Immer mehr aggressive blaue Doggen

Die aktuelle Doggenzucht hat viele Probleme. Aber unter diesen gibt es eines, das zweifellos die derzeit größte Gefahr für die gesamte Rasse darstellt. Und dieses Problem sind die in jüngster Zeit sich beunruhigend häufenden Fälle hochaggressiver blauer Doggen, die von ihren Besitzern, teilweise nach einschlägiger Begutachtung und Euthanasieempfehlung durch Tierärzte und anerkannte Verhaltenstherapeuten, eingeschläfert werden müssen / mussten.

Nachdem das Doggen-Netz durch einen solchen Fall im letzten Jahr selbst betroffen war, haben wir angefangen, diese Fälle umfassend zu dokumentieren. Mit Stand Oktober 2004 liegen uns jetzt insgesamt 7 Fälle vor. Und in 5 von diesen 7 Fällen weisen die betroffenen Hunde dieselben Ahnen auf; bei den zwei Doggen mit abweichenden Ahnen ist nach Insiderinfos nicht sicher, ob bei diesen Hunden die Papiere stimmen.

Aggression vererbende Doggen längst bekannt
Inzwischen und nach diversen Telefonaten auch mit Züchtern und in einem Fall sogar mit einer ehemaligen Zuchtleitung kam heraus, dass diese fraglichen Ahnen zuchtintern längst für ihre Aggressivität bekannt sind. Wir haben mit Leuten gesprochen, die diese Hunde auf Ausstellungen gesehen haben. Sie berichten von auffallender Aggression; in dem einen Fall hat einer dieser fraglichen Rüden einen anderen Rüden auf einer Ausstellung schwer verletzt. „Der Hund hat immer wieder um sich gebissen“, so eine Augenzeugin. Trotzdem wurden sie – bedenkenlos? – weiter eingesetzt; und Nachkommen dieser Doggen auch heute noch. Die üble Praxis der überwiegenden Championzucht (Einsatz der immer gleichen, mit reinen Schönheitstiteln hochdekorierten Zuchtrüden) sorgt für entsprechende Verbreitung. Käufer blauer Doggenwelpen sind gut beraten, sich die Ahnentafel ihres Hundes vorher ganz genau anzuschauen oder sie von einem Experten anschauen zu lassen.

In einigen der dokumentierten Fälle kam es zu schwersten Verletzungen von Menschen. Auffallend dabei ist immer wieder, dass diese Hunde Menschen aus ihrem unmittelbaren Umfeld angreifen. In mehreren Fällen wurden die Hunde euthanasiert, nachdem sie sich insbesondere auch gegen die Kinder der eigenen Familie auffällig verhalten hatten. Manchmal sind diese Hunde auch aggressiv auf Artgenossen; aber nicht in jedem Fall.

Titan
Der erste publik gewordene Fall aus diesem Problemkreis ist Titan. Seine Vorgeschichte, sein Aufenthalt in der Obhut des Doggen-Netzes, die Rückübereignung an die Vorbesitzer wegen Unvermittelbarkeit und seine schlussendliche Euthanasie durch diese und in meinem Beisein habe ich seinerzeit detailliert veröffentlicht mit der einzigen Absicht, auf ein gravierendes Problem in der Zucht aufmerksam zu machen. Keine Chance! Meinen Bewertungen und den Erfahrungen der Vorbesitzer wurde kein Glaube geschenkt, der Fall Titan wurde individualisiert, über die emotionale Schiene kriminalisiert. Eine seriöse Diskussion und sachliche Ursachenforschung kamen nicht zustande.

Immerhin erhielt ich schon damals einen Hinweis auf die Ahnen, die in Züchterkreisen angeblich als verdächtig gelten und durch extreme Aggressivität aufgefallen sein sollen. Und genau diese Doggen fanden sich auch bei Titan im Abstammungsnachweis wieder: Darcy vom Leininger Land und Terputanski’s Lorbas.

Doggenhündin und Doggenschützerin schwer verletzt
Der nächste Fall eines hochaggressiven blauen Doggenrüden betraf eine Doggenschutz-Kollegin im bayrischen Raum. Sie hatte sich bereit erklärt, einen zur Abgabe stehenden blauen Rüden zu vermitteln. Schon bei der Übergabe des Hundes kam es zu einem hochdramatischen Zwischenfall, bei dem die Hündin der Kollegin und sie selbst schwer verletzt wurden. Die Besitzerin des Rüden, die bei diesem Beißvorfall anwesend war, hat den Hund danach sofort einschläfern lassen. In diesem einen Fall wurde auch eine Pathologie der toten Dogge durchgeführt. Im Gehirn fand man ein Blutgerinnsel.

Nachdem wir Kenntnis von diesem Fall bekommen hatten, machten wir uns an die Ahnenforschung. Auch hier geht die Abstammung über die Vaterlinie auf den Rüden Darcy vom Leininger Land zurück!

Gefahrenpotential nicht sofort erkennbar
Die nächsten zwei Fälle betrafen Hunde aus ein und demselben Wurf. Der eine blaue Rüde war von einer kynopädagogisch sehr gut ausgebildeten Doggenfreundin einer DDC-Ortsgruppe selbst vermittelt worden, weil seine vorherige Besitzerfamilie mit ihm nicht mehr klar kam. Sie beschreibt die Situation wie folgt:

„Der Hund wurde ohne Wissen der Frau, die Angst vor großen Hunden hatte, vom Mann gekauft. Von der 8. Woche an wurde Hilfe bei der Erziehung gesucht. Vom ersten Tag an zeigte der Welpe Kontrollaggression bzw. Ressourcenverteidigung (Futter, Socken, Sofa). Dies ändert sich auch bis zur Abgabe nicht. In der Ausbildung zeigt der Hund sich gelehrig und gut ansprechbar. Die Besitzerin erklärte mehrfach, dass sie Angst vor dem Hund habe. Zitat: ‚er guckt so komisch und dann greift er an‘. Es war zu dem Zeitpunkt der Abgabe für die Familie eine extrem schwierige Situation, die von beruflichen und familiärem Stress und auch Gewalt gegenüber dem Hund geprägt war. Leider wurde das Verhalten des Hundes durch die Familiensituation erklärt und leider wurde die Angst der Besitzerin nicht genügend hinterfragt. In den Trainingssituationen, in denen ich den Hund gesehen hatte, war er völlig im Normbereich.
In der Pflegestelle war er ein kleiner Sonnenschein – freundlich mit den Nachbarn und den anderen Hunden – leichtführig beim Spaziergang. Es gab nur eine Situation: Als die Betreuerin vom Hundeplatz kam und in seinen Zwinger ging, wurde er starr und die Bertreuerin fühlte sich irgendwie bedroht. 5 Minuten später war alles wieder okay. Auch hier wurde die logische Erklärung gesucht, dass das Verhalten durch die Hundeplatzgerüche ausgelöst wurde. Als der Unfall [gemeint: Beißzwischenfall, Anm. d. Red.] passierte, wurde der Hund, nach Aussagen des neuen Besitzers, vorher auch starr. “ Ende des Berichts.

Leider bekommen wir nicht immer so eine ausführliche und kompetente Einschätzung des Hundes, wie in diesem Fall. Die vermittelnde Doggen-Expertin mit umfangreicher Ausbildungserfahrung kannte also den Hund. Aber es war für sie nicht erkennbar, welche Gefahr dieser Hund darstellte. In der neuen Familie dann griff der Rüde in einer völlig entspannten Situation im Garten aus dem Nichts heraus die (recht agile) Großmutter der Familie von hinten an und verletzte diese durch mehrere Bisse so schwer, dass sie ins Krankenhaus musste. Auch dieser blaue Rüde wurde nach diesem dramatischen Beißzwischenfall eingeschläfert.

In der Ahnentafel dieses Hundes findet sich in der 4. Generation über den Vater der Rüde Darcy vom Leininger Land.

Zwischen dem Verhalten dieser Dogge und Titan gibt es deutliche Parallelen. Insbesondere die berichtete Starrheit und das „komische Gucken“ waren auch bei Titan auffällig. Immer wieder fixierte er sein Gegenüber starr und über einen langen Zeitraum hinweg und war dann jeweils nicht ansprechbar. In dem oben zitierten Fall konnte aber diese Starre von der begutachtenden Tierärztin in der gewohnten Umgebung nicht festgestellt werden.

Euthanasie nach 2-fachem Expertengutachten
Auch die sehr doggenerfahrene Familie, die den Bruder dieses Hundes besaß, berichtete von extremen Verhaltensauffälligkeiten ihres Doggenrüden. Wie auch Titan war dieser Hund schon von klein auf auffällig gewesen. Trotz bester Sozialisierung von Welpenbeinen an, Erziehung und Ausbildung ließen sich Kontrollaggression und Ressourcenverteidigung nicht korrigieren. Der Rüde wurde dann zwei verschiedenen Verhaltenstherapeuten vorgestellt. Nach unseren Informationen empfahlen beide die Einschläferung des Hundes. Nachdem es dann noch einmal in der Familie zu einem kleineren Zwischenfall gekommen war, wurde auch dieser Hund eingeschläfert.
Wie natürlich bei seinem Bruder findet sich auch hier in der 4. Generation über den Vater der Rüde Darcy vom Leininger Land.

Blaue Doggen zur Vermittlung ist der Horror!
Inzwischen stellen sich uns im Doggenschutz schon alle Haare auf, wenn uns blaue Doggen zur Vermittlung angeboten werden. Und natürlich eruieren wir in jedem Fall zuerst die Ahnen. Im Oktober dieses Jahres wurden wir wieder um die Vermittlung eines blauen Rüden gebeten, mit dem die Besitzerfamilie vorne und hinten nicht mehr klar komme. Der Hund zeichne sich durch eine extreme Rüdenaggression aus und es habe mehrere „leichte“ Zwischenfälle in der Familie gegeben. U. a. habe die Dogge bei einem Spaziergang im Gebirge den Jungen angegriffen, am Arm gepackt und zum Abgrund gezogen. Dieser Hund kapriziert sich wohl ganz besonders auf den 13 Jahre alten Sohn der Familie. „Wir haben keine Lebensqualität mehr mit diesem Hund“, so die Situationsbeschreibung der Besitzer, die sich mit dem Rüden kaum noch vor die Tür wagen und im Hause Angst vor dem eigenen Hund haben. Für diesen Rüden soll von der Züchterin selbst schon eine Euthanasieempfehlung abgegeben worden sein. Nach eingehenden Recherchen kam heraus: der Bruder dieses Rüden war über den Gartenzaun gesprungen und hatte einen anderen Hund getötet. Daraufhin war er von seinen Besitzern eingeschläfert worden.

Die Ahnenforschung zu diesen beiden Hunden wirft neue Fragen auf, denn diese Brüder gehen nicht auf die zitierten fraglichen Doggen zurück. Erweitert das den Kreis der Verdächtigen? Oder ist diese Tatsache ein wichtiges Gegenargument?

Menschenarm bis auf den Knochen zerrissen
Nun zum 7. Fall in Serie; man beachte: wir bewegen uns hier in einem Zeitraum von nur einem einzigen Jahr!!! Dieses Mal geht es um eine blaue Hündin. Mit ausdrücklicher Genehmigung der Verfasserin und Besitzerin der betreffenden Dogge zitieren wir aus deren Erfahrungsbericht:

„Sie war jetzt zwei, geholt haben wir sie vor 1,5 Jahren, wurde abgegeben wegen Zahnfehler. Verhaltensauffällig war sie eigentlich schon immer, immer extrem ängstlich und schwer einzuschätzen. Wir dachten erst, das läge an ihrer Aufzucht, nur Zwinger, kaum Menschenkontakt, ganz abseits. Mit unseren Hunden hatte sie auch keine Probleme, da zwar auch nicht spielfreudig und mehr abseits, aber nie aggressiv oder so. Und das wurde weder mit der Zeit noch mit diversen Trainings (Clickern, T-Toutch, Bachblüten, Verhaltenstherapie…) besser, eher schlechter. Bei der Kastration hatten wir sie röntgen lassen auch wegen Tumor; aber nichts. Sylvester hat sie erstmals einen anderen Hund gebissen, eine sehr junge Hündin und wie irr – sie hat nicht mehr losgelassen, erst als meine Hündin dazwischen ging und sie im Genick packte. Im Sommer der zweite Vorfall. Hund, der bei uns öfter zu Besuch ist, spielt normal mit dem Doggenrüden, Melly stürzt ohne Vorwarnung von hinten aus dem Gebüsch auf ihn und verbeißt sich im Bauch, läßt erst los, als er ihr die ganze Schnauze verbissen hat. Da tendierte unsere Vermutung immer mehr Richtung gestörte Wahrnehmung. Bei meinem Bruder ähnlich, ohne Vorwarnung, ohne Grund, zugebissen und nicht mehr losgelassen. Mein Bruder musste richtig mit ihr kämpfen, um seinen Arm frei zu bekommen, dabei hat sie den bis auf den Knochen zerrissen und ihm weitere Wunden zugefügt.

Sie war danach völlig fertig, hat alles voll geschissen, nur gezittert, ist nicht mehr zu den anderen Hunden, war völlig apathisch, von Aggression keine Spur, eher im Gegenteil. Wir hatten überlegt zu versuchen sie noch mal zu vermitteln, aber kamen dann zu dem Schluss, dass es für sie nur eine weitere Qual werden würde, neue Menschen, neue Umgebung noch mehr Angst…. sie war trotz Beruhigungsmitteln total panisch, hat uns so leid getan die Maus.

Beim Einschläfern bestätigte sich dann unser Verdacht wegen Hirnschädigung, das Mittel, das der Tierarzt injezierte, wirkte nicht wie gewohnt, er meinte, es sei ein Zeichen, dass das Kleinhirn blockiert sei. Erst 3fache Überdosierung und Injektion direkt ins Herz hat gewirkt.

Obduzieren lassen haben wir sie aber nicht, hätte auch nicht geholfen, es genau zu wissen und wir wollten sie lieber begraben.“

Zwei Details aus diesem Erfahrungsbericht lassen aufhorchen: Wie auch andere Betroffe beschreibt diese Besitzerin, dass die Dogge nach erfolgtem Biss nicht mehr losläßt. Und für Kenner der Titan-Geschichte sei an die von mir beschriebene Euthanasie-Szene erinnert. Wie auch bei dieser Hündin schlug bei Titan die übliche Narkosespritze nicht an und es musste mehrfach nachgespritzt werden. Das könnte unter Umständen ein Hinweis auf bestimmte physiologische Anomalien sein.

Besonders schade ist auch in diesem Fall, dass sich die Besitzer nicht mehr zu einer Pathologie des Hundes entschließen konnten. Von den insgesamt 7 Fällen liegt nur in einem ein Pathobericht vor. Und es wäre so wahnsinnig wichtig zu wissen, ob sich bei den betroffenen Doggen irgendwelche physiologischen Anomalien oder Auffälligkeiten finden lassen. Meistens jedoch sind die Besitzer so geschockt und traumatisiert, dass sie auf diese wichtige Untersuchung verzichten.

Für künftige Fälle ist das Doggen-Netz sogar bereit, die Kosten für eine pathologische Untersuchung solcher Doggen zu übernehmen (natürlich erst nach Rücksprache), wenn wir dadurch nur etwas mehr erfahren, um diesem großem Problem wirkungsvoll begegnen zu können.

Die Ahnen dieser Hündin: über die Mutterlinie findet sich in der 3. Generation Darcy vom Leininger Land; und über die Großmutter in der 4. Generation noch einmal Terputanski’s Lorbas.

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die genannten – und als aggressiv bekannten – Hunde, die alle auf die sogenannten Trautheim-Hunde zurückgehen, bisher lediglich eine Gemeinsamkeit sind, welche die betroffenen Doggen in ihren Ahnen aufweisen. Ob diese Ahnen und in welcher Form ursächlich für die Verhaltensauffälligkeiten und Aggressivität sind, wissen wir nicht und behaupten wir auch nicht. Außerdem kann diese Abstammung allein nicht ursächlich sein, denn es gibt sicherlich Hunderte von blauen Doggen, die sich auf diese Linie zurückführen lassen. Und nur vergleichsweise wenige davon werden auffällig. Es bedarf also offensichtlich einer ganz bestimmten Konstellation und sicherlich weiterer auslösender Faktoren. Aber welche?

Wann wird endlich etwas unternommen?
Eine umfassende Dokumentation der bisherigen Fälle wird derzeit erstellt, um sie dem DDC-Zuchtausschuss vorzulegen. Es ist nur zu hoffen, dass die Verantwortlichen beider Verbände jetzt ganz rasch reagieren, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um die Ursachen für diese Aggressivität zu erforschen, und sofortige und umfängliche Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Schlimm an der Sache ist, dass diese Gefahr zuchtintern vielen und schon lang bekannt war. Und wer die „Bräuche“ im Rahmen von Zuchtzulassungsverfahren kennt, den wundert’s wenig. Eine Jungrüden-Besitzerin berichtet, dass ihr vom Züchter angeboten wurde, ihren problematischen Rüden für die Zuchtzulassung unter Beruhigsmittel zu stellen. Das wollte sie aber nicht. Dieser Rüde ist einer der oben zitierten Fälle!!!

Lang ist das Problem der „Aggressionszucht bei den Blauen“, wie es eine Züchterin uns gegenüber nannte, bekannt. Und keiner hat etwas dagegen unternommen. Hier geht es um Menschen und deren Gesundheit. Andere Hunde und die Doggen selbst sind gefährdet. Aber schreibt man betroffene Züchter wie im letzten Fall an, erhält man nicht einmal eine Antwort.

Wir haben lange gezögert, diesen Artikel zu schreiben und zu veröffentlichen. Wir tun es jetzt, weil die Beweislast ziemlich eindrücklich ist. Und die Gefahr nicht nur für das Image der Deutschen Dogge, für die in Bayern schon der Listenhund-Status diskutiert wird, ist immens. Wie viele Menschen sollen noch gefährdet werden, wie viele Arme zerbissen, andere Hunde schwerst verletzt, die Lebensqualität von Doggenhaltern zerstört, wunderschöne, teils noch junge Doggen euthanasiert werden müssen, bis die Verbände endlich etwas unternehmen?