Jung – krank – tot? Krümel-Memorial III

Hunde- und Halterleiden – prämortal

Man könnte eine recht zynische Diskussion darüber beginnen, welcher Doggenhalter besser dran ist: der, dessen Doggen von einer Sekunde auf die andere einfach tot umfällt (Herzversagen; auch hierzu gibt es erschreckend viele Fälle!), oder jene, die viele Monate, manchmal Jahre lang ihre schwerkranken Hunde tierärztlich behandeln lassen, betreuen, pflegen und dann die letzte, meist eine gnadenvolle Entscheidung treffen müssen.
Aber in dieser Wahl kann die Alternative eigentlich nicht liegen?

Nachstehend findet sich der Erlebnisbericht einer Doggenhalterin, die es jetzt schon zum zweiten Mal in Serie trifft. Hier liegt im Dreischritt „jung – krank – tot“ hoffentlich ein langer Zeitabschnitt zwischen „krank“ und „tot“; wissen kann das keiner. Aber auch das Wandern über das Doggenbiographiefeld „krank“ ist Anklage genug gegen eine Zucht, die solche Biographien wieder und immer wieder hervorbringt.

Der hier beschriebene Arthrose-Hund ist selbstverständlich eine Verbandsdogge. Die Ahnentafel liegt mir vor. Da finden sich die berühmtesten Championrüden wider, die gigantische Zahlen von Nachkommen zeugen durften.

Und zur Erläuterung: der Begriff „Arthrose“ bezeichnet eigentlich eine Alters- und Verschleißerscheinung! Wenn gerade erst ausgewachsene Doggen (hier: 2 Jahre) mit einer derart gravierenden Diagnose befundet werden müssen, stimmt ganz gravierend etwas nicht!!! Und man lasse sich nicht irre machen durch das Fütterungsargument! In all diesen Fällen nämlich rufen Züchter zuerst einmal aus: „Falsch gefüttert!“ Das Aufzuchtsfutter in diesem Fall stammte von einem Züchter. Und derjenige, der hier weitergefüttert hat, ist ein ausgefuchster Ernährungsphysiologieprofi mit medizinischer Ausbildung!!! Allerdings wirft es auch einen Berg von Fragezeichen auf, wenn Besitzer von Welpen dieser Rasse erst einmal ein halbes Studium zum Thema Hundeernährung ablegen müssen, bevor sie den Hauch einer Chance haben, diese Hunde gerade und lebensfähig hochzubringen.

Hier der Erlebnisbericht: [Zitat Anfang]

Canco und Artros, zwei Doggenschicksale

Im wirklichen Leben hiess Canco nicht Canco. Ich habe seinen Namen hier geändert, um seine Persönlichkeitsrechte zu wahren.
Er hatte gar keinen Namen. Er hatte auch kaum ein Leben.
Einen Namen bekam er in dem Tierheim, von dem mein Mann und ich ihn Anfang 2000 übernahmen. Vorher war er Zuchtrüde in einer Vermehrungsanstalt, die im Herbst 1999 durch geballtes Medieninteresse zu trauriger Berühmtheit kam. Massen von Doggen gingen damals auf Pflegestellen und Tierheime nieder. Nicht alle überlebten.
Canco war ein Überlebender.
Canco hatte auch kein Alter. Zunächst, wohl als Zugeständnis an seinen verheerenden Zustand, wurde er auf 4 Jahre geschätzt. Unser Tierarzt schätzte später mindestens 6, eher 8 Jahre.
Im Tierheim hatte man den 88 cm grossen Rüden immerhin schon auf 67 kg aufgepäppelt.
Nach weiterem Päppeln und vorsichtigem Training bei uns wog er schliesslich 78 kg.
Er war nicht stubenrein, hatte Durchfall, litt unter Ohrmilben und schlug sich die Ohren an den Wänden blutig und hatte einen Präputialkatarrh.
Etwa ein halbes Jahr kämpften wir mit seiner ausgeprägten Klaustrophobie und seinen regelrechten Angstpsychosen. Er wollte nicht spazieren gehen. Wenn ein Ast knackte, warf er sich auf den Boden und rührte sich nicht mehr. Ins Auto stieg er natürlich nicht ein, jeder Türrahmen musste regelrecht überwunden werden.
Mit der Zeit rückte sich alles zurecht. Wir haben uns da regelrecht durchgebissen. Auf anschauliche Schilderungen einzelner Dramen und ihrer Auflösung möchte ich an dieser Stelle verzichten. Eins steht fest, dieser Hund war mindestens ein Gesellenstück.
Im Winter 2001 fing Canco an, leicht auf einem Vorderbein zu lahmen.
Vielleicht hatte er sich vertreten. Aber die Lahmheit verschwand auch mit Ruhe nicht. Es zeigte sich eine leichte Schwellung am Karpalgelenk.
Da hat er sich wohl doch einen der vielen kleinen Knochen im Karpalgelenk angeknackst, dachte ich. Soll ihn der Tierarzt röntgen, wenn er die Ursache nicht tasten kann.
Anfang Februar 2002 wurde das Gelenk geröngt. Canco hatte ein Osteosarkom, zu Deutsch Knochenkrebs. Inoperabel. Erwartete Lebensdauer ungewiss, mit viel Glück und Schmerzmitteln bis zu einem dreiviertel Jahr vielleicht.
Die Diagnose wurde von einer Tierklinik bestätigt, die sein Karpalgelenk noch einmal digital röngte. Prognose s.o.
Ein letzter Versuch mit naturheilkundlichen Mittel brachte leider auch nichts. Canco hatte keine Zeit mehr, der Schmerz wurde rasch stärker, das Gelenk schwoll.
Ende Februar wollte er nicht mehr. Seinen letzten Tag haben wir ihm mit starken Schmerzmitteln versüsst, damit er noch einen kleinen Spaziergang im Tageslicht machen konnte. Auch das Medikament liess ihn nicht völlig schmerzfrei laufen, aber doch etwas besser. Am Abend haben wir ihn erlöst.

Es war schwierig, sich wieder für eine Dogge zu entscheiden. Schliesslich war Cancos Krankheit in Doggenkreisen nichts Exotisches, ja, sein geschätzes Alter fast schon biblisch.
Das Schicksal hat es so gewollt, dass sechs Wochen nach Cancos Abschied eine grosse Mischlingsdame, auch aus einem Tierheim, bei uns einzog.
Nachdem diese auch schon erwachsene Hundedame sich bei uns eingewöhnt und eine Prise Erziehung genossen hatte, gönnte das Schicksal uns und ihr einen Kumpel.
Dem Doggennetz war gerade ein junger Rüde gemeldet worden, der wegen einer ernsten Erkrankung im Besitzerhaushalt schweren Herzens abgegeben werden sollte. Man konnte ihm nicht mehr gerecht werden.
Ich nenne diesen Rüden hier Artros.
Artros war 14 Monate alt, als er bei uns einzog. Ein Bild von einem Rüden, gerade, gute Anlagen für Bemuskelung erkennbar, ein Kopf zum Verlieben. Er war der verwöhnte Mittelpunkt der Familie, bestens auf Kinder sozialisiert und freundlich. An Katze und Pferde gewöhnte er sich, mit unserer Hundedame wurde er ein perfektes Paar.
Wir stellten ihn langsam vom Flockenfutter, dass der Vorbesitzer immer beim Züchter gekauft und uns freundlicherweise mitgebracht hatte, auf das von uns bevorzugte Frischfleisch mit Beilagen um.
Mit zunehmendem Laufpensum und viel Spiel mit seiner Kumpelin wurde er immer muskulöser.
Irgendwann konnte ich aber nicht mehr darüber hinwegsehen, dass Artros vorne minimal lahmte.
Ausser mir sah das niemand, alle lobten sein elegantes, federndes Gangwerk. Ich hatte wohl einen Knick in der Optik und sah durch das vorangegangene Canco-Trauma schon Gespenster. Auch hatte ich mich extra für einen jungen Rüden entschieden, damit mir mit ihm mehr gemeinsame Zeit verbleibt als mit Canco. Zwei Oldies hintereinander wollte ich mir nicht zumuten.
Verdrängen klappte aber auf Dauer nicht. Zweimaliges Röntgen in der Tierklinik brachte die Hammerdiagnose: schwere Arthose in beiden Schultergelenken. Ein Schultergelenk ist in der Auflösungs- das andere bereits in der Umbauphase.
Mein Artros ist gerade erst zwei Jahre alt geworden!
Prognose: schwierig. Ein Erreichen des statistischen Durchschnittsalter von Doggen ist ohne unzumutbare Schmerzen so gut wie sicher ausgeschlossen, eine Operation wahrscheinlich auch.
Es gibt einige Mittel, mit denen man Arthrose erträglicher machen und ein wenig ausbremsen kann. Er wird wohl in Zukunft sein Fleisch unter den zahlreichen Kräutern nur noch mit Mühe ausmachen können.
Das Laufpensum muss herunter. Für ihn als sportliche und sehr durchtrainierte Dogge ist das nicht einfach. Mit einem Zweijährigen kann man auf Dauer keine Seniorenspaziergänge machen. Da werden wir uns vortasten, mit wie wenig er geade noch zufrieden ist.

Die Zeit, die uns mit Artros noch bleibt, werden wir geniessen.

Und nach seinem viel zu zeitigen letzten Tag werde ich mich wieder einmal fragen, ob ich mich wieder für eine Dogge entscheiden werde.

N. Taphorn
[Zitat Ende]