Aua374: Gastbeitrag von Rita Kubutat: Wie spanische Hunde ohne Not als Tierschutzhunde nach Deutschland kommen
{TS-Kritik}
Die DN-Redaktion freut sich, erneut einen substanziellen Fremdtext abdrucken zu dürfen. Herzlichen Dank dafür an Rita Kubutat.
Zum Verständnis sei darauf hingewiesen, dass die Autorin viele Jahre lang in Spanien gelebt hat.
Gandhi und das Sendungsbewusstsein von
Wie spanische Hunde ohne Not als Tierschutzhunde nach Deutschland kommen
Wie zerflossen liegt er auf dem Sofa, den Kopf auf die Pfoten gestützt, die langen Ohren auf seine Unterlage drapiert. Die schwarz umrandeten Augen blicken gleichzeitig träge und neugierig in Richtung Flur, wo gerade Besuch ankommt. Nur das Spiel seiner Augenbrauen verrät, dass der Neuankömmling für ihn interessant ist. Schließlich bequemt er sich doch auf und stellt sich der Nachbarin, die zum Kaffeetrinken kommt, direkt in den Weg, um sie zu beschnüffeln. Dies wäre eine banale Geschichte, wenn Gandhi, der elegante Jagdhundmix, nicht aus Spanien stammte und durch eine deutsche Tierschützerin nach Deutschland gekommen wäre. Seit zwei Monaten ist er bei Marina Helms* zu Hause, die ihn der deutschen Tierschützerin abgekauft hat. Beim Ankauf, der wenige Wochen nach seinem Eintreffen in Deutschland erfolgte, sei er auf unter zwei Jahre geschätzt und gesund gewesen. Von Anfang an habe sich der hübsche Rüde entspannt und selbstbewusst gezeigt. Wie kommt ein Hund, der gesund ist und mit Menschen offensichtlich gute Erfahrungen gemacht hat, in einen Haushalt, der rund 3000 Kilometer von seinem Geburtsort entfernt ist? Gandhis Geschichte beginnt in Andalusien. Dort wurde er von Urlaubern bei Regenwetter im Eingang eines alten Hauses entdeckt, wo er sich untergestellt hatte. Sie brachten ihn zu einer deutschen Tierschützerin, die sich dort ebenfalls im Urlaub befand. Weder die Finder noch die Tierschützerin waren in der Lage, nicht zuletzt wegen fehlender Sprachkenntnisse, den Halter des Hundes zu ermitteln. Auch ein Chip fehlte. Mangels Alternative nahm die Tierschützerin den Hund schließlich bei ihrer Rückreise mit. War Gandhi herrenlos? Entlaufen? Ein Straßenhund? Ausgesetzt? Gequält? Sein Gesundheitszustand und sein Verhalten lassen darauf schließen, dass er zumindest einen erheblichen Teil seines Lebens, wahrscheinlich sogar unmittelbar vor seinem Auffinden, gut versorgt war, und zwar von Menschen. Auch Straßenhunde wissen sich häufig gut zu versorgen, doch fehlen bei Gandhi die typischen Symptome wie Selbstbestimmtheit, mangelnde Sozialisierung mit dem Menschen oder Klaustrophobie. Was ebenfalls fehlt, sind Deprivationsschäden, die durch das Vorenthalten notwendiger Erfahrungen entstehen. Hierunter fallen beispielsweise im Verhaltensbereich „Autismus“, fehlende Sozialisierung mit dem Menschen oder anderen Hunden und verschiedene Phobien. Was also hat jene Urlauber dazu bewogen, den Hund in ihr Auto zu setzen? Laut Angaben der Tierschützerin, die unversehens zu diesem Hund kam, hatten die Finder Mitleid mit dem im Hauseingang geduckten Hund, der außerdem kein Halsband trug. Das erste ist ein emotionales Argument. Wer schon einmal einen Hund im Regen gesehen hat, der weiß, dass das kein stolzer Anblick ist: Stehohren werden an den Kopf gelegt, um die Ohrmuschel vor Wassereintritt zu schützen. Der Kopf wird eingezogen, die Rute häufig ebenfalls. Der Hundekörper bemüht sich insgesamt, dem Wasser so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Hunde mit wenig Unterwolle durchnässen zudem rasch und fangen dann tatsächlich an, zu frieren und Schutz zu suchen. Ist ein kurzzeitig frierender Hund ein Fall für den Tierschutz? Um dem Indiz des fehlenden Halsbands auf den Grund zu gehen, muss man das Umfeld kennen, in dem sich der Hund aufhält. Im Süden Spaniens ist es nichts Ungewöhnliches, dass Hunde tagsüber frei herumlaufen. Spätestens zu den Futterzeiten finden sie sich zu Hause ein. Damit ein Halsband nicht gestohlen wird, legen viele Besitzer ihren Hunden gar nicht erst eins an. Ein fehlendes Halsband ist also keinesfalls ein Indikator für einen herrenlosen Hund. Diese Art der Hundehaltung muss man nicht mögen. Ob sie allerdings dazu berechtigt, Hunde quasi zu entführen, ist eine Frage, die sich angesichts Tausender aus dem Ausland nach Deutschland verbrachter Hunde jeder stellen sollte.
*Name von der Autorin geändert
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