Marius – Eine Bewertung von kompetenter Stelle

 

{DS-Kritik}

[30.01.2004]

Viele fühlen sich berufen.
Wenige sind erwählt.

Nachdem jetzt Kreti und Pleti, Hans und Franz, Gott und Lotte schon ihr mehr oder häufiger weniger fachkundiges, selten erbetenes, in nur einem Fall auf eigene Augenscheinnahme fundiertes Urteil über den seit mehr als eineinhalb Jahren in unserer Vermittlung stehenden Doggenrüden Marius abgegeben haben, beschlossen wir, jetzt einmal etwas ganz Neues zu machen und unseren Buben durch einen richtigen Vollprofi bewerten zu lassen. Nur um ganz sicher zu gehen, eigene Defizite auszuschließen, für die Zukunft und eine allfällige Vermittlung Rückhalt zu haben.

Das war ein guter Entschluss!

Die Initiative dazu ging von unserer wertvollen Mentorin Nina Taphorn aus, die eine Verbindung zu der kynologischen Organisation Canis (www.canis-kynos.de) herstellte. Michael Grewe hatte ein offenes Ohr und einen guten Tipp für uns. Er verwies uns an den auch auf der Canis-Dozentenliste geführten Gerd Leder aus Laupheim. Nach einem telefonischen Vorgespräch vereinbarten wir einen Termin im Tierheim, zu dem Karin Burger mit großem Herzklopfen anreiste. Wie wird sich der Bube präsentieren? Kann man den Erfolg unserer „Arbeit“ an jedem Samstag seit Oktober schon sehen? Was sagt der Profi zu diesem Doggenrüden? Welche Konsequenzen hat sein Urteil?

Gerd Leder sah sich Marius zuerst im Zwinger an. Danach machten wir einen langen gemeinsamen Spaziergang, auf dem sich verschiedene Konfrontationssituationen (Begegnung mit anderen Hunden, Menschen, Fahrrädern, Autos etc.) ergaben, Marius sowohl an der Leine als auch frei laufen durfte. Nach Aufforderung legten wir kleine Arbeitsproben unserer Unterordnung ab. Zurück am Tierheim provozierten wir noch weitere Begegnungssituationen mit anderen Hunden und mit Menschen.

Gerd Leder zeigte sich schon gleich zu Beginn von der Physis und Ausstrahlung dieses phantastischen Doggenrüden beeindruckt. „Natürlich zu groß“, kommentiert der Rassekenner unseren Buben (89 cm Stockmaß) mit berechtigtem Seitenhieb auf den Gigantismus in der deutschen Doggenzucht. Er beobachtete Marius genau in seinen Reaktionen auf die verschiedenen Umweltreize, auf meine Vorgaben und Korrekturen etc.

Hier zusammengefasst das fachmännische Urteil:

  • Marius ist ein dominanter Hund.
  • Dabei ruht er vollkommen in sich selbst. Deshalb sind seine Reaktionen durchaus berechenbar.
  • Marius ist in keiner Weise verhaltensgestört!
  • Marius ist territorial. Diesem Umstand muss bei einer Vermittlung durch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen Rechnung getragen werden.
  • Ausdrücklicher Hinweis: Marius ist vermittelbar – WENN sich entsprechend und nachweislich kompetente Interessenten mit Doggenerfahrung und den notwendigen Haltungsvoraussetzungen finden lassen. Dabei muss zu 100 Prozent gewährleistet sein, dass keine fremden Personen unbeaufsichtigt das Grundstück betreten können. Bei Besuch sollte Marius in einem wirklich sicheren Zwinger untergebracht werden.

Mit entsprechendem Einsatz ließe es sich auch bewerkstelligen, Marius auf eine bestimmte Hündin zu sozialisieren. Ob es gelingt, steht dahin. Wenn es gelingt, bezieht sich diese Sozialisierung dann aber nur auf die betreffende Hündin und hat keine Auswirkungen auf seine Reaktionen bzw. seine Duldung gegenüber fremden Hunden in seiner Nähe oder der seiner Bezugsperson.

Dabei muss erwähnt sein, dass Marius auch im Tierheim mit einer Hündin zusammen im Zwinger lebt. Das geht jeweils so lange gut, wie keine seiner Bezugspersonen in der Nähe ist. Sobald sich eine der beiden Menschinnen, zu denen er eine Bindung hat, dem Zwinger nähert, geht er auf die Hündin los, die deshalb immer vorher weggesperrt werden muss.

Hervorstechend diagnostiziert auch Gerd Leder Marius‚ ausgesprochene Intelligenz, die es u. a. ermöglicht hat, dass er bei nur einmal wöchentlich stattfindendem Training in der kurzen Zeit von Oktober bis Januar soo viel gelernt hat. Mit der Ausbildung sind wir auf dem richtigen Weg („Vielleicht das Lob nicht ganz so überschwenglich, Frau Burger!“…..). Ansonsten: weiter so!

„Eine Dogge, wie man sie früher wollte!“, resümierte Gerd Leder die Tragik der Marius-Biographie. Und diese Tragik liegt im Auseinanderfallen von natürlichen hündischen Wesensmerkmalen und der Anspruchshaltung einer nur vermeintlich tierlieben, in der praktischen Hundehaltung aber überwiegend vermenschlichenden Gesellschaft. In einer Zeit, in der selbst einige Doggenschützer ihre Hunde in Rosarot und Babyblau als Sofadekoration anpreisen, hat ein großer, selbstbewusster, vor allem pflichtbewusster Doggenrüde, für den sich jedes artwidrig eingeräumte Privileg in einer unsere Hunde vermenschlichenden Kleinkindhaltung verheerend auswirken würde, keine Chance mehr.

Von der ganzen Deutschen Dogge, deren Wesensfülle ein weites Spektrum vom Saupacker bis zur Sofakuh umfasst, sind nur noch die Sofakuh-Qualitäten geduldet. Lammfromme Riesenbiester, die ohne sinnvolle Aufgabe oder Beschäftigung gelangweilt, aber imposant in der Gegend herumstehen, sich von 4-jährigen Kleinkindern herumkommandieren lassen müssen und jeden Artgenossen schwanzwedelnd begrüßen sollen. Und wehe dem Apoll der Hunderassen, der sich dieser geforderten Metamorphose zum Lackaffen entzieht. Dem droht Tierheim oder gleich die Spritze! Auf jeden Fall ist ihm die Abschiebung gewiss und der bittere Zynismus szene-interner Großmäuler, die behaupten, für solche Hunde ließen sich doch in Nullkommanix, zumindest jedoch problemlos und zeitnah kompetente Halter finden, besudelt als realitätsferner Schwachsinn die Tierheimzwingerkacheln.

Es ist nichts falsch an Marius! Es ist etwas nicht mehr in Ordnung in einer Gesellschaft, deren einer Teil hundehassend zwischen hirnrissigen Landeshundeverordnungen und privaten Vergiftungsaktionen hin- und hereiert, deren anderer Teil den Hund in sozialer Sodomie vermenschlicht, verkitscht, verkennt und vermittels einer ausschließlichen Love- and Light-Kynopädagogik immer mehr tragische Hundebiographien produziert. Da soll die Deutsche Dogge ein „sanfter Riese“ und ein kleinkindnärrisches Familienmitglied sein, und dabei gerät fatal in Vergessenheit: In allererster Linie ist die Deutsche Dogge ein HUND!!!

Marius-Biographien kennt der Doggenschutz en masse. Sie heißen Nero, Goliath oder Wieauchimmer, hocken von Süd bis Nord in den Tierheimen, die sich ihrer nicht schnell und leise per Spritze entledigen. So lange der Begriff „Dominanz“ weiterhin als Tabuwort dämonisiert wird, jedes aversive Verhalten eines Hundes zwanghaft auf Unsicherheit und Angst heruntergerechnet werden muss, kynopädagogisch vollkommen inkompetente Tierschützer mit Euphemismen und blanken Lügen („er schnäppelt mal“) solche Hunde zu vermitteln suchen und weder Dogge noch Dackel das sein dürfen, was sie eigentlich sind – Hund! -, wird sich an dieser Tragik auch nichts ändern.

Positiver Nebeneffekt dieses wirklich erhellenden Kontaktes mit Canis und Herrn Leder auch für die Verantwortlichen des Tierschutzvereins Biberach: Wir liegen mit unserer bisherigen Vermittlungsstrategie bei Marius vollkommen richtig! Die aus vorwitzigen Teilen der Doggenszene bezüglich Marius kolportierten Vermittlungsvorgaben, -vorschläge und -diktate kommentiert der Fachmann mit „grob fahrlässig!“