Aua1459: Spiegel online: Transparenz-Rangliste der Top 50 Spendenorganisationen – VIER PFOTEN und PETA dabei!
{TS-Kritik}
[04.12.2014]
Als Medienthema zum Jahresende stets gern genommen: Spendenorganisationen und deren Transparenz. Vor zwei Jahren erschien dazu Stefan Loipfingers Buch Die Spendenmafia – Schmutzige Geschäfte mit unserem Mitleid. Vergangenes Jahr schockte die Stiftung Warentest mit ihrem vernichtenden Ranking von Tier- und Umweltschutzorganisationen (vgl. Aua1163).
Letzte Woche veröffentlichte SPIEGEL online (SPON) die Ergebnisse eines Tests, den das Magazin bei Phineo, einem Analysehaus für den gemeinnützigen Sektor, in Auftrag gegeben hatte. Herausgekommen ist eine Liste mit 50 Organisationen, unter denen sich allerdings nur zwei Tierschutzorgas befinden: VIER PFOTEN (Rang 15) und PETA Deutschland e. V. (Rang 46).
Bewertung der Transparenz, nicht der Wirkung
Die Rangliste bilde ab, wie transparent eine Orga agiere. Sie bildet nicht ab, wie wirkungsvoll das Handeln ist.
Organisationen, die auf den letzten Plätzen gelandet sind, sind deshalb nicht pauschal wirkungslos. Aber sie machen es bestehenden oder potenziellen Spendern schwer, sich über Strategie, Aktivitäten und Wirkung zu informieren. Und umgekehrt gilt durchaus: Transparenz ist ein starker Indikator für Wirksamkeit. (Spiegel online, 28.11.2014: Rangliste der Top-50: So transparent arbeiten die großen Spendenorganisationen) |
Auswahlkriterien für untersuchte NPOs
Wichtig ist es auch, darauf hinzuweisen, welche Kriterien für die Auswahl der zu untersuchenden Non-Profit-Orgas bestimmend waren. Entscheidend dafür waren Größe und Bekanntheit des Vereins sowie das Bemühen, mit den zur Untersuchung bestimmten Organisationen insgesamt ein möglichst breites Tätigkeitsspektrum abzudecken – also von Hilfe für Kinder bis zur Pressefreiheit.
Daraus erhellt, warum auch nur zwei Tierschutzorgas vorkommen!
Bedeutung von Transparenz
SPON erklärt auch noch einmal, worin die Bedeutung von Transparenz in Verbindung mit der Wirkung des ehrenamtlichen Engagements liegt:
Der Zusammenhang von Transparenz und wirkungsvollem Handeln ist eng: Wenn eine Organisation Spendengelder zum Beispiel für Projekte in Entwicklungsländern ausgibt, ist sie an einem effektiven Einsatz der Mittel interessiert. Dazu ist sie auf eine gute Buchhaltung und eine Überprüfung der Aktivitäten vor Ort angewiesen. Oder anders ausgedrückt: Eine vorbildliche Spendenorganisation verfügt selbst ohnehin über alle Informationen, um optimal transparent zu sein. Diese Informationen auch leicht zugänglich zur Verfügung zu stellen, ist dann ein vergleichsweise geringer Aufwand. Selbstverständlich hängen die Erwartungen an Art und Umfang der bereitgestellten Informationen stark davon ab, wie groß eine Organisation eigentlich ist und was sie tut. Während etwa Ärzte ohne Grenzen exakt beziffern kann, wie vielen Kindern sie binnen eines Jahres mit auf die Welt geholfen hat, können Gruppen wie Amnesty International oder Reporter ohne Grenzen, deren Arbeit zu großen Teilen aus Lobbying besteht, ihre Wirkung oftmals nicht derart exakt und konkret nachweisen – und müssen es auch nicht. (ibid.) |
Das muss den DN-Lesern wie Hohn auf die Augen drücken angesichts der Tatsache, dass für viel zu viele Tierschutzorgas die Transparenz schon beim Impressum ihrer Internetpräsenz endet.
Kometenhafte Verbesserung von PETA
Für den Tierschutz gibt das neue SPON-Ranking nur wenig her. Lediglich VIER PFOTEN und PETA kommen darin vor, wobei erstgenannter Verein mit Platz 15 (Doppelbesetzung mit Oxfam) und 4 Sternen in der vorderen Hälfte liegt. Das Bezugsjahr sei 2012. Die Gesamteinnahmen von VIER PFOTEN belaufen sich auf über 11 Millionen Euro, wovon sich 99 Prozent aus Spenden generieren. In den Teilbewertungen erhält VIER PFOTEN 4 (von maximal 5) Sterne für „Vision und Strategie“, 5 Sterne bei „Aktivitäten“ und 3 Sterne bei „Wirkung“.
Ausschnitt aus Bildzitat Screenshot Spiegel online 28.11.2014: Rangliste der Top 50. |
Das mit den 99 Prozent der Einnahmen aus Spenden zeigt auch recht gefällig den Unterschied zu „anderen“ Orgas wie etwa den Verein Aktion Tier, der noch nicht einmal gemeinnützig ist und deshalb seine Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen generieren muss (z. B. hier, S. 18). Die nächste Frage ist dann immer die, wie ein Verein an seine Mitglieder gekommen ist!
Erstaunlich ist die Platzierung der Tierrechtsorga PETA Deutschland e. V. auf Platz 46 mit 2 Sternen. Erstaunlich empfindet das die DN-Redaktion deshalb, weil PETA beim Ranking der Stiftung Warentest 2013 zusammen mit so Vereinen wie Aktion Tier und Europäischer Tier- und Naturschutz e. V. (ETN) in die unterste Kategorie „Unwirtschaftliche Organisationen und Verweigerer“ einsortiert worden war.
Aber PETA Deutschland zeigt sich lernfähig, denn immerhin war ja auch gerade eben zu vermelden, dass die Tierrechtler bei der Initiative Transparente Zivilgesellschaft unterzeichnet haben und dort auch in der Unterzeichnerliste geführt werden.
Die Wirkungstransparenz von PETA insgesamt wird im SPON-Ranking mit 2 Sternen und 2,22 Punkten bewertet. Das Bezugsjahr ist hier 2013. Die Gesamteinnahmen betragen etwas über 3,5 Millionen Euro, wovon 95 Prozent Spenden sind. „Vision und Strategie“ bekommen immerhin noch 3 Sterne (3,3), „Aktivitäten“ – aus offensichtlichen Gründen (siehe dazu im Artikel zum Stichwort Lobbying) – kaum einen (0,8). Die Wirkung wird mit 2,5 Punkten und 3 Sternen bewertet.
Ausschnitt aus Bildzitat Screenshot Spiegel online 28.11.2014: Rangliste der Top 50. |
Welthungerhilfe und World Vision vorbildlich
Diese Redaktion empfindet es als bezeichnend, dass auf allen vorderen Rängen eben keine Tier- oder Umweltschutzorganisationen, sondern die großen humanitären Hilfswerke liegen: die Deutsche Welthungerhilfe auf Platz 1 zusammen mit World Vision, danach Ärzte ohne Grenzen und Care Deutschland.
Wie himmelweit die Unterschiede zwischen gemeinnützigen Vereinen hinsichtlich Transparenz und auch Wirkung sein können, lässt sich gut an der Assoziation zum Stichwort „Ärzte“ illustrieren: Beim Verein Ärzte gegen Tierversuche e. V. etwa sucht man in den auf der Webseite verfügbaren Jahresberichten irgendwelche Finanzzahlen vergeblich! Von der „Wirkung“ ganz zu schweigen, wie einschlägige aktuelle Pressemeldungen zu der Anzahl von Tierversuchen belegen, die in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen seien und erst für 2013 einen leichten Rückgang zeigen (Quelle). Da wäre die DN-Satire Vereinsauflösung von Ärzte gegen Tierversuche schon längst fällig …
Über zahlreiche Unterlinks kann sich der Leser des SPON-Artikels dann noch über weitere Details wie etwa das Untersuchungsdesign, Methodik und Bewertungsschema informieren.
Das neue Ranking von PETA beweist darüber hinaus, dass all diese Mühen der Publizistik (Recherche, Kritik, Veröffentlichungen, Untersuchungen) offensichtlich doch nicht vergebens sind!
PETA Deutschland ist ein Responder?
Angesichts dieses Quantensprungs führt DN einmal wieder einen neuen Begriff ein: den Responder! Der Begriff stammt ursprünglich aus der Navigationstechnik und bezeichnet eine Antwortbake: Auf ein Signal erfolgt Antwort (Quelle). In der Medizin werden die Bezeichnungen „Responder“ und „Non-Responder“ für Patienten verwendet, die auf eine Therapie hin ansprechen oder eben nicht.
DN überträgt die Begrifflichkeit auf (Tierschutz-)Vereine, die auf öffentliche und berechtigte Kritik konstruktiv reagieren. Und sei es erst nach JAHREN! PETA Deutschland e. V. und auch die SOKO Tierschutz haben nach der Kritik wegen mangelnder Transparenz reagiert.
99 Prozent der Tierschutzorganisationen allerdings sind Non-Responder, deren Reaktionsnulllinie auch die Verweigerung von Presseantworten umfasst.
Ein Sonderfall ist der Deutsche Tierschutzbund e. V., bei dem die Fülle der Transparenzsiegel den Verdienst von Präsident Thomas Schröder oder die Summe der Spenden von Mars Petcare unsichtbar machen und der Presseanfrage von Tierschutzkritikern nicht beantwortet. Ein non-responding Responder? Ein Partiell-Responder? Oder doch nur ein Schlitzohr?
Non-Responder setzen sich über das berechtigte öffentliche Interesse an der Beantwortung gewisser Fragen hinweg und sprechen der gewährten Gemeinnützigkeit (sofern vorliegend) Hohn.
Non-Responder geben 99 Prozent der Berichterstattungsanlässe dieses Blogs.
Dazu können dann durchaus auch mal vegane Kabarettistinnen gehören, wie die Tage zu berichten sein wird …