Dogge im „Brutkleid“ ? [Gast-Autorin]

Die Vermenschlichung von Tieren treibt seit langem seltsame Blüten. Einige kann man getrost mit einem Lächeln abtun, weil sie normalerweise keinen ernstzunehmenden Schaden anrichten.
Andere dagegen nehmen wahrlich groteske Formen an und dürfen nicht unter dem Deckmäntelchen der falsch verstandenen Liebe zum Hund verborgen bleiben.

Also was um Himmels Willen wird mit dieser Illustration unterstellt? Etwa eine Dogge mit Kinderwunsch? Man könnte natürlich mit entsprechend viel Phantasie auf diese Idee kommen. Ja wirklich, ich habe es selbst erlebt.

Bei einem Stadtbummel blieb meine Hündin plötzlich wie angewurzelt stehen und starrte mit sehnsuchtsvollem Blick in Richtung Schaufensterauslage eines Babyausstatters.
Zerrissen von Schuldgefühlen – schließlich war ich diejenige, die sie durch die Kastration für immer um ihr zukünftiges Mutterglück betrogen hatte -, wandte ich beschämt den Blick ab und entdeckte den wahren Grund ihres Verlangens : einen kleinen Kebab-Stand direkt nebenan.

Nicht auszudenken, welche Folgen diese Situation einem weniger aufmerksamen Beobachter mit einer Zuchthündin beschert hätte. Er wäre womöglich unverzüglich nach Hause geeilt, um nach einem passenden Deckrüden – Entschuldigung, ich meine natürlich Liebhaber – Ausschau zu halten.

Übertrieben? Keineswegs!

Jane Kelley zeigt ein Foto von ihrem Terrier:
„Ich wollte ihn kastrieren lassen“ gesteht sie, „als ich einen       herzförmigen Fleck auf seinem Wienerle entdeckte. Ich nahm’s als       Zeichen, dass er ein großer Liebhaber ist und beschloss, ihn in       Frieden zu lassen.“
[Please, No Pets – The Boston Globe, 1995]

Wenn man nur lange genug sucht, finden sich immer irgendwelche Zeichen. Mit viel Geduld lässt sich am Ende alles so deuten, wie die Lage es gerade erfordert.

Man beachte hierzu die beiden Aussagen aus einem virtuellen Rundschreiben, deren Argumentation mir förmlich die Haare zu Berge stehen ließ:

„Irgendwie hab ich auch noch nirgends gelesen das eine
Frau angegriffen wird weil sie Kinder haben möchte.“

Das mag sein, aber wenn man sich schon so weit herablässt, Kinder und Welpen auf eine Stufe zu stellen, möchte ich doch zu gerne den Aufschrei der Empörung hören, wenn beispielsweise folgende Anzeigen in der Stadtrundschau erscheinen würden:

  • Säugling (w), beste Abstammung, aus liebevoller Hobbyzucht zu verkaufen. Preis VB.
  • Aufgeweckter 3-jähriger, hyperaktiv, umständehalber in gute Hände abzugeben.
  • Zwillinge aus schlechter Haltung suchen dringend ein neues Zuhause.

Also bitte, der Vergleich hinkt. Wer so hingebungsvoll von „seinen Babys“ spricht, verkauft sie in der Regel nicht in ein ungewisses Schicksal und riskiert, dass sie nach einer Weile im (Tier)Heim landen.

Doch damit nicht genug und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen:

„… möchte von Ihren beiden Hunden Welpen und nicht
von irgendwelchen Hunden.“

Genau, das ist ein grundlegender Unterschied. Abstammung ist wichtig – Punkt! Es erklärt zudem die wachsende Beliebtheit des Vaterschaftstests. Man(n) möchte unter allen Umständen „seine“ Gene weitergeben – vollkommen egal, wie defekt sie auch sein mögen -, und ist dazu noch mächtig stolz auf seine Enkelkinder. Man stelle sich folgendes Horrorszenario aus dem Kreißsaal vor:

„Pressen, ja gut so – man sieht schon die Ohren.
Herzlichen Glückwunsch !
Oh, es ist ein Harlekin – ganz der Papa.“

Klopf! Klopf! Hallo? Ist ja auf einmal so dunkel hier drinnen. Bevor wir weiter spielen, öffnen Sie doch bitte zuerst wieder die Schublade mit der Aufschrift „Zuchtgegner“ und lassen mich heraus.
Erstens ist sie schon hoffnungslos überfüllt – Aua! Karin, pass doch auf, das war mein Fuß – und zweitens ist Kritik nicht zwangsläufig gleichzusetzen mit Ablehnung.
Im Gegenteil, man kritisiert doch vorwiegend die Dinge, die einem am Herzen liegen. Ein Jammer, dass sich das noch nicht herumgesprochen hat – in der Schublade würde nicht solch ein Gedränge herrschen.

Mir fallen 1000 gute Gründe ein – einer davon liegt seit Oktober in meinem Garten begraben -, die FÜR eine kontrollierte und verantwortungsbewusste Zucht sprechen. Aber eines sollte doch mittlerweile angekommen sein: die oben aufgeführten Motive zählen mit Sicherheit NICHT dazu!

Aber was steckt nun wirklich dahinter ? Ich habe den Eindruck, dass die Zahl der Würfe in dem Maße ansteigt, in dem immer mehr Familien auseinanderbrechen. Warum sonst bezeichnen so viele Hundehalter die Welpen der Hündin als „ihre Kinder“? Und warum müssen auf Kosten unserer Hunde immer mehr der emotionalen Bedürfnisse gestillt werden, die die Gesellschaft offenbar nicht mehr befriedigen kann?

Für mich ist das schlicht und ergreifend Missbrauch der übelsten Sorte – Konrad Lorenz würde es wahrscheinlich als soziale Sodomie bezeichnen. Und jeder, der sich in diesem Verhalten auch nur ansatzweise erkennt, möge sich doch bitte an den Therapeuten seines Vertrauens wenden, anstatt weiterhin die Tierheime zu bevölkern.

M. Feltes