Aua608: Tiere suchen ein Zuhause – Claudia Ludwig: Stilecht bis zum Schluss!
{TS-Kritik}
Wie es wieder passt: In Aua607 ging es auch um die Sendung Tiere suchen ein Zuhause. Kaum ist der Artikel online, erreicht diese Redaktion folgende Pressemitteilung: Einladung zum Pressegespräch anlässlich der Ausstrahlung der letzten von ihr moderierten Sendung am 29. April 2012. Wer lädt? Claudia Ludwig.
Wer möchte schon gern sein Sprachrohr verlieren?
Die Einladung bezieht sich auf die zahlreichen Presseberichte über die Kündigung der „bekannten Journalistin und Fernsehmoderatorin“. Claudia Ludwig möchte die „allerletzte“ Sendung zum Anlass nehmen, sich zu diesem Thema zu äußern und die eine oder andere Frage zu beantworten.
Journalistisch ist der Termin von ausgesuchter Sinnlosigkeit. Zu Tiere suchen ein Zuhause kann Claudia Ludwig nichts mehr sagen. Es sei denn, es sind noch Rechnungen mit dem WDR offen. Ob und was sie künftig im Bereich Tierschutz beruflich machen wird, ist bis dato noch nicht bekannt. Wenig überraschend wäre ein Botschafter-Posten bei einer Drei-Buchstaben-Orga.
Journalistisch interessant wäre allenfalls ein „Pressegespräch“ mit der- oder demjenigen, der künftig die Sendung moderiert; nicht mit der Person, die sie in der ab Sonntag geltenden Vergangenheit moderiert hat.
Der in der Pressemitteilung gewählte und unnötige Superlativ „allerletzen“ (Sendung) gibt sich passend zur geliebten tierschützerischem Melodramatik. Die „letzte“ Sendung hätte es auch getan! Im Übrigen scheint Claudia Ludwig in der Panik des Verlustes der Ich-bin-wichtig-Position etwas zu verwechseln: Journalisten, das sind die Jungs, die zu einem Pressegespräch HINGEHEN, nicht diejenigen, die dazu EINLADEN.
Dennoch beruhigend in der Einladung: „An der Entscheidung des WDR haben auch die anhaltenden unglaublich zahlreichen und engagierten Proteste seitens Zuschauer und Fans der Sendung sowie der gleichfalls betroffenen Tierschutzorganisationen nichts geändert.“
Enthüllend in der Formulierung ist hierbei: „der gleichfalls betroffenen Tierschutzorganisationen“.
Ach. Tatsächlich? Wird die Sendung denn abgeschafft? Bisher war nur die Rede vom Moderatorenaustausch. Die Sendung als solche bliebe erhalten, kommunizierte der WDR (vgl. Aua537). Warum sollen vom reinen Moderatorenwechsel die Tierschutzorganisationen „betroffen“ sein?
Nichts verstanden?
Nach Meinung dieser Redaktion erklärt sich deren „Betroffenheit“ aus exakt dem Kritikpunkt von Doggennetz.de an der Sendung und deren Moderatorin. Von Journalismus, das heißt kritischer Distanz, war nämlich nach diesseitiger Auffassung nichts mehr wahrzunehmen. Das genau ist/war ja das Problem!
Nicht nur Doggennetz.de nahm Claudia Ludwig als unkritisches Sprachrohr der Tierschutzorganisationen wahr. Und das in einer Zeit, wo eine sich überschlagende Fülle von Skandalen in der Tierschutzszene zeigt, dass der kritische Blick auf das tierschützende Gegenüber mehr als notwendig ist.
In den Räumlichkeiten der Lobbyisten
Aber Claudia Ludwig hat keinerlei Bewusstsein für diese Problematik, unterstellt die DN-Redaktion. Wie sonst würde sie sich den unglaublichen Patzer erlauben, zu diesem Pressegespräch ausgerechnet in die Räumlichkeiten eines der größeren Tierschutzverbände einzuladen? Das Pressegespräch fände statt im Tierheim Köln-Dellbrück vom Bund gegen Missbrauch der Tiere.
Gratulation, Frau Ludwig: Stilecht bis zum Schluss! So bleiben Sie sich treu!
Solche Peinlichkeiten können sich Akteure auch nur im Tierschutz erlauben. Die meisten Gäste werden gar nicht verstehen, wo hier das Problem liegt.
Dabei braucht man es nur in andere Themenbereiche zu übertragen. Dann wird ziemlich rasch deutlich, welcher Fauxpas dahinter steht:
Ein Journalist für den Themenbereich Gesundheit lädt zum Pressegespräch in die Räume des Bayer-Konzerns ein.
Ein Journalist für den Themenbereich Finanzen lädt zur Abschiedsparty unter einer Adresse der Deutschen Bank.
Ein Moderator eines Politikmagazins beantwortet die letzten Fragen im Willy-Brandt-Haus.
Und die Moderatorin einer Ernährungsberatungssendung möchte ihre Fans in den Räumlichkeiten von Müller-Milch begrüßen.
Letzte Reanimation des Mythos von der guten Tat
Den Mythos, dass Tierschutzverbände an erster Stelle die Interessen der Tiere vertreten, mussten alle wachen Tierfreunde schon vor langer Zeit beerdigen, spätestens bei den Skandalen um das Deutsche Tierhilfswerk, den Hamburger Tierschutzverein und der endlosen Reihe nachfolgender Enthüllungen. Und wer es bis dahin noch nicht begriffen hatte, für den war es ab November 2011 in Stefan Loipfingers Buch Die Spendenmafia nachlesbar.
Die großen Tierschutzorganisationen sind Interessensverbände mit Einnahmen in Millionenhöhe. Diese Einnahmen, die Art ihrer Generierung und insbesondere die Ausgaben sowie die praktische Arbeit verdienen den kritischen journalistischen Blick. Gästen ist diese Kritik schon aus Höflichkeit versagt.
Und hinter diesen großen Tierschutzorganisationen stehen – inzwischen sogar unverhüllt – die ganz großen Konzerne. Ein Tierheimleiter des bmt ist „Moderator“ bei der von Mars Petcare gesponserten Tiersendung hundkatzemaus; und der bmt selbst tritt immer wieder in dieser Sendung auf, die mit Tierschutz ungefähr so viel zu tun hat wie die Kuh mit dem Champagner (Werbung für Züchter; Werbung für Exotenhaltung etcpp.)
Und wehe die kritische Journaille fragt eingehender nach den Verbindungen zwischen den großen Konzernen und den großen Tierschutzverbänden. Dann passiert dies hier und das und das!
Komplette Kritiklosigkeit und grenzenlose Naivität
Der durchschnittlichen Journaille ist die enorme Komplexität und Problematik des aktuellen Tierschutzes nicht vertraut. Und das ist nicht zuletzt ein Arbeitsergebnis von Claudia Ludwig, die unablässig und völlig kritiklos am Mythos der guten Tierschützertat gestrickt hat. Fast alle großen Skandale der Tierschutzszene wurden in Tiere suchen ein Zuhause ausgeklammert. Was die Journalistin Claudia Ludwig allein zum Thema Zarenhof zu sagen hatte, deren Betreiberin Gast in ihrer Sendung gewesen war, hat so manchen Tierfreund fassungslos gemacht.
Wann endet die Tierschutz-Folklore der Journaille?
Es steht zu befürchten, dass die Berichterstattung auch hier wieder nicht über sentimentale Tierschutz-Folklore hinauskommt! Ganz im Interesse der großen Tierschutzorganisationen! Da ist die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten für eine gechasste Moderatorin doch wohl das Mindeste …
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