleiniger Triumphator! Kein Mano, keine Pebble, kein Tierheim, kein Zwinger – nur noch Marius, Marius, Marius! Ein langer Weg. Ein verdienter Sieg!

Ein harter Brocken für mich: mit nur einer Dogge leben? Ein Opfer, ziemlich bitter, aber bin ich es ihm nicht schuldig? Mehr als sein halbes Leben hat er darauf gewartet: ein Mensch ganz für sich allein! Wenn auch im Freien problemlos verträglich mit anderen Hunden, zeigte sich immer wieder, dass Marius diese weder an meiner Seite noch in unserem Haus duldet. Ich wollte es gar nicht versuchen; Marius‘ Wünsche diesbezüglich waren unmissverständlich. Ich fügte mich drein.

Eine indische Helikopter-Dogge

Aber das Schicksal meinte es gut mit mir und korrigierend mit Marius, bevor er im hundertprozentigen Besitzstand des Doggennetzes vollständig größenwahnsinnig wurde.

Im Juli 2007 ein Notruf aus dem Tierheim Rottweil: Eine junge Doggenhündin im verheerenden physischen und psychischen Zustand war im Wald aufgegriffen worden. Die Tierschützer vor Ort waren fünf Tage lang nicht in der Lage, die völlig verängstigte Hündin anzufassen. Ich habe die Hündin sofort übernommen und zunächst im Marius-Zwinger untergebracht, felsenfest davon überzeugt, dass Marius sie ohnehin nicht akzeptieren werde. Patty war begeistert von Marius, diesem Fels an Selbstsicherheit, Präsenz, Autonomie, Dominanz. Menschen kann man nicht trauen. Sie warf sich ihm vollständig zu Füßen. Was Besseres, Klügeres, Erfolgreicheres hätte sie nicht tun können: dem Meister dienen, den Apoll ehren, dem Herrscher schmeicheln. Im gebauchpinselten Größenwahn unterschätzte Marius dramatisch weibliche Finesse, doggenhündische Expansionsgelüste und die Yin-Qualitäten einer ausgefuchsten Liebedienerin.

Heute? Mit allen Anzeichen seelischer Not und vollkommen hilflos steht der Meister vor „seiner“ okkupierten Doggenmatratze, auf der sich Madame rücklings räkelt, zwar sicherheitshalber rutenschlagend, nichtsdestrotrotz aber keinen Millimeter weichend. Ein leckeres Stück Rinderkopfhaut im inzwischen eisgrauen Marius-Maul findet sich wenige Minuten später, sobald man den Rücken dreht, triumphierend vom quirligen Doggenmädchen hoch durch die Luft geschleudert. Ich weiß nicht, wie sie das schafft! Die alte Kleine-Finger-ganze-Hand-Geschichte! Vermutlich überdenkt Marius seine anfängliche Großmut ihr gegenüber nur noch im Konjunktiv: Hätte ich nicht … , Wäre ich doch …! Oder hat er seine Mitte gefunden? Beides haben können: menschliche und artgemäße Gesellschaft?

Außerdem: Wer kann schon mit einer indischen Helikopter-Dogge zusammenleben? Marius ist heute 7,5 Jahre alt. Er lebt wie ein ganz normaler Hund – mit kleinen Abstrichen bei fremden Männern, die das Haus betreten wollen. Und der Schornsteinfeger schwebt in Lebensgefahr. Wenn der kommt, hänge ich sogar noch einmal das Sicherheitsschloss vor den Zwinger. Nun gut, er ist der einzige Schwarze, der noch größer ist als Marius.

Draußen muss man den Meister gut im Auge und unter Kontrolle behalten, sonst kontrolliert er, was bekanntermaßen insbesondere bei hundeunkundigen Menschen so gar nicht auf Begeisterung stößt. Verständlich, wenn einem 70 Kilo Doggenrüde erst den Kopf in den Bauch rammen und dann mit hochgezogener Braue fragen: „Wolltest du etwas sagen?“ Aber kein Fremder würde ihm „seine“ Geschichte ansehen. Manche Dinge gehen nicht mit ihm – so etwa würde ich ihn nie mit Kindern zusammen lassen. Er hat es einfach nicht gelernt. Dafür hat er so viel anderes gelernt, was viele – auch der Experte – nicht für möglich gehalten

Bildunterschrift: Einer von den 2,5 Männern, die so viel Nähe zu Marius haben dürfen: Torsten Schulz, Weihnachten 2007.

Gerd Leder hat Marius im Sommer 2007 bei einem Canis-Seminar wiedergesehen. Er machte aus seiner Begeisterung für Marius‘ Entwicklung kein Hehl.

Alt ist er geworden, der Prachtrüde, für den einst sogar Züchter im Tierheim angereist waren (bis sie die Eierabsituation entdeckten, was ihn diesbezüglich uninteressant machte). Steingrau im Gesicht – wie alle meine Doggen, die trotzdem sagenhaft alt wurden. Seit mehr als einem Jahr erleidet Marius eine dramatische Muskelatrophie an der Hinterhand; zusammen mit einer inzwischen eingetretenen Harninkontinenz Hinweis auf die zunehmende Spondylose. Seit kurzem ist er in exzellenter homöopathischer Behandlung, die auch anschlägt. Auch ein Wissenszuwachs aus schmerzlicher Erfahrung: ganzheitlich behandeln statt teurer, noch dazu oft sinnloser schulmedizinischer Diagnostik über Kernspintomographie, Myelographie etc., die keine therapeutischen Konsequenzen nach sich zieht, weil es diese nicht gibt. Seit seiner Tierheim-Zeit muss Marius Schilddrüsen-Medikamente nehmen. Mehrfache Versuche, diese abzusetzen oder mindestens in der Dosis zu reduzieren, führten zu gefährlichen Verhaltensveränderungen (Aggression, auch gegen mich). Selbst in der homöopathischen Behandlung wird dringend von einem Weglassen dieser allopathischen Medikamente abgeraten. An dieser Stelle gilt unser heißer Dank einer Doggenfreundin, die diese seit vier Jahren finanziert.

Nahezu vollständig fremdfinanziert
Die ganze praktische Arbeit mit Marius lag und liegt bei mir. Außer mir gibt es inzwischen glücklicherweise wenigstens eine einzige Person, die Marius auch führen kann: Andrea Kilian-Schulz, meine Freundin. Sie ist dem Buben seelenverwandt und baute ihre ganz spezielle Bindung zu ihm erziehungstechnisch haarsträubend über Küssen und Schmusen auf . Weihnachten 2007 erwies sich dies als Segen: Als ich notfallmäßig ins Krankenhaus eingeliefert wurde, übernahm sie beide Doggen zu sich nach Hause (dort befindlich auch noch einmal drei Hunde leben). Was hätte sonst werden sollen?

Finanziert wurde und wird Marius nahezu vollständig über Dritte. Der frühere Hauptsponsor warf den Bettel nach zwischenmenschlichem Knatsch einfach hin. Selbst in existenziellen Nöten, trägt heute Andrea Kilian-Schulz die Futterkosten für Marius. Treu und zuverlässig tritt eine süddeutsche Doggenfreundin weiterhin für Marius‘ Schilddrüsenmedikamente ein. Die Tierfreunde Niederbayern, Gabi Hesel, beteiligten sich am Zwingerbau und sprangen auch beim notwendigen Treppenabschluss ein. Simon und Birgit, die Marius‘

Bildunterschrift: Wenn die Alte im Krankenhaus liegt…. Doggentrösterin Weihnachten 2007

Schwester Aimée (sie erlitt 2007 eine Magendrehung; abgesehen von diversen Magenbeschwerden lebt sie gesund und munter) haben, helfen auch immer wieder. Die private Tierschutzinitiative Doggenschutz hat auch periodisch wertvolle Hilfe für Marius geleistet.

Prognose?

Marius und ich: Wir wissen beide nicht, wie weit unser gemeinsamer Weg noch sein darf. Aber wir haben beide einen langen und hindernisreichen Weg hinter uns.

Marius ist nicht nur eine Geschichte. Marius ist (auch) meine Geschichte.

Aktuelles Bild – Sommer 2008

Text aktualisiert im März 2011

ACHTUNG:
Alle Urheberrechte an diesem Text liegen bei Karin Burger. Sie werden diesen Text in einer nicht mehr autorisierten und nicht mehr aktuellen Form rechtswidrig auf einer anderen Internetpräsenz finden. Das ist ein klarer Verstoß gegen das Urheberrecht, was den Verantwortlichen jedoch völlig gleichgültig ist.
Sehen Sie selbst, welche Tierschützer sich frohgemut über geltendes Recht hinwegsetzen hier:
https://www.doggenschutz.de/was_macht_marius.pdf