Aua1046: Piper (1): Ein Polizist, ein toter Hund, zwei abgeschnittene Ohren und eine fette Lücke

 

{TS-Kritik}   [Update: 15.08.2013]

 

Wenn Alpträume wahr werden: Was der Familie W. in Dinslaken passiert ist, gehört in das schlimmste Horrorszenario jeden Hundehalters. Die Hintergründe zum gewaltsamen Tod der Aussiehündin Piper sind so haarsträubend, dass man sie zunächst gar nicht glauben mag. Doggennetz.de hat die Ereignisse nachrecherchiert.

Am Sonntag, den 28. Juli 2013, vermisst die Züchterfamilie W. ihre Australien-Shepherd-Hündin Piper, die 13 Wochen zuvor einen Wurf abgelegt hatte. Die Familie macht sich sofort auf, den Hund zu suchen, und verständigt auch die umliegenden Polizeidienststellen. Am nächsten Morgen, so berichten es die Hundehalter auf ihrer Webseite, erneuter Anruf bei der Autobahndienststelle Oberhausen: nix.

Am Spätnachmittag desselben Tages sei dann ein Polizeibeamter auf das Grundstück der Familie eingedrungen, derweil Frau W. mit einem Welpeninteressenten auf der Terrasse saß. Der Polizeibeamte teilte der Hundehalterin mit, dass Piper überfahren worden und tot sei.

Auf den weiteren Gesprächsverlauf, wie er auf www.tollehunde.de dokumentiert ist, geht DN an dieser Stelle nicht ein. 

Auf jeden Fall habe der Polizeibeamte Pipers Frauchen dann darüber informiert, dass die Hündin in einen Unfall verwickelt gewesen sei, diesen aber überlebt habe. Nachdem der Unfallbeteiligte fortgeschickt worden war, habe er, der Polizeibeamte, die Hündin erschossen. Diese Tötung sei unumgänglich gewesen. Er sei Jäger und kenne sich aus.

Familie W. insistierte daraufhin, den toten Hund nach Hause holen zu wollen. Dies habe der Polizeibeamte abgelehnt. An dieser Stelle des Gesprächs habe er den entsetzten Besitzern eröffnet, dass er dem toten Hund beide Ohren abgeschnitten habe.

Erst nach längeren Verhandlungen konnte Familie W. erreichen, dass der Polizeibeamte sie zu der Stelle brachte, wo Piper unter Ästen, Gräsern und einem Stück Pappe gelegen habe. Familie W. habe die Hündin dann nach Hause geholt.

Mit weiteren Recherchen sei es den Züchtern gelungen, den Unfallbeteiligten ausfindig zu machen. Dieser habe in einem Telefonat mit Familie W. angegeben, er habe an dem Hund keine Verletzungen erkennen können.

Familie W. berichtet den gesamten Vorfall auf ihrer Homepage und gibt für Nachfragen bei der Polizei die E-Mail-Adresse der Polizei Oberhausen an.

 

Familie W. beklagt neben vielen anderen Kritikpunkten auch, dass
der Polizeibeamte einfach auf ihrem Grundstück eingedrungen
sei. Und das, obwohl mit den Informationen an der Eingangstür
genau dies ausgeschlossen werden soll: „Betreten nur nach Aufforderung“.
Oben (von der DN-Redaktion unkenntlich gemacht) ist sogar noch eine
Mobilnummer angegeben, die Besucher benutzen können, wenn
sich auf das Klingeln niemand meldet.
Foto: Familie W. hat der DN-Red. das Bild zur Verfügung gestellt

 

 

Die Darstellung der Polizei

An dieser Stelle ist eine Stellungnahme der Polizei vonnöten. Zuständig dafür ist jedoch nicht die Pressestelle der Polizei Oberhausen. Die DN-Redaktion wird an die Pressestelle der Polizei Düsseldorf verwiesen. Dort ist der Fall auch bekannt. Eine offizielle Pressemitteilung jedoch gibt es nicht.

Dafür beantwortet ein Sprecher der Pressestelle der Polizei Düsseldorf, der ausdrücklich namentlich nicht genannt werden möchte, die Fragen dieser Redaktion. Der Vorgang als solcher wird bestätigt. Der Hund wurde von dem Polizeibeamten getötet. Die Ohren seien abgeschnitten worden.

Zu dem Vorgang gäbe es eine interne Stellungnahme. Wörtlich: „Das Handeln des Polizeibeamten war alternativlos aufgrund des physischen Zustands des Hundes.“

Der Bericht der Familie W. enthalte einige Halbwahrheiten. So sei der Verkehrsunfall auf der Autobahn ein offizieller Vorgang. Der PKW-Fahrer habe Piper nicht mehr ausweichen können.

Das Abschneiden der Ohren erklärt die Pressestelle der Polizei Düsseldorf wie folgt: Der Polizeibeamte sei davon ausgegangen, dass sich der Mikrochip, mit dem die  Halter ausfindig gemacht werden könnten,  in den Ohren befinde. Deshalb habe er die Ohren des Hundes zur Beweissicherung abgeschnitten. Dann habe er den Kadaver mit einer Pappe abgedeckt und die Tierkörperbeseitigung auf dem Dienstwege beauftragt.

Auf die DN-Nachfrage, wie viel Sachkunde eines Polizeibeamten die Vermutung belege, ein Mikrochip befinde sich in den Ohren des registrierten Tieres, bekannte der Pressesprecher, auch er habe nicht gewusst, dass der Markierungschip auf der linken Hals-/Schulterseite zu suchen sei.

Wichtig ist auch die Auskunft des Pressesprechers zu der Nachfrage, ob er bestätigen könne, dass der betreffende Polizeibeamte Jäger sei: „Das kann ich deshalb nicht bestätigen, weil es in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt.“

Diese Angaben sollte sich die Familie W. gut merken, falls der Beschuldigte im Verlauf der jetzt anstehenden Verfahren jemals auf seine Kenntnisse als Jäger verweisen möchte.

 

Die Aussie-Hündin Piper hatte sich der Mitgeschöpflichkeit verschrieben, wie man hier sehr
schön sieht. Sie entlief ihren Haltern und hatte einen Zusammenstoß mit einem Pkw auf der
Autobahn, den sie überlebt hatte. Der anwesende Polizeibeamte kam zu der Einschätzung,
dass sie keine Überlebenschance habe und hat sie erschossen. Anschließend schnitt er
Piper beide Ohren ab, weil er vermutete, dass sich dort der Mikrochip zur Halteridenti-
fizierung befinde.
Foto: Familie W., Tollehunde.de

 

 

Kein Shitstorm und keine BILD-Zeitung

Lothar W. berichtet, dass die von ihm benannte E-Mail-Adresse kurz darauf abgeschaltet worden sei. Darüber hinaus habe seine Familie viel Zuspruch erhalten, darunter auch ein Jäger, der sich von dem Vorgehen seines „Kollegen“ vehement distanziert haben soll und Familie W. riet, den Verantwortlichen auch auf diesem Wege zur Rechenschaft zu ziehen und ggf. für Konsequenzen zu sorgen.

Inzwischen wurde auch eine Rechtsanwältin mit der Wahrung der Interessen der Familie W. beauftragt. Auf der Tollehunde-Seite ist von einer Strafanzeige, einer Dienstaufsichtsbeschwerde und einer Schadensersatzklage die Rede. Ergänzt werde dieses Maßnahmenpaket von Hinweisen an die zuständigen Jagdbehörden sowie den Landesjagdverband.

Besonders bemerkenswert an den Reaktionen der Familie W. ist deren Dank an die Hundefreunde dafür, auf Shitstorm und Co. gegenüber der Polizei zu verzichten. Die Familie bewege sich auch nicht auf Facebook und möchte die digitale „Diskussion“ über ihre Homepage steuern.

Wie Lothar W. gegenüber der DN-Redaktion erklärt, fühle sich die Familie wenig geneigt, die Nachfrage der BILD-Zeitung zu bedienen.

Bei der DN-Redaktion ist der Eindruck entstanden, dass die Züchter den Fall zwar mit allen juristischen Mitteln aufarbeiten werden, aber auf eine Emotionalisierung der Tierfreunde und in ihrer Effizienz unsinnige Protestaktionen verzichten.

DN markiert die Berichterstattung als neue Artikelserie Piper. Lothar W. möchte gern darüber informieren, wie sich die rechtliche Aufarbeitung dieses Falls weiterentwickelt.

 

Doggennetz.de-Senf:

Die traurigen Fakten sind nicht strittig: Piper hat sich der Aufsicht der Hundehalter entzogen und auf der Autobahn einen Zusammenstoß mit einem Pkw verursacht. Der Polizeibeamte hat die Hündin getötet und ihr danach zur angeblichen Beweissicherung die Ohren abgeschnitten.

Die betroffenen Hundehalter berichten bewundernswert gefasst und sachlich die Vorgänge aus ihrer Sicht. Es gab keine vorausgehenden Konflikte mit dem Polizeibeamten, der angab, Jäger zu sein.

Trotz des ganz offensichtlich großen öffentlichen Interesses gibt die Polizei Düsseldorf keine Pressemitteilung zu dem Fall heraus. Aus Sicht dieser Redaktion ist das mehr als verständlich, denn die von dem Pressesprecher so überzeugend vorgetragenen Antworten tragen schwer an ihrer logischen Lücke:

Ein exekutierender Polizeibeamter, der den Hundehaltern gegenüber außerdem noch den Jäger herauskehrt, will nicht gewusst haben, an welcher Körperstelle heutzutage bei registrierten Haustieren der Mikrochip sitzt? Auf der anderen Seite aber hält er sich für kompetent genug beurteilen zu können, wie schwer Piper verletzt war und ob sie eine Überlebenschance gehabt hätte? Das passt nicht zusammen.

Der Unfall soll sich am 28.07.2013 ereignet habe. Der Pressesprecher erklärt, der Unfall sei ein offizieller Vorgang. Die Familie W. jedoch berichtet auf ihrer Homepage, am Montagmorgen bei der Autobahndienststelle Oberhausen angerufen zu haben, wo man nichts von einem Vorgang mit einem Hund gewusst habe.

Nach Berichten der Familie W. sei dem Pkw-Fahrer von der Polizei angegeben worden, er habe keine Chance auf eine Schadensregulierung. Aus einem Renault wird ein VW Polo und der Unfallfahrer soll behauptet haben, keine Verletzung an Piper erkannt haben zu wollen. Das allerdings ist nicht plausibel, wenn zeitgleich von einem Blechschaden in Höhe von 3.000 bis 4.000 Euro die Rede ist.

Das alles jedoch sind Nebenkriegsschauplätze gegenüber dem entscheidenden Faktum: Das Tierschutzgesetz verlangt in § 4 Absatz 1: „Ein Wirbeltier töten darf nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat.“ Ein Polizeibeamter hat diese zweifelsohne nicht. Und der Ausweg über „ich bin Jäger“ ist nach ausdrücklichem Hinweis des Pressesprechers verbaut, der betont, dass er die Jäger-Qualifikation des betroffenen Polizeibeamten deshalb nicht bestätigen könne, weil sie für diesen Vorgang keine Rolle spiele.

Zu bedauern gibt es in diesem Fall viel, angefangen damit, dass die Hündin entweichen konnte. Aber so etwas kann jedem Hundehalter einmal passieren. Nach dem nahezu tragischen Verlauf der weiteren Ereignisse ist besonders zu bedauern, dass die Familie W. in ihrem mehr als verständlichem Schmerz darauf verzichtet hat, eine Pathologie der erschossenen Hündin vornehmen zu lassen.

Das ließe sich jedoch ggf. noch nachholen.

Juristisch jedoch könnte selbst ein entsprechender Pathologiebericht nachrangig sein, weil dem Polizeibeamten völlig unabhängig vom Grad der Verletzungen nach Meinung dieser Redaktion und außerhalb von akuter Gefahrenabwehr kein Recht zusteht, einen Hund zu erschießen.

Sollte der Vortrag der Familie W. stimmen, dass der Polizeibeamte Jäger ist, stünde es den entsprechenden Jagdverbänden extrem gut an, zu diesem empörenden Vorgang Stellung zu nehmen.

Ein absolutes Novum für diese Redaktion ist die Bitte eines offiziellen Pressesprechers, auf die Nennung seines Namens aus Angst vor einem Shitstorm der Tierschützer und zum Schutze seiner Familie zu verzichten. Selbstverständlich gibt die DN-Redaktion dieser Bitte nach.

 

Satirisch nachgetreten:

1. Der Pressesprecher der Polizei Düsseldorf soll einmal mit seiner Webseite einen Providerwechsel versuchen. Dann weiß er auch, was ein Shitstorm ist!

2. Aus satirischer Sicht aufschlussreich wäre eine Statistik der Notarzt-Einsätze auf dem Autobahnabschnitt, für den dieser Polizeibeamte zuständig ist …

 

Update: 15.08.2013

Inzwischen hat die Presse den Vorfall auch aufgegriffen. DIE WELT berichtet am 14.08.2013 hier. Der Autor des WELT-Artikels jedoch nennt den Pressesprecher namentlich; es ist derselbe, der auch die Fragen von DN beantwortet hatte.

Auch DERWESTEN berichtet.