Doggenerziehung und der Fuß der Kaiserin
Ich glaube ja, bei einzelnen Doggenforen im Internet muß man als Zugangsvoraussetzung ein geheimes Gelübde ablegen: „Hiermit gelobe ich Stein und Bein, ja nicht und niemals und nicht bei den schwierigsten Wörtern und Begriffen einen Duden oder ein Lexikon zu Rate zu ziehen oder mich sonstwie in die bedrohliche Nähe von linguistic correctness zu begeben!“ Die Toleranz gegenüber Rechtschreibfehlern hat dort auch schon längst die Metamorphose zur bildungsneidgetränkten fanatischen Aversion gegenüber intakter Schreibe oder jenen, die gelegentlich sanft an solche zu gemahnen wagen, hinter sich. Der kühne Mut mancher Autoren, die orthographische Verstümmelung bis zum Exzeß und noch weit hinter die Grenzen des gerade eben noch Verständlichen zu treiben, weist die Angehörigen einer anderen und untergehenden Klasse in die Schranken stiller Demut. Wer in der Lage ist, mehr als zwei fehlerfreie Sätze hintereinander zu editieren, unterstellt sich dem Verdacht, Mitglied des erlesenen DÄQ zu sein, mindestens aber, mit der Burger zu sympathisieren.
Gelegentlich aber steigen aus dem orthographischen Koma Stilblüten auf, deren göttliche Köstlichkeit einem vor Lachen unter den Schreibtisch kullern läßt. So berichtet jüngst eine Doggenfreundin in einem Forum von den Erziehungsproblemen mit ihrem Hund, dem irgendwelche Lästigkeiten abzugewöhnen ihr derartige Mühen abverlangt, daß sie sich zum Zwecke der Evokation adäquater Bildlichkeit auf die griechische Mythologie zurückzugreifen folgendermaßen genötigt fühlt:
Gemäß dem Gelübde ohne Nachschlagewerk-Rückgriff! Volltreffer!
Nicht nur Doggen erfolgreich zu erziehen, sondern auch die Qualen dabei verständlich zu beschreiben, scheint in der Tat ein der Biographie des Sisyphos (alternativ auch: Sisyphus), Sohn des Aiolos, Erbauer der Stadt Korinth und bekannter Büßer in der Unterwelt, verwandtes Unterfangen. Dem einen kullert ein schwerer Felsbrocken, mit großer Kraftanstrengung auf die Anhöhe gerollt, immer wieder zurück, der andere kriegt indoor seine Dogge nicht von den Hacken.
Nun ist aber genug mit der arroganten Überheblichkeit! Anthroposophisch-spastisch wollen wir versuchen zu verstehen, denken uns hinein, wollen wohl. Vielleicht haben die Leiden der Autorin gar nichts mit dem Unterweltsepp zu tun? Wie spalten das Kompositum in „sissi“ und „fuss“. Aaah, der Nebel lichtet sich! Erste Deutungsmöglichkeit: die Autorin besaß einst eine Doggenhündin mit dem Namen „Sissi“. Dieser „Sissi“ das Kommando „fuß!“ beizubringen, war eine schwere Arbeit. Seither assoziiert sie vergleichbare Mühen vollkommen korrekt mit „sissifuss-arbeit“.
Zweite Deutungsmöglichkeit, hier sogar sehr wahrscheinlich, ist eine subtile Anspielung auf die österreichische Kaiserin Elisabeth, Tochter des Herzogs Maximilian in Bayern, hollywoodschinkentechnisch aufbereitet in dem klassischen Sissi-Dreiteiler. So weit, so gut. Aber was machen wir mit dem Fuß? Offensichtlich scheint die Autorin dieses funkensprühenden Diktums über bisher historisch noch nicht dokumentierte Detailkenntnisse bezüglich einer Fesselgelenksschwäche eben dieser Kaiserin zu verfügen. „Sissifuss arbeit“ ist demgemäß eine tragische Tätigkeit auf schwachen Beinen von weitreichender Bedeutung. Kommt also ähnlich raus wie beim ursprünglichen Sisyphos und hat ganz klar und dringend etwas mit Doggen zu tun.
Die Bedeutungskomponenten „Vergeblichkeit“, „Unerreichbarkeit“, „Vergangenheit“ des Diktums initialzünden eine Fülle folgenreicher weiterer Assoziationen zwischen Dogge und der österreichischen Monarchie, aus der herauszugreifen wir nur eine wählen:
Dogge und Adel – Tempi passati, in der Tat!
Diese Analyse zeigt: mit entsprechendem good will läßt sich auch dem größten Stuß noch irgend ein konstruktiver Sinn entlocken. Oder haben Sie jetzt etwa nicht gelacht?