Aua720: Fleisch ist Gott und Konzernnähe der Anfang vom Ende

 

{TS-Kritik}

 

Der Filmtitel kommt unverdient unspektakulär daher: Food Inc. – Was essen wir wirklich? Das klingt ein wenig nach eingeschlafenen Füßen und geschabtem Elefantenhuf. Tatsächlich aber gehört diese Dokumentation von Robert Kenner zu den ganz großen! Doch mit dem Sendeplatz bei Phönix am vergangenen Samstag um 22.30 Uhr wird auch dieses wichtige Aufklärungsdokument wieder nicht die Massen erreicht haben, die es für die notwendigen Konsequenzen erreichen müsste.

Der Film dokumentiert die Verhältnisse der Lebensmittelindustrie und ihren dominanten Einfluss auf die Politik in Amerika. Es sind wenige große Konzerne, die den gesamten Markt beherrschen und den Verbrauchern dabei eine Vielfalt vortäuschen, die es gar nicht gibt. Die Dokumentation fächert die Folgen am Beispiel Fleisch auf und zeigt die tierquälerischen Produktionsbedingungen etwa bei Hühnern.

Im Film gezeigt: Tierquälerei ist Menschenquälerei!

Das Tolle an dieser Dokumentation aber ist, dass sie nicht bei dem moralischen Fingerzeig allein auf Tierquälerei Halt  macht. Die Konsequenzen reichen viel weiter. Abgesehen von den gesundheitlichen Schäden durch die beworbene und politisch gesteuerte Fehlernährung der Verbraucher sind es auch die Arbeiter in solchen Fabriken, die unter „tierschutzwidrigen“ Bedingungen „gehalten“ werden.

Ergo: ein runder ethischer Kritikansatz des Films. Wer so mit Tieren umgeht, geht auch mit Menschen nicht anders um!

Bei Fleischkritik drohen Schadensersatzklagen

Die Dominanz der Lebensmittelkonzerne in Amerika geht dabei offensichtlich so weit, dass sich Kritiker oder gar Vegetarier oder im Extremfall Veganer vor der Kamera über ihre alternative Ernährungsweise nicht zu äußern wagen. Denn dann drohen Schadensersatzklagen der Fleischindustrie. So zumindest berichtet es Food Inc. Fleisch und Fleischkonsum haben in Amerika, so der Eindruck, Gott-Status erreicht und dürfen nicht in Frage gestellt werden.

              

„Es geht nicht nur darum, was wir essen oder um unsere Gesundheit, sondern darum, was wir wissen dürfen.“ Dieses Zitat stellen die Filmemacher an den Anfang des Filmes. Und ziehen am Ende den Schluss: „Einer der wichtigsten Kämpfe der Verbraucher ist der Kampf um das Wissen, was in unserem Essen ist und wie es hergestellt wurde.“ Mit aller Macht verhindern große Konzerne in Amerika, dass Verbraucher erfahren, wie ihr Essen hergestellt wird. Kritiker werden mit Prozessen überzogen und so mundtot gemacht. Auch wenn manche der geschilderten Zustände zunächst „typisch amerikanisch“ scheinen, gibt es doch viele der gezeigten Entwicklungen auch in Europa. Auch hier erfahren Verbraucher oft nicht, was hinter dem schönen Schein der bunten Etiketten steckt.

(Redaktionstext zu Food Inc., Phönix 14.07.2012; Hervorhebung d. Red.)  

              

 

Warum die Arbeit von foodwatch (auch) Tierschutz ist!

In dieser Hinsicht herrschen in Deutschland (noch?) die liberaleren Verhältnisse. Dass jedoch die Politik auch hier ganz gezielt verhindert, dass Verbrauchern wichtige Informationen zur Verfügung gestellt werden, zeigt aktuell der neueste Rundbrief von foodwatch. Darin ergeht die Aufforderung an Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, dem Augenwischprojekt der Online-Plattform lebenmittelklarheit.de endlich gesetzliche Vorgaben folgen zu lassen.

 

Große Tierschutzorganisationen am langen Arm der Konzerne

Für Deutschland ist die künftige Entwicklung schon abzusehen, wenn es etwa den großen Konzernen gelingt, sogar die Tierschützer und große Tierschutzorganisationen vor ihren ganz speziellen Karren zu spannen. Das treffendste Beispiel hierfür: Die VOX-Tierfreundeverdummungsseife hundkatzemaus, „präsentiert von Whiskas“ (i. e. Mars Petcare).

Gerade letzten Samstag hatte dort einmal wieder der Bund gegen Missbrauch der Tiere, bmt, einen breiten Auftritt. Ganz abgesehen von den Implikationen, welche die empfehlenswerte Dokumentation Food Inc. nahelegt, erschreckt die Schamlosigkeit großer Tierschutzorganisationen, sich in einer Sendung zu präsentieren, in der zum Beispiel die Katzenzucht sowie die Exotenhaltung regelmäßig beworben werden. Am Samstag und damit im Umfeld vom bmt durfte sich auch eine Kaninchenzüchterin darstellen!

Und über die bedenkliche Nähe des Deutschen Tierschutzbundes zur Industrie hat Doggennetz.de verschiedentlich berichtet. Der neueste Höhepunkt dabei ist die Werbung des DTB-Präsidenten Thomas Schröder für den Lebensmitteldiscounter mit dem löchrigen Sozialprofil LIDL (vgl. Aua657). Über die bedenkliche Nähe des DTB zur Industrie mit verschiedenen Beispielen berichtete auch dieser CW-Artikel.

 

Permanente Ablenkungsmanöver

Nach Meinung dieser Redaktion werden parallel gezielt und wieder mit Hilfe der Medien, primär des Privatfernsehens, irgendwelche abseitigen Themen zu aktuellen Tierschutzskandalen hochgepusht und ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Tierfreunden gerückt, um damit von den relevanten und wirklich gefährlichen Entwicklungen abzulenken. Wer gegen Hundetötungen im osteuropäischen Ausland mobilisiert wird, kriegt den systematischen Ausbau des Grauens für die heimischen Nutztiere, die immer engere Verflechtung von Industrie mit gesellschaftlich relevanten Institutionen wie etwa den großen Tierschutzorganisationen und andere wichtige Entwicklungen gar nicht mehr mit.

Immer noch geilen sich deutsche Tierfreunde an dem schon, so zumindest die Presseauskunft der ukrainischen Botschaft (vgl. Aua598),  im Januar 2011 außer Betrieb gesetzten fahrbaren Krematorium in der Ukraine auf. Dass aber in deutschen Schlachthöfen täglich eine unbekannte Anzahl von Schweinen  lebend im Brühbad landen, weil die Betäubung mal wieder nicht richtig funktioniert hat, bewegt allenfalls eine Handvoll politischer Tierschützer. Der Fokus der Aufmerksamkeit deutscher Tierfreunde wird gezielt von den eigentlichen Tierschutzproblemen weg auf spektakuläre und mit hohem Empörungspotenzial versehene Randphänomene justiert und gelenkt. Dazu gehört übrigens auch das Thema Zoophilie!


Veganer haben den Schuss nicht gehört

Einen wichtigen Beitrag zum schon fast verbürgten Erfolg der Nahrungsmittel- und insbesondere der Fleischindustrie sowie zur Übertragung amerikanischer Verhältnisse auf Europa  leisten, nach Meinung dieser Redaktion, auch die politischen Tierschützer aus der veganen Ecke. Derweil diese immer noch mit der missionarischen Keule auf die Fleischesser einprügeln, können Industrie und Konzerne in aller Ruhe ihr demokratie-, tier- und verbraucherfeindliches Süppchen kochen. Da versucht ein Prozent der Bevölkerung die verbockten 99 Restprozente von ihrer speziellen Lebensart zu überzeugen. Und im Windschatten dieser Missionierung knüpfen die wirtschaftlichen und politischen Drahtzieher ihr Netz weiter und dichter.

Heute noch ist es Wilfried Huismann, der um Presse-, Meinungs- und Autorenfreiheit für sein Schwarzbuch WWF kämpft. Dessen Thema ist auch nur eine Variante des immer selben Spiels: der Macht der globalen Konzerne. Nur beschreibt er diese aus der Perspektive einer namhaften NGO, die nach Huismanns Rechercheergebnissen viel zu große Nähe zu diesen Konzernen aufweist.

Heute noch ist es Doggennetz.de, das mit dem schwächeren Strahlungsgrad des ganz kleinen Lichtes  ebenfalls versucht, das Recht auf Kritik auch an den Großen zu verteidigen.
Gestern noch war auch CharityWatch.de mit dabei. Doch Stefan Loipfinger wurde schon erfolgreich herausgekegelt.  

Warum ist es für viele Tierfreunde so schwer zu begreifen, dass Demokratie, Transparenz, Presse- und Meinungsfreiheit genau die Werkzeuge sind, welche auch für authentischen und erfolgreichen Tierschutz unverzichtbar sind? Und dass all jene, die diese Instrumente verunglimpfen und bekämpfen, auch dem Tierschutz die Basis entziehen?

Morgen ist vielleicht auch in Deutschland Fleisch Gott. Wobei <Fleisch> einfach nur das Symbol für die Macht der globalen Konzerne ist und <Gott> das Etikett für die herrschende Ideologie!