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Aua580: Ukraine: Widersprüchliche Angaben von PETA und ETN zur Situation in Donezk

{TS-Kritik}

 

Um so länger der Spendenmarathon unter der Überschrift Hundetötungen in der Ukraine läuft, desto häufiger kommt es zu eigenartigen Widersprüchen in den Aussagen der verschiedenen großen Tierschutzorganisationen, die jede für sich den großen Durchbruch bzw. die behauptete Einflussnahme auf die Situation vor Ort reklamiert.

 
Deutscher Tierschutzbund e. V.: Wir haben es gewuppt!

Aktuell informiert der Deutsche Tierschutzbund e. V. in seinem Newsletter 3/12:

              

Als erste Tierschutzorganisation hat der Deutsche Tierschutzbund mit dem stellvertretenden Bürgermeister von Kiew, Oleksandr Mazurchak, einen Vertrag unterzeichnet, um die Straßenhunde-Population der Stadt Kiew mit tierschutzkonformen Maßnahmen langfristig zu reduzieren. Mit dem Konzept „Fangen, Kastrieren und Freilassen“, welches der Verband bereits in seinem Tierschutzzentrum in Odessa anwendet, soll die Population von Straßenhunden in Kiew tierschutzgerecht und nachhaltig begrenzt werden.

(Deutscher Tierschutzbund e. V., Newsletter 3/12: „Hundetötungen: Erfolg für Straßenhunde in Kiew“; Hervorhebung d. Red.)

              

Dass aber die „Erfolgsmeldungen“ des DTB zur Situation in der Ukraine mit Vorsicht zu genießen sind, wurde schon in Aua430 thematisiert.

Zu den „Erfolgen“ und Aktivitäten des DTB in der Ukraine wird auch noch weiterführend zu berichten sein.

Im Augenblick geht es um zwei andere „big player“ im Tierschutz-Ukraine-Spiel: PETA und ETN. Diese beiden großen Organisationen sind seit Monaten mit dem Thema Hundetötungen im Vorfeld der Fußball-EM 2012 beschäftigt. Doggennetz.de hatte mehrfach darüber berichtet (Aua415, Aua418, Aua424, Aua430, Aua435, Aua439, Aua471, Aua480, Aua492, Aua541 (Satire), Aua552, Aua577 sowie die Hack-Serie Aua543 / Aua544 / Aua546 / Aua549).


Auch der ETN in Kiew aktiv

Doch den Lorbeer einer wie auch immer gearteten Intervention in Kiew beansprucht der DTB nicht allein und wenn er noch so dringend in seinem Infotext hervorhebt: „Als erste Tierschutzorganisation […]“ (ibid.) .

In der News vom 14. März 2012 berichtet der Europäische Tier- und Naturschutz e. V. ETN über eine „Charity-Veranstaltung für das Tierheim Sirius in Kiew“. Ebenfalls auf Kiew bezogen, gibt der ETN als weitere Unterstützungsleistung an: „Bau einer Quarantänestation in der staatlichen Tierklinik Kiew“.

Warum eine deutsche Tierschutzorganisation den Bau einer Quarantänestation in einer staatlichen (!) Klinik unterstützt, versteht diese Redaktion nicht. Da wären weitere Informationen interessant.

 

Tierschützer, die nicht einmal die Termini kennen

Schon im Februar 2012 hatte der ETN eine Pressemitteilung herausgegeben, die sich neben allem anderen dadurch auszeichnet, dass die Verantwortlichen dieser Tierschutzorganisation nicht einmal zu wissen scheinen, was der Unterschied zwischen Sterilisation und Kastration ist. Es steht zu hoffen, dass der ETN eben NICHT, wie in der Pressemitteilung angegeben, „Mit Sterilisation (…)“ gegen das sinnlose Töten antritt, sondern hoffentlich kastriert!

Des Weiteren gibt dieser Spendensammler an, mit der städtischen Tierklinik in Kiew zusammenzuarbeiten, wo täglich bis zu 50 Hunde und Katze – leider wieder – „sterilisiert“ würden.

Kiew müsste damit tierschützerisch glänzend abgedeckt sein, wenn gleich zwei der großen deutschen Tierschutzorganisationen dort um den Lorbeer zanken, die Situation verbessert zu haben.

 

Jeder deutsche Tierschützer erzählt dem Ausland was anderes

Überdies marschieren die einzelnen Tierschutzorganisationen schon in ihrer angeblichen „Bewusstseinsarbeit“, die sie vor Ort leisten, in getrennte Richtungen, was die Zielgruppe (Ukrainer), welche mit dem Thema gar nicht vertraut ist, restlos irritieren muss.

Schon vor vielen Jahren hat der Deutsche Tierschutzbund in seinem Papier Zur Tierschutzproblematik der so genannten Straßenhunde im Ausland: Lösungsansätze aus der Sicht des Deutschen Tierschutzbundes e. V. (15.09.2010) mit  vernünftiger Argumentation auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse ganz klar formuliert, dass Tierheime im Ausland keinen Sinn machen. Ganz im Gegenteil stelle das Fangen und Wegsperren in Tierheimen „ein großes Tierschutzproblem in vielen südlichen und östlichen Ländern“ (ibid.) dar.

Diese fundierte, für jeden nachvollziehbare und wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnis hat sich aber leider bisher weder bis zum ETN noch zu solchen Newcomer-Medienhype-Spezialtruppen wie Helden für Tiere e. V. rund um Ralf Seeger herumgesprochen.

Und auch in der ETN-Pressemitteilung ist nur die Rede davon, dass das städtische Tierheim von Kiew sich zu weit außerhalb der Stadt befinde. Appelle wie die von Maja von Hohenzollern und Dieter Ernst „in ukranischen TV-Sendungen (…), Verantwortung für die Tiere zu übernehmen, Tierheime zu besuchen und Hunde oder Katzen zu adoptieren“ (ETN-PM v. 13.02.2012) machen vielleicht eine schöne Pressemitteilung und einen schlanken Fuß im Fernsehen. An der Tierschutzrealität dieser Länder gehen sie in einer Art und Weise vorbei, welche nach Meinung dieser Redaktion als ignorant zu bewerten ist. Sinnlose Appelle statt Aufbau effizienter Tierschutzstrukturen vor Ort.

 

Spezialfall Donezk

Die Stadt  Donezk (gibt’s beim ETN in verschiedenen Schreibweisen auch als „Donetzk“) beansprucht der ETN aber auf jeden Fall für sich – in tierschützerischer Hinsicht. Darüber informierte schon der ETN-Newsletter vom 20. März 2012 (Datum beachten!). In Donezk nämlich setze sich die Rinat-Akhmetov-Stiftung „Entwicklung der Ukraine“ „für eine humane Lösung des Streunerproblems ein. Seit November vergangenen Jahres wird sie dabei vom Europäischen Tier- und Naturschutz e. V. (ETN) beraten“, brüstet sich das Infoblatt.

Zu dem ukrainischen Oligarchen Rinat Akhmetov sollte man dann mindestens noch dies hier wissen: Aua552.

Am 20. März 2012 (Datum beachte!!), dem Datum des ETN-Newsletter, heißt es des Weiteren:

              

In Donezk werden zurzeit das stiftungseigene Tierheim PIF sowie das städtische Tierheim zu modernern Kastrationszentren umgebaut. Beide Zentren werden anschließend Platz für insgesamt 2.500 Tiere bieten und jeden Monat die Kastration von mindestens 1.000 Tieren ermöglichen Kastrierte Struener werden, nach dem vom ETN propagierten „Neuter-and-Relase“ („Kastrieren-und-Freilassen-„) Prinzip, markiert, gechippt und wieder auf die Straße zurückgesetzt.“

(ETN-Newsletter vom 20.03.2012)

              

Die Zeitadverbiale „zurzeit“ lässt sich nur so verstehen, dass zumindest am 20. März 2012 (Datum beachten!) diese Arbeiten schon im Gange sind? Zu beachten auch: Es ist ausdrücklich auch vom städtischen Tierheim die Rede.

Und übrigens: „Neuter and Release“ wird nicht nur vom ETN „propagiert“, sondern ist ein ethisches Konsenskonzept auf der Grundlage wissenschaftliche Erkenntnisse, auf das sich alle Tierschutzorganisationen – außer Helden für Tiere e. V. (die bauen immer noch im Sinne des Steinzeittierschutzes Tierheime im Ausland …) – geeinigt haben.

 

Rechenschaftsbegriff „Millioneninvestitionen“ bleibt ungefüllt

Warum der ETN-Newsletter von „Millioneninvestitionen“ spricht, bleibt unklar, denn konkrete Summe die in exakt benannte Projekte fließen, werden in dem Newsletter gar nicht genannt. Das ist auch deshalb sehr schade, weil Spender inzwischen ein Recht darauf hätten zu erfahren, was eigentlich mit dem ganzen Geld passiert, das seit Monaten für die Ukraine gesammelt wird.

Der Bau von Tierheimen macht aus tierschützerischer Sicht keinen Sinn, wie oben zu lernen war. Warum eine deutsche Tierschutzorganisationen einer staatlichen Klinik eine Quarantänestation bauen soll, versteht ohne weitere Erläuterungen kein Mensch in dieser Redaktion. Und selbst wenn man statt Kastrationen in der Ukraine die nahezu auf mikrochirurgischen Niveau siedelnden „Sterilisationen“ vornehmen würde, ist kaum denkbar, dass dafür „Millionen“ investiert werden müssen. Es sei denn, es operiert Dr. Mang!

 

Sprachregelung des ETN

Doch der ETN verlässt sich nicht allein auf Newsletter und Pressemitteilungen. In einer am 20. März 2012 über Tierschutzverteiler gegangenen Mail von Dieter Ernst persönlich zum Thema „Tierschutzsituation in Donetzk“ bittet der ETN-Funktionär andere Tierschützer, auf den Begriff „Tötungsstation“ für Donezk „ab sofort zu verzichten“. Die Tierschützer werden von Ernst dazu aufgefordert, diesen Begriff auf ihrer Internetseite zu entfernen und auf „die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort“ hinzuweisen. In beiden Tierheimen (!!!)  in Donezk würden „grundlose keine erwachsenen Tiere mehr getötet“. Das städtische Tierheim werde bereits zu einem Kastrationszentrum umgebaut

 

PETA mit Berichten und Bildern auch aus Donezk

Der ETN behauptet am 20. März 2012, „zurzeit“ würden das stiftungseigene Tierheim PIF sowie das städtische Tierheim in Donezk zu modernen Kastrationszentren umgebaut.

Nur sechs Tage später berichtet die Tierrechtsorganisation PETA, die erneut ihre Ermittler in die Ukraine geschickt hatte in einer Pressemitteilung (Hinweis: Donezk liegt im Osten der Ukraine!):

              

Fazit: Die Massentötungen finden in den meisten Städten und Dörfern weiterhin statt, die heimatlosen Hunde werden noch immer erschossen und vergiftet. Mit Hinblick auf die so gut wie unveränderte Lage in der Ukraine bittet PETA die deutsche Fußballnationalmannschaft, ernsthaft über einen Ausstieg aus dem Wettbewerb nachzudenken.

„Egal an welchen Ort wir kamen, überall fanden wir vergiftete oder erschossene Hunde, sogar Massengräber“, berichtet PETA-Ermittlerin Judith P. „Sowohl auf dem Land als auch in den Großstädten haben uns die örtlichen Tierschützer von regelmäßigen, großangelegten Vergiftungsaktionen erzählt. Obwohl das ukrainische Tierschutzgesetz das Vergiften von Hunden verbietet, interessieren sich die Behörden nicht für das Vorgehen.“

Vor allem im Osten der Ukraine hat sich trotz Versprechungen der Regierung, das grausame Töten der heimatlosen Hunde zu stoppen, nichts geändert.

(Pressemitteilung PETA v. 26.03.2012 – Hervorhebung d. Red.)  

              

Die Pressemitteilung wird unten ergänzt durch drei Bilder. Das mittlere Bild (2) trägt die Unterschrift: „Bild 2: Das rote Halsband dieser Hündin in Donezk deutet auf die bereits erfolgte Kastration, dennoch wurde sie getötet.“


Widersprüche?

Der ETN berichtet am 20. März 2012 stolz, es werde kastriert.

Die PETA-Ermittler fotografieren auf ihrer Reise vom 10. bis 17. März 2012 eine tote Hündin mit rotem Halsband, die sie als kastriert ausweist.

Die Fakten lassen nur noch Zynismus zu: Entweder hat der große Wandel in Donezk zwischen dem 12. und dem 20. März 2012 stattgefunden. Oder die Hunde werden dort mit deutschen Spendengeldern erst kastriert und dann getötet.

 

Weitergehender Bericht an Doggennetz.de

Zeitgleich zur PETA-Pressemitteilung ergab sich ein direkter Kontakt zwischen Doggennetz.de und einer der PETA-Ermittlerinnen.

(Zwischenbemerkung: Auch wenn Carla und Co. diese Redaktion gleich wieder der Korruption zeihen möchten (Aua573) : Der Unterschied zwischen PETA und dem ETN liegt, und dieser wiegt schwer, darin, dass PETA Presseanfrage dieser Redaktion bisher immer und nahezu sofort beantwortet hat. Hingegen blieb – bis dato – eine Presseanfrage an den ETN zur Situation in Donezk wieder einmal unbeantwortet (vgl. dazu auch Aua579).

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Foto: https://www.fotos.peta.de/details.php?image_id=2863
Dieses Bild aus dem PETA-Bilddokumente-Fundus aus November 2011 hatte Doggennetz.de in Aua567 verwendet, um den „Kontrast“ zur Sprachregelung des ETN vom 20.03.2012 hinsichtlich der Situation im Tierheim Donezk zu illustrieren. In der Bildunterschrift war von der zeitlich begrenzten Gültigkeit solcher Bilder die Rede. Die PETA-Ermittlerin korrigiert am 26.03.2012 in einer Mail an Dogggennetz.de, dass dieses Bild nach ihren Recherchen immer noch Gültigkeit habe.

Die PETA-Ermittlerin Judith P. kritisiert in dem Kontakt ein in Aua567 verwendetes Bild. In dem Artikel hatte diese Redaktion – mit Bedacht – ein älteres PETA-Bild aus dem Tierheim Donezk verwendet und in der Bildunterschrift mit der aktuellen „Sprachregelung“ des ETN kontrastiert.

Judith P. schreibt dazu (Genehmigung zum Zitat liegt vor):

              

Doch was die Vorgänge in der Ukraine angeht, da möchte ich Ihnen gerne über meine persönlichen Erfahrungen berichten. Sie betreffen auch das Foto aus der Hinterkammer des Tierheimes in Donezk. Meine Kollegin und ich waren vom 10.- 17. März mit lokalen Tierschützern der KSPA und AZOU in der Ukraine unterwegs. Auch schauten wir erneut in die Hinterkammer, in der dieses, unseres Foto im November 2011 entstanden war. Der Anblick war derselbe. Wieder war der Raum voller getöteter Hunde, vor allem Welpen. An der Tür und der Wand außen klebte Blut.

(PETA-Ermittlerin Judith P. in einer Mail an Doggennetz.de vom 26.03.2012)

              

Auf die Nachfrage an die Ermittlerin, ob wir diesen Mailtext veröffentlichen dürfen, antwortet sie noch ergänzend:

              

Das Foto haben wir am 12.3.2012 in Donezk gemacht. An diesem Tag erzählte uns die Mitarbeiterin des städtischen Tierheims, dass sie gezwungen ist, Hunde zu töten, da täglich 20-30 neue Hunde ankommen und sie nicht wüssten, wohin mit ihnen.
Wenn andere Organisationen nach uns dort war und die Tötungen mittlerweile eingestellt wurden, sind wir natürlich überglücklich!

(PETA-Ermittlerin Judith P. in einer Mail an Doggennetz.de vom 27.03.2012; Hervorhebung d. Red.)

              

 

Doggennetz.de-Senf:

Eigentlich erübrigt es sich, diese dokumentierten Widersprüchlichkeiten weiter zu kommentieren. Aber DN tut es natürlich trotzdem …

Ganz abgesehen von den Irrsinn, dass eine Tierrechtsorganisation PETA Deutschland e. V., deren Schwesterorganisation in den USA selbst Tausende von Hunde und Katzen tötet, Ermittler in die Ukraine schickt, um dort das Töten dokumentieren zu lassen …

ganz abgesehen davon, dass PETA dennoch deutlich mehr Glaubwürdigkeit in seinen Angaben über die Situation in der Ukraine genießt als „andere“ deutsche Tierschutzorganisationen, schlicht weil PETA Fragen beantwortet … 

ganz abgesehen davon, dass jede spendensammelnde deutsche Tierschutzorga inzwischen für sich reklamiert, die Situation in der Ukraine geändert zu haben …

ganz abgesehen davon, dass eine große deutsche, in der Spendenakquise zum Thema Ukraine besonders aktive Tierschutzorganisation wie der ETN es nicht für nötig befindet, kritische Fragen zu beantworten …

ganz abgesehen davon, dass sich der ETN einen Partner zur Seite stellt, der Finanzier des Fußballstadions in Donezk sein soll und mithin unmittelbarer Profiteur der Sportveranstaltung wäre …

ganz abgesehen davon, dass seit Monaten Spenden gesammelt werden, ohne dass wirklich belegt wird, wo das ganze Geld bleibt …

ganz abgesehen davon, dass das Bildmaterial von PETA zumindest den Verdacht nahelegt, dass in der Ukraine erst kastriert und dann getötet wird …

ganz abgesehen von all dem fragt man sich:

Wie viele Bären
welcher Größe
lassen sich deutsche Tierfreunde
zum Thema Ukraine
eigentlich noch aufbinden?