Aua535: Ein entkleideter Kleiderschrank mit düsterer Höhlenmalerei

{TS-Satire}

 

Der satirische Blick richtet sich auf jene weit entfernte Fernsehzeiten, in denen die privaten Fernsehsender alle Hemmungen verloren haben, die großen Konzerne mit ohnehin ruiniertem Ruf, dem Kinderhandel und Kinderarbeit beischläft, überhaupt keine Anstandsschranken mehr kennen werden. Die blanke Fiktion.


Tempi passati: Sympathieträger fürs Konzernimage

Wehmütig richtet sich der Blick aus jenem brutalen Werbe- und Fernsehalltag zurück in die Vergangenheit, als  marktstarke Unternehmen ihr Image mit einschlägigen Promis über die Sympathieschiene aufzubrezeln trachteten. Dass Haribo in erster Linie jedoch nur Gottschalk froh machte und dass Verona Feld-Pooth, die Herrin aller Pampen von Spinat bis Marmelade,  das schlechte Ethikimage von KIK auch nicht mehr wegzwitschern konnte, wurde bald zu in den Unternehmensbilanzen dokumentierter Gewissheit.

Lange Zeit war die  Strategie werbender Konzerne, vorzüglich auf den Sympathiefaktor zu setzen, erfolgreich gewesen: junge, attraktive Menschen, von der Glorie des Erfolgs bestrahlt, eine wie auch immer definierte Schönheit, Gesundheit, Sportlichkeit oder innovative  Form des Humors verkörpernd. Also alles Personen, die jeder Verbraucher jener längst vergangenen Zeiten gern in seinem Wohnzimmer begrüßt, die meisten sich bedenkenlos in den Vorgarten gestellt hätten.

Ist der Ruf erst ruiniert …

Die Zeitenwende begann mit dem innovativen Impuls eines Weltkonzerns. Aus der Verlustfreiheit desjenigen, dessen Ruf schon ruiniert, wählte dieser eines fernen Tages für eine mehrteilige Miniserie in einer Tierfreunde-Verdummungsseife der Privaten einen Werbeträger, der heldenhaft  auf alle Merkmale von Sympathie und Vertrauen verzichtete und dafür mit dem Saulus-Bonus wucherte: der Held Black Jack Bohrer.  

Schonungslos entkleidete sich nicht nur Bohrer, der sich in besagter Miniserie vorwiegend oberkörperfrei durch Rumänien wälzte, sondern auch der mit ihm werbende Konzern allen Sympathieballastes und wandte sich radikal  von stereotypen Marketingstrategien der Verknüpfung eines Produkts mit dem Guten, Schönen und Wahren ab: stattdessen pures Fleisch.

Ein entkleideter Kleiderschrank in plumper Konzentration auf die reine physische Präsenz: frontal, ganzkörpertätowiert, massig, bedrohlich und mit dem stillen Versprechen der Diskussionslosigkeit. Schweißdampfende Fleischberge, etwas säuerlich-salzig im Abgang, bereiteten die Zuschauer auch ästhetisch auf den Weltuntergang vor. Aus dem Fernseher heraus kroch ein dunkler Schatten in deutsche Wohnzimmer und senkte sich bleischwer auf die Gemüter argloser Tierfreunde. Eine bis in die letzte Assoziation gelungene Symbolisierung der globalen Marktpräsenz des präsentierenden Global Players und seiner wirtschaftlichen Durchsetzungskraft.

 

Suprakutane Höhlenmalerei

Auf dem Weg zurück ins Neandertal zeigte der ständig entblößte Körper des damals neuen Imageträgers als letzten wehmütigen Gruß an die Werte der Zivilisation und deren kulturelle Höhenflüge exzessive suprakutane Höhlenmalerei.

Die war auch für alle gut zu sehen, denn als weiteres Merkmal der atavistischen Kräfte, die hier wüteten, konnte sein Träger und seine submissive Gefolgschaft jene textilen Hautauflagen aus der zivilgeschichtlichen Ära nach dem Abstieg von den Bäumen offensichtlich nicht ertragen und waren deshalb ständig halbnackt zu sehen. Weitflächig präsentierte sich das wabernde und zunehmend wabbelnde Fleisch mit einer bizarren Ikonografie übernetzt, deren Symbolik sich dem schreckstarren Zuschauer gar nicht erschloss. Oberarme, Unterarme, Hals, Brust und eine Plauze mit wuchtigem Hegemonialanspruch trugen dunkle Muster offensichtlich düsterer Bedeutung.

Unbestätigten Gerüchten zufolge soll die Tierrechtsorganisation PETA Fotos von den Protagonisten dieser Serie eingesetzt haben, um Kannibalen spontan zum Veganismus zu bekehren.

 

Heldengedöns

Sicherlich war es auch damals nicht einfach, als Fleisch gewordener Ästhetikverzicht durch die Welt zu stampfen. Fröhlich holperte die unrunde Logik der so genannten Tierschützer von diesem Verzicht zum Label „Held“. Der jungfräuliche Verein jedenfalls, mit dem Bohrer und Gefährten als schwergewichtiges Umsatzplus jeder Tättowierungsstube die Konzern-Zielgruppe zu Spenden für ihr Samariterwerk bewegen wollten, führte tatsächlich den Begriff <Helden> im Titel. Mit dieser Selbstetikettierung griffen Konzern und Protagonisten mutig in dunkelste Zeiten zurück und riefen die Millionen von Toten zu ihren Zeugen auf, die diesbezüglich auch schon einem Irrtum erlegen waren. Buchstäblich.

Auch die Sozialkompetenz des Rudelführers knüpfte nahtlos an alte Traditionen an. Statt der geschichtlich als Lüge entlarvten Formel „Kameraden!“ wurde hier jedem Kommando an die zum Heldenverein gehörende Truppe der Aufruf „Männer!“ vorangestellt. Dem kategorisch folgenden Imperativ hatten die euphemistisch als Männer bezeichneten leichenfarbenen Befehlsempfänger außer dem unterwürfigen Blick zum Boden nichts entgegenzusetzen. Folgsam bewegten sie ihr gleichfalls entblößtes Fleisch im ernüchternden Grau ungebleichten Klopapiers zum vorbestimmten Ort.

Eine neue schreckliche Zeit begann.