Aua398: Gastbeitrag von Inga Volkert: Der Tierschützer als Tierarzt

{TS-Kritik}

 

Nachstehende Innenansichten einer Tierschützerin mit 15 Jahren Praxiserfahrung erfassen eine ganze Reihe weiterer Aspekte tierschützerischen Tuns, die nicht nur dieser Redaktion oder CharityWatch.de berichtenswert vorkommen. Insbesondere die im Beitrag berichtete Tendenz bei manchen Tierschützern, selbst den Tierarzt zu geben, eigenhändig mit Antibiotika und Co. herumzuhantieren, erscheint mehr als bedenklich (vgl. dazu auch Aua168).

              

Hallo Frau Burger,

wenn ich mich so durch Ihre Seite klicke, dann werde ich sehr traurig. Denn leider deckt sich das, was Sie hier aufdecken, mit meinen eigenen Erfahrungen.

Ich bin mittlerweile seit über 15 Jahren im Tierschutz aktiv, habe sowohl den traditionellen Vereins- und Tierheimtierschutz als auch den heute weit verbreiteten Internet- und Forentierschutz intensiv von innen kennen gelernt. Außerdem bin ich lange Jahre geritten und hatte früher auch Hunde, kenne also auch die Pferde- und Hundeszene aus der Innenschau.

Was allen gemein ist, ist eine fast absolute Kritikunfähigkeit.

Wer den Mund aufmacht, fliegt raus. Und die anderen rotten sich danach noch enger zusammen, misstrauisch bis ins Mark. Gleichzeitig wird gegeneinander intrigiert und nach anderen Vereinen bzw. Zusammenschlüssen gehackt, dass es kaum erträglich ist.

Wenn man bei den Super-Tierschützern mit den schönen Homepages und Infoständen dann mal einen Blick hinter die Kulissen tun darf und sieht, wie sie ihre eigenen Tiere halten und behandeln, dann klappt einem die Kinnlade runter. Viele sind meilenweit entfernt von den Standards, die sie für andere aufstellen und aggressiv einfordern.

Besonders bedenklich finde ich die aktuelle Tendenz in vielen Tier(schutz)foren, Krankheiten nach Ratschlägen der Forengemeinde erst einmal selber zu behandeln, untereinander verschreibungspflichtige Medikamente auszutauschen, jede tierärztliche Diagnose komplett in Frage zu stellen und ohne Absprache mit dem behandelnden Tierarzt parallel auf andere vermutete Krankheiten zu behandeln. Da werden z. B. Antibiotika eingesetzt, dass es eine Lust ist. Und hinterher wundern sich die Leute, wenn die Tiere nur noch mit Hammer-Medikamenten zu behandeln sind, weil sich durch das eigenmächtige Herumpfuschen Resistenzen gebildet haben. Ohne jede Anleitung durch Tierarzt oder Tierphysiotherapeuten werden Bewegungsübungen mit gelähmten oder behinderten Tiere gemacht, wobei manchmal noch nicht einmal die Ursache der Behinderung klar ist. Bei tierischen Neuzugängen aus „Notfällen“ wird keine oder nur unzureichende Quarantäne eingehalten, so dass ganze Bestände mit Viren durchseucht werden und diese dann durch „deutschlandweite Vermittlung“ per Mitfahrgelegenheit auch noch fröhlich durch die ganze Republik weiterverteilt werden. Manche Tierschützer haben tierärztlichen Rat anscheinend gar nicht mehr nötig, weil sie sich selber für medizinische Experten halten.

Manchmal gewinnt man den Eindruck, viele Leute würden sich nur deshalb im Tierschutz tummeln, weil sie sich auf diese Weise als Gutmenschen profilieren und ihrem verkorksten Leben eine Art Sinn geben können. Was auf Homepages und im Smalltalk-Bereich der Foren freimütig an behandlungsbedürftigen, schwersten psychischen Erkrankungen offen gelegt wird, lässt einen mit den Ohren schlackern – und stark bezweifeln, ob Menschen, die es kaum oder gar nicht schaffen, ihr eigenes Leben zu sortieren, auch noch Verantwortung für andere Leben tragen sollten und können. Oft zeigt sich im Laufe der Zeit, dass sie es NICHT können, weil im Ernstfall z. B. kein Geld für notwendige Tierarztbehandlungen da ist oder man es erst gar nicht bis zum Tierarzt schafft, da Angststörungen ein Verlassen der Wohnung verhindern. Während die Halter in Depressionen versinken oder mal wieder in der Klinik sind, werden die Tiere allerhöchstens notdürftig versorgt. Wenn es dann nicht mehr geht und die Tiere, häufig sehr plötzlich, abgegeben werden müssen, ist das Entsetzen angesichts des Zustandes dieser „Tierschützertiere“ bei den Übernehmern groß. Nicht selten müssen solche Tiere wegen nicht wieder zu behebender Verwahrlosung und unbehandelten Krankheiten oder Verletzungen im fortgeschrittenen Stadium eingeschläfert werden.

Leider können sich die Tiere nicht dagegen wehren, zum Lebens(in)halt sonst haltloser Menschen gemacht zu werden. Wer nicht sprechen kann, ist eben ein optimales Objekt für Projektionen eigener (menschlicher) Bedürfnisse.

Inga Volkert