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Aua741: Medien stürzen sich auf Animal-Hoarding-Thema

 

{TS-Kritik}

 

Ein bisschen Loch im Sommer ist noch. Und die so heiß begehrte wissenschaftliche Grundlage für dieses Thema gibt es jetzt auch: Tina Susanne Sperlin promovierte über Animal Hoarding: Das krankhafte Sammeln von Tieren. Aktuelle Situation in Deutschland und Bedeutung für die Veterinärmedizin. Hannover, Tierärztliche Hochschule, Dissertation 2012 (pdf hier).

Schon seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass das Thema vom Privatfernsehen  aufgegriffen wird. Dabei lässt die Art der Themenbearbeitung gelegentlich zu wünschen übrig.  Zu Kontroversen und sogar einer einstweiligen Verfügung gegen einen kritisierenden Tierschützer hatte kürzlich eine Sendung des RTL-Magazins EXTRA geführt (vgl. Aua724 und hier).

Ein anderes Beispiel der Privaten hier: Thorsten S.: 50 Katzen auf 15 Quadratmeter, unkastriert. Der Halter ist einsichtig. Der Münchner Tierschutzverein übernimmt nach behördlicher Anordnung die Tiere, die immerhin nach den gezeigten Bildern körperlich in gutem Zustand sind.

 

AHO-Linkliste mit 80 Einzelmeldungen

Animal-Health-online (AHO) gab vor einigen Tagen ebenfalls eine aktuelle Meldung zum Thema heraus und nannte Zahlen aus der Sperlin-Dissertation. Demnach sind Katzen (50,8 %) und Hunde (45,2 %) am häufigsten Opfer der krankhaften Tiersammler.

Am eindrucksvollsten jedoch ist die der Meldung unten angefügte Linkliste zu Einzelmeldungen über Animal-Hoarding: sage und schreibe 80 Meldungen / Fälle, zu denen auch die ganz großen Skandale wie Zarenhof und Gnadenhof M. gehören.

 

Persönlichkeitsprofil „Rettertyp“

Sperlins Dissertation listet auch die sozialen Merkmale der Animal Hoarder: Mehr als zwei Drittel seien Frauen im Altersdurchschnitt von 50 Jahren. Knapp die Hälfte davon Singles. Alle Berufsschichten seien vertreten sowie Tätigkeitsfelder, die mit Tieren zu tun haben. Drei Viertel (!) der Tierhalter waren nicht berufstätig, also arbeitslos, in Rente oder arbeits- bzw. erwerbsunfähig.

Im Kapitel „Typologie und Persönlichkeitsprofil der Tierhalter“ wird der  „Rettertyp“ beschrieben:

              

Der Typ des Retters wies sich durch ein starkes missionarisches Bedürfnis aus, die Tiere zu retten, was bei den untersuchten Tierhalter/innen zu einem unvermeidbaren Zwang zu führen schien. Eine ausgeprägte Angst vor dem Tod (der Tiere und des eigenen) war vereinzelt erkennbar. Euthanasien und Amputationen wurden weitgehend abgelehnt.

Die Tierhalter/innen vertraten häufig die Meinung, selbst die einzige fähige Person für die Pflege der Tiere zu sein. Teilweise wurden ausgedehnte Netzwerke zu anderen Gleichgesinnten geschaffen.

Eine anfängliche Rettungsabsicht, die mit der Aufnahme eines Tiers ende, werde allmählich durch eine ausschließliche Rettungsabsicht ersetzt, erklären Patronek, Loar und Nathanson (2006, 19). Die Tierhalter/innen neigten dazu, sich und/oder die Tiere zu verstecken, um die Beamten zu meiden und den Zutritt zu erschweren.

(Sperlin, Tina Susanne: Animal Hoarding: Das krankhafte Sammeln von Tieren. Aktuelle Situation in Deutschland und Bedeutung für die Veterinärmedizin. Hannover, Tierärztliche Hochschule, Dissertation 2012. https://elib.tiho-hannover.de/dissertations/sperlint_ss12.pdf; Hervorhebung d. Red.)

              

Sperlin bestätigt wissenschaftlich die Merkmale, die insbesondere auch von Doggennetz.de immer wieder genannt und kritisiert werden: missionarisches Bedürfnis, ausgesprägte Angst vor dem Tod, Netzwerke Gleichgesinnter, die Rettungsabsicht verfehlt das Wohl des Tieres.

 

Tierschutzrechtlich kann das Problem nicht gelöst werden

Den Schwerpunkt auf dem Krankheitsaspekt hebt Focus in seinem aktuellen Artikel hervor Animal Hoarder verlieren die Kontrolle: Hunderte Deutsche sammeln zwanghaft Tiere.

Focus berichtet dabei lösungsorientiert und weist darauf hin, dass es nichts bringt, den Sammlern die Tiere einfach wegzunehmen. Hier müssen Behörden und Ärzte kooperieren. Allerdings sei das Phänomen bei Letztgenannten noch nicht hinreichend bekannt, wie Sylvia Heesen von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (tvt) zitiert wird.

Abgesehen von dem nicht einfach zu lösenden Tierleid entstehe auch enormer wirtschaftlicher Schaden.

Sperlins Dissertation gibt jedoch Behörden, Institutionen und interessierten Personen ein 10-Punkte-Konzept an die Hand, wie solche Fälle angemessen zu bearbeiten sind.

Die „Bearbeitungsvariante“ oben genannter Privatfernsehsender und dort mit agierender Tierschützer ist nicht dabei …

 
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Doggennetz.de-Senf:

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn die Problematik als solche durch die aktuelle Aufmerksamkeit der Medien weiteren Bevölkerungskreisen bekannt und auch den Tierschützern selbst stärker bewusst wird. Vielleicht beherrschen sich dann die einschlägigen Tierschutzseifen-Oper-Produzenten wie Vox hundkatzemaus oder WDR Tiere suchen ein Zuhause künftig und bewerben nicht auch noch die Tierhortung (z. B. Aua23).

Nach wie vor erntet der stolze Hinweis auf hohe Tierbestandszahlen in den einschlägigen Kreisen viel zu oft Sozialprestige: Umso mehr Tiere gehalten, besser noch gerettet werden/wurden, desto tierlieber soll der Halter / Retter sein?

Das Gegenteil ist der Fall!

Auch die Tierschützer selbst müssen sich und die Kollegen kritisch beobachten und Bestände in vernünftigen Quantitäten halten (vgl. dazu auch Aua28). Und bei der Vermittlung von Tierschutztieren muss der eitle Hinweis von Bewerbern auf schon vorhandene viele Tiere zum Ausschlusskriterium werden.

Trotzdem steht zu befürchten, dass die aktuelle mediale Aufmerksamkeit auf diesem Thema zugunsten der Effekthascherei wenig differenziert zu schlimmen Kollateralschäden führen wird. <<Der Fall von Frau F. in der Nähe von Rostock> ist dafür ein lehrreiches Beispiel.

Positiv könnte jedoch sein, dass Doppelanführungszeichen-Tierschützer wie Gesa K. ober Barbara B. auch von Szenefremden und Dritten aufgrund der markanten Bestandszahlen schneller als das erkannt werden, was sie sind!