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Aua672: Der Tag, als Rolf auf den Kalender sah

 
<<<Kontext-Erhellung in Aua671>>>

{eine nicht witzige TS-Satire oder doch ein reuiges Melodram?}

 

Er war Insasse. Langjährig.  Z i e m l i c h   langjährig. Quälend langjährig. Zu quälend lang einzusitzen in einem derart heruntergekommenen Tierheim.

Es war so heruntergekommen, dass seine Kumpels kurz nach seinem, Rolfs, letzten Blick auf den Kalender abgeholt wurden. Sie wurden weggebracht. Wohin auch immer.

Doch das dem Wohin-Hinterherdenken war nicht der Job Rolfs am 10. Mai 2012.

„Holla“, dachte vielleicht der von der abwechslungslosen Tristess seines ausschließlichen Zwingerdaseins sowie von reichlich Filzmatten eingedeckte rassereine Schäferhund: „Holla, heute muss ich die Biege machen. Und zwar: friedlich!“

Nicht dass ihm das mit der Biege wirklich be-, dann doch eher in der Aussicht entlastet hätte. Denn nach so vielen Jahren Tierheimaufenthalt nach den vorausgegangenen vielen Jahren Zwingeraufenthalt hatte sich das Rosa seiner Zukunft zweifelsfrei entfärbt.

Wenn nix mehr kommt, dann kann man gehen.

Apropos gehen! Laufen! Raus aus dem Zwinger? Ein Mal in der Woche nur. Seit Jahren. Für eine Kreatur, der Laufen das Natürlichste ist.

Wenn ein Hund nicht laufen darf, dann kann er auch gehen! Bloß: Friedlich muss es sein!

Rolf zeigte sich mit der Kalenderansage weitgehend einverstanden.

Die eine Frage, warum es soo vielen seiner Hundekumpel im Ausland als die einzige Rettung angedichtet wird, hierher kommen zu dürfen, diese Frage würde sich vermutlich auch nicht mehr klären. Aus Rolfs Sicht der Dinge lohnt es sich nicht, jahrelang auf den 10. Mai 2012 hinzuvegetieren, wenn  hund diesen „Frieden“ gleich haben kann?

Von allen blieb eigentlich nur noch ein Problem: der Frieden. Denn um die Lügner nicht der Lüge zu überführen, musste er noch einmal folgsam sein. Ein letztes Mal. Auch wenn ihm die Folgsamkeit der Vergangenheit keinen Frieden gebracht hatte. So kroch er stöhnend  in das schlingernde Boot des realitätsfernen Mythos vom sanften Tod, von dem jene  künden, die Tod noch nie erlebt haben.

Steh JETZT still, du mein ungestilltes Herz!“

Es stand nicht still.

Dafür wurde Rolf die Luft nun  knapp. Vielleicht wurde ihm die Luft nun knapp, wie sie oft knapp wird, wenn überfällige Tierheimhunde am Morgen des 10. Mai auf den Kalender blicken und wissen, dass sie heute „aus Altersgründen“ einzuschlafen haben. Und zwar: „friedlich“!

Vielleicht aber auch hat Rolf die Luftnot gar nicht so richtig mitbekommen, weil die ebenfalls altersgemäße Niereninsuffizienz inzwischen so weit fortgeschritten war, dass Hirn und Rest vom Körper von den nicht ausgeschwemmten Stoffen hochgradig vergiftet war. Urämisch halt.

„Mist, Mist“, hätte Rolf in jenem Fall gedacht, weil er vielleicht wusste oder bei den anderen Kumpel miterlebt hat, dass dieser Tod ein grausamer ist. Der Vergiftungstod. Nicht selten mit furchtbaren Krämpfen!

Steh JETZT still, du mein ungestilltes Herz!“, stemmte sich der Kostenposten vielleicht ein letztes Mal dem drohenden Unfrieden entgegen!

Es stand nicht still.

Und bei alle dem war es so still. Um ihn. Um Rolf. Kein Mensch, kein Freund, kein Begleiter, keine Hand, die stützt und tröstet.

Keine Empathie für eine arme deutsche Tierheimkreatur mehr übrig, wenn so viel Empathie für Tiere ganz weit weg abgegriffen wird. Wo sucht ihr eigentlich, Gesuchte-Tierquäler.com, das Offensichtliche?

Warum, du im ganzen Ausland Hunde abknutschende Maya Prinzessin von Hohenzollern, bist du nicht da, wenn mir mein Herz nicht mehr gehorcht?

Steh JETZT still, du mein ungestilltes Herz!

Es stand nicht still.

Das Wollen bricht: „Dann eben nicht!“ Rolf lässt alles fahren dahin.

Er flüstert uns nicht, wie er wirklich gestorben ist.
Wie er in der Wirklichkeit gestorben ist.
Wie die Wirklichkeit an ihm gestorben ist.

Vielleicht wie viele: unter Krämpfen, Schmerzen, Panik, Angst, Entsetzen. Ganz allein. In einem derart maroden Tierheim, dass seine Kumpels – ach, den Teil hatten wir ja schon!

Es gibt keine Diagnose. Nicht einmal danach.

Übrig bleibt nur der ätzende Zynismus, den Rolfs der deutschen Tierheime postmortal und zynisch das verlogene Etikett auf den krampfverzerrten Kadaver zu kleben: „friedlich eingeschlafen“!

Herz an Rolf: „Klappe!“
Tierschützer-Aktionismus-Herz an Sach-Verstand: „Klappe!“
Tierschutz an Ethik: „Klappe!“

Rolf an alle: Ich hab’s geschafft! Leckt mich!

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