Aua22: Alüca lernt Tierschutz – Folge 1

{TS-Satire}   Ich habe eine neue Schülerin im Deutschkurs. Puuuh, kann ich nur sagen! Sie kommt aus Afpagniran, ist Anfang 30 und hat in London Soziologie studiert. Kann man da hinten bestimmt gut brauchen, habe ich mir politisch nicht ganz so korrekt gedacht. Wie häufig bei meinen Schülern aus aller Welt bereitet mir ihr Name große Probleme: Alüca Schwürzerym.

Und Alüca fällt komplett aus dem Sarrazinschen Genpool. Die ist so etwas von ehrgeizig! Und lernt und lernt und fragt und lernt und lernt. Na ja, ohne diesen extremen Ehrgeiz wäre sie natürlich auch nicht in diesen doch schon auf sehr hohem Niveau angesiedelten Deutschkurs. Auch methodisch ist sie furchtbar anstrengend. In ihrem Studium hat sie den Grundsatz wissenschaftlichen Arbeitens kennen gelernt und unterliegt jetzt dem Irrtum, das sei etwas fürs richtige Leben. Auf jeden Fall muss man bei ihr immer alles und jedes belegen, sonst glaubt sie es nicht! Nein, sie akzeptiert schon eine unbelegte Antwort nicht. Wissen Sie, wie anstrengend das sein kann?

Alüca hat hier in Deutschland das Konzept des Tierschutzes kennengelernt und ist restlos begeistert. „Das wenn ich auf unsere Frauen in Gabdaha erreichen könnte!“, schwärmte sie neulich.

Wenn ich das für unsere Frauen erreichen könnte“, musste ich sie natürlich zumindest grammatisch korrigieren.

Nachdem sie jetzt festgestellt hat, dass ich mich ein ganz klein wenig im Themenfeld Tierschutz auskenne, lässt sie mich überhaupt nicht mehr in Ruhe! Die fragt mir Löcher in den Bauch. Auch hat sie gegoogelt und jetzt die Doggennetz-Site gefunden. Nun ist ganz aus. Jetzt kriege ich die Frauenschützerin gar nicht mehr von den Hacken.

Im Moment müht sie sich verzweifelt, eine griffige Definition für den Begriff „Tierschützer“ zu finden, damit sie es ihren Frauen daheim in geschlossenen Räumen hinter textilem Gitter erklären kann. Leider liest sie auch alle Artikel auf Doggennetz, was zu einer heillosen Verwirrung führt. Interkulturell ist sie einfach noch nicht so weit. Ich hatte ihr schon ein Philosophie- und mindestens ein Psychologie-Studium anempfohlen, um die kulturelle, logische und moralische Kluft zwischen der globalen Menschen-/Frauenrechtssituation und deutschem Tierschutz-Alltag irgendwie begreifen zu können. Wenigstens aber destilliert sie ihre Erkenntnisse in konkrete Fragen, die sie von mir checken lässt. Vielleicht kann ich damit das Schlimmste verhindern?

Kaum war Aua 21 online, hatte Alüca es schon gelesen. Gründlich wie sie ist, ging sie den angegebenen Quellen nach. Gleich in der nächsten Unterrichtsstunde konfrontierte sie mich mit ihrem ganz persönlichen afpagniranischen Ergebnis und einem Definitionsansatz:

„Frau Burger, habe ich gelesen bei …..“, gerade konnte ich ihr noch mit meiner Hand den Mund verschließen. Ich erklärte ihr genervt, dass man in Deutschland Privatpersonen, die bundesweit ihren Tierschutz bewerben und Spenden sammeln, namentlich nicht nennen darf. Neuer Ansatz:

„Ich habe das dort gelesen.“ Lobendes Nicken der Lehrerin.

„Kann man jetzt so sagen: Ein Tierschützer hat viel Gefühl? Tierschützer sind Dichter? Mit viel Blumen und viel Schwein?“

Bei Alüca klingt das mit dem Gefühl wie ein Verdienst. Aber: „Schwein? Wieso Schwein?“

Alüca wird rot: „Uuups, falsche Wort! Muss heißen: rosa. Mit viel Rosa?“

„Jaa, das kommt hin!“, konnte ich sie soweit in ihrer Analyse bestätigen.

„Und großes Sehnsucht? Sehnsucht danach, Menschen leiden sehen?“

Fairerweise musste ich das einschränken: „Nicht grundsätzlich!“

„Aber sowie, nein: wieso? Habe ich gelesen, wünschen sich Tierschützer für andere Tierschützer Verzweiflung, Einsamkeit, Dreck und Gefängnis.“

„Doch nicht Gefängnis!“

„Eingesperrt sein bei euch ist nicht Gefängnis?“

„Doch. Gefängnis oder Zarenhof.“

So langsam kriegte sie mich dorthin, wo sie mich haben wollte.

„Also machen Tierschützer Gedichte mit viel Gefühl und viel Rosa über Sehnsucht nach Gefängnis für andere Tierschützer? Und solche Verseliebe machen sie online mit Beifall Kollegen?“

<Verseliebe> nahm ich sofort in meinen Anekdotenschatz auf!

Puuuh!
Puuhpuuh!

„Nein, das kann man so nicht sagen!“ Sie schien in meiner Mimik Lüge zu entdecken.

„Warum nicht?“

„Tja …“ Meine Augäpfel wanderten stirnwärts  in der verzweifelten Suche nach einer Antwort, mit der dich über die schmale Brücke zwischen Wahrheit und politischer Korrektheit eiern konnte.

„Man darf das nicht so verallgemeinern!“

„Warum nicht?“

„Es sind ja nicht alle so!“

„Können Sie das belegen?“ Wosch, da war es wieder, diese verdammte Unart des Belege Forderns.

„Tierschützer belegen nicht. Tierschützer behaupten einfach!“

„Ja, aber Sie sagen doch, Sie sind keine mehr Tierschützer!“

Das stimmt leider, inhaltlich, wenn auch nicht grammatisch! So komme ich aus der Ecke also nicht raus.

„Aber es gibt viele andere Tierschützer, die so etwas nicht tun!“

„Wie viele?“

„Das überlege ich mir vielleicht bis zum nächsten Mal!“, beschied ich die Wissbegierige und rollte fluchtartig aus dem Klassenzimmer!

Wissen Sie’s?