Aua707: Huismanns Schwarzbuch WWF: Grundwahrer Focus-Artikel

{TS-Kritik}

 

Es beruhigt. Immerhin scheinen doch die einen oder anderen mitzukriegen, dass unsere Gesellschaft nicht nur in den Bereichen Politik und Euro in Gefahr ist! Ein bitterwahrer Artikel von Uwe Wittstock zur aktuellen Situation von Autoren, Journalisten und Publizisten erschien am Freitag bei Focus: Kontroverse Bücher: Selbstzensur aus Angst vor Anwälten.

 

Schwarzbuch WWF als Lehrstück

Die bisher noch gar nicht lange, dafür aber sehr bewegte Historie des Schwarzbuch WWF von Wilfried Huismann dient dabei als illustratives Lehrstück zur Presse-, Meinungs- und Autorenfreiheit in Deutschland.

Das Phänomen: „Wer über Geld für gute Anwälte verfügt,“ – etwa NGOs und Vereine – „kann offenbar unliebsame Bücher vom Markt drängen“ (Quelle).

Dass kritische Publikationen zu den Umtrieben von zum Beispiel Vereinen mit juristischem Instrumentarium vom Markt gedrängt und Neuauflagen verhindert werden können, das zeigte für den Doggennetz.de-Themenbereich das Beispiel Die Spendenmafia von Stefan Loipfinger. Aber auch in vielen anderen Themenbereichen sind ähnliche Fälle nachweisbar.

Wittstock erklärt, wie die Markt-Mechanismen dabei funktionieren. Es reicht schon eine Ankündigung des WWF an Buchgroßhändler zu möglichen rechtlichen Konsequenzen – und schon nehmen viele das „Schwarzbuch“ aus ihrem Angebot.

 

Eine Zensur findet statt:
Schwarzbuch und Spendenmafia keine Einzelfälle

Von diesen Mechanismen zur Verhinderung der Presse-, Meinungs- und Autorenfreiheit sind jedoch nicht nur Sachbücher betroffen. Den Weg raus aus einer freien Gesellschaft weist auch das Schicksal des Romans von Maxim Biller „Esra“. Weil eine Klägerin sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sah, wurde der Roman 2007 endgültig verboten. Dazu gibt es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

 

Autoren gehen in die Knie

Wittstock verweist auf die einschneidenden Folgen, welche die Esra-Entscheidung für die Literaturfreiheit hat. Denn 2011 seien mindestens zwei weitere Romane vom Buchmarkt zurückgezogen worden, weil sie angeblich Persönlichkeitsrechte verletzen und Kläger juristische Schritte ankündigten. Dabei: Darüber, ob Romane tatsächlich Persönlichkeitsrechte verletzen oder nicht, hat nie ein unabhängiges Gericht entschieden“ (Quelle).

Mit folgender Forderung sattelt Wittstock kritischen Autoren eine hohe Last auf den Buckel:

              

Auch in diesen Fällen war – wie bei Huismann und seinem „Schwarzbuch WWF“ – die Bereitschaft nicht groß, für die Literatur- bzw. Meinungsfreiheit juristisch zu kämpfen. Die Beteiligten haben sich auf diese Weise viel Arbeit und Ärger erspart. Der Wunsch ist verständlich. Doch lassen sich hohe Rechtsgüter wie Literatur- und Meinungsfreiheit auf derart konfliktscheue Weise nicht verteidigen. Und wenn wir uns nicht für sie einsetzen, werden wir sie verlieren.

(Uwe Wittstock: Kontroverse Bücher: Selbstzensur aus Angst vor Anwälten. Focus 06.07.2012) 

              

 

Wie konfliktscheu ist Doggennetz.de?

Gerade dieser Woche – wie berichtet (Aua707) – war auch Doggennetz.de wieder aufgerufen, die oben genannten wichtigen Werte zu verteidigen. In diesem Fall haben Presse- und Meinungsfreiheit gewonnen. Doch was tun, wenn Akteure und Kläger nicht willens oder in der Lage sind, den Unterschied zwischen Kritik und Verleumdung zu erkennen?

Und leider lassen die Äußerungen der Antragstellerin aus Aua707 den Rückschluss zu, dass sie die Botschaft des Richters eben nicht verstanden hat und stattdessen den Kampf mit illegitimen Mitteln (pikanterweise: massive persönliche Verleumdungen) fortsetzt.

Den juristischen Auseinandersetzungen könnte man im Bewusstsein sorgfältiger Formulierungen und vorliegender Belege und Beweise noch gelassen entgegensehen. (So wie Doggennetz.de diesen, durch eine erfolgte Abmahnung schon zu befürchtenden und  im Kontext mit dem offenen Brief an das Bundeskriminalamt stehenden gerichtlichen Klärungen  (Aua697) entgegensieht.)

Stufe 2: Blanker Terror

Aber was ist zu tun, wenn Kritisierte den Rechtsweg verlassen und lückenlos auf blanken Terror umschalten: Drohmails, Schmähkritik, Mordaufrufe, Morddrohungen? Wenn sie sich dabei Internet-Plattformen bedienen, die gerichtlich zehnfach bestätigt außerhalb von Recht und Gesetz und auch außerhalb unserer Gesellschaft stehen? Wenn sie blank mit Gewalt und Tod drohen?

Wo, Kollege Wittstock, verläuft die Grenze zwischen der von Ihnen geforderten Werteverteidigung und dem zur Lächerlichkeit hinneigenden Märtyrertum der von außen leichthin und unreflektiert  als unbelehrbar wahrgenommenen Autoren? Wo ist die Solidarität der Publizistik, wenn kleinere Lichter als ein Wilfried Huismann ausgeblasen werden? Goutiert die Gesellschaft diese fundamentale Werteverteidigung? Für Doggennetz.de kann diese Redaktion das auch aus der Doggennetz.de-Leserschaft – leider – bisher nicht in befriedigendem Ausmaß feststellen; von einzelnen rührenden Ausnahmen abgesehen!

Platznot im Doggennetz.de-Giftschrank

Die von Ihnen getitelte „Selbstzensur aus Angst vor Anwälten“ ist nicht nur bei Doggennetz.de schon längst Redaktionsrealität. In unserem Giftschränkchen ruhen mehrere hochbrisante Artikel über namhafte Großorgas, deren Veröffentlichung wir erst wagen, wenn andere Verfahren abgewickelt sind oder wenn wir das stimmungsmäßige Endstadium von Jetzt-iss-eh-schon-egal erreicht haben.

Oder – und das ist organisatorisch präzise geregelt – wenn dieser Redaktion etwas passieren sollte …

Und warum bitte sollen einzelne Autoren den Helden mimen, wenn große Verlage und große Zeitung so leicht wie hier (Aua644) in die Knie gehen?

Weitere Doggennetz.de-Artikel zu WWF und <Schwarzbuch>:

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