Aua1406: Sachkundeprüfung Tierschutzgesetz (9): Offener Brief von Deutschlands Kynologiekapazitäten an Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt

 

{TS-Kritik}

[19.09.2014]
[Aktualisierung vom 07.12.14 wg. geänderter URL der AG-BU11]

 

AG-BU11! Noch nie gehört? Das ist die Arbeitsgemeinschaft zur bundeseinheitlichen Umsetzung von § 11, Abs. 1 Nr. 8f Tierschutzgesetz. Die Arbeitsgemeinschaft setzt sich aus Hundetrainern, Tierärzten, Therapeuten und Rechtsanwälten zusammen. Als verantwortlicher Herausgeberin im Impressum genannt ist Nadine Matthews. Wer genau der AG-BU11 angehört, ist zumindest der Webseite bisher noch nicht zu entnehmen.

Am 18. September 2014 veröffentlicht die AG-BU11 einen Offenen Brief an den Bundesminister Christian Schmidt.

Inhalt ist die umfassende Kritik der bisherigen Behördenpraxis im Kontext der neuen Regelung zu § 11 Abs. 1 Nr. 8f TierSchG. DN-Lesern werden die nachfolgenden Kritikpunkte der AG-BU11 bekannt vorkommen; sie wurden mehrheitlich schon auf diesem tierschutzkritischen Blog thematisiert.

 

Behördenwillkür

Zunächst kritisiert die AG-BU11 die Willkür der Behörden bei den bisherigen Zulassungsverfahren für Hundetrainer (vgl. Aua1362, Aua1378, Aua1393). Zahlreiche Behörden erteilten die Zulassung ohne konkrete Prüfung

Das kann die DN-Redaktion bestätigen. In einem Gespräch mit einen Veterinär aus Nordrhein-Westfalen berichtete dieser, in seinem Landkreis würden alle Hundetrainer, die schon mehr als drei Jahre praktizieren, die Erlaubnis ohne Prüfung erhalten.

Wieder andere Behörden würden die von der Länderarbeitsgemeinschaft beschlossene Einzelfallprüfung ablehnen. Und verwiesen dann auf die Prüfungen der Tierärztekammer und der IHK Potsdam.

Einige Antragsteller seien schon mit Berufsverbot bedroht worden.

 

Literaturliste mit fachlich fragwürdigen Inhalten

Namentlich erwähnt wird im offenen Brief Bayern, das Bundesland, das mit seinen äußerst eigenwilligen Praktiken, dem marktinvasiven Gehabe des Landesamts (vgl. Aua1393) und einigen äußerst geschäftstüchtigen Tierärztinnen von Prüfungskommissionen auffällt. Die AG-BU11 kritisiert dort die herausgegebene Leseliste von 25 Hundefachbüchern mit teilweise überholten und fachlich fragwürdigen Inhalten.

 

Tierärzte und Abzockerei

Auch die schon im offenen DN-Brief (Aua1362) an die erste Vorsitzende der Tierärztlichen Arbeitsgemeinschaft Hundehaltung (TAG-H) bei der Bundestierärztekammer kritisierte Geldmacherei ist Thema des offenen Briefs der AG-BU11. Zunächst wird kritisiert, dass in den Prüfungskommissionen berufsfremde Mitglieder säßen, die keinerlei Erfahrung als Hundetrainer vorweisen können. Dabei handele es sich häufig um Tierärzte, deren Qualifikation nicht ausreiche.

Im nächsten Punkt des Briefes wird das Angebot von kostenpflichtigen Vorbereitungslehrgängen durch die Mitglieder dieser Prüfungskommissionen bemängelt.

Das dazugehörige Beispiel in Bayern wurde in Aua1393 beschrieben: zwei Tierärztinnen, die auch gemeinsam mit einer Veterinäroberrätin des Bayerischen Landesamtes LGL auftreten, mit ihrem Prüferstatus in unaufgefordert zugesandten Werbemails winken und sauteure Vorbereitungskurse anbieten!

 

Unausgereifter D.O.Q.-Test

Wie die DN-Redaktion auch stellt die AG-BU11 „mehrere fachliche Fehler“ des D.O.Q.-Test (PRO) fest. Die Themenbezüge seien teilweise fragwürdig und das Gesamtwerk müsse als „unausgereift“ bezeichnet werden.

Ergänzend darf DN noch anfügen, dass die Verantwortlichen des D.O.Q.-Testes, die TAG-H sowie das Unternehmen Data-Parc Ltd., kritische Fragen zu diesem Test nicht beantworten!

Der AG-BU11-Brief kommt dann nach einer Kritik an fehlenden wichtigen und praxisorientierten Komponenten in der Prüfung zu dem gleichfalls auf diesem Blog schon thematisierten Phänomen, das unverhältnismäßig schwierige Fragen gestellt werden. DN hatte diesen Mangel schon an den Stichworten „homoiotherme Tiere“ und „binokulares Gesichtsfeld“ ausgeführt (vgl. Aua1388). Beide Beispiele haben ulkigerweise Eingang in die AG-BU11-Erläuterungen zum Brief gefunden.

Witzig, gell!

 

Erläuterungen zu den Ausführungen an den Bundesminister

Um den offenen Brief nicht unnötig zu längen, gibt die AG-BU11 die dazugehörigen Erläuterungen separat heraus. Und die haben es in sich!

Denn endlich artikuliert sich einmal kompetente Kritik an den Machenschaften von Tierärzten und der IHK Potsdam.

              

Aus der Bundestagsdrucksache 17/10572, Seite 47, linke Spalte ist zu entnehmen, dass das Gesetz ein „Mindestmaß an Sachkunde“ sicherstellen will. Dies steht in einem eklatanten Widerspruch zu der praktizierten Auslegung, dass ausschließlich Prüfungen der TÄK Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie der IHK Postdam anerkannt werden, ohne weitere Einzelfallprüfung.

(AG-BU11, Erläuterungen zu den Ausführungen an den Bundesminister)

              

Die DN-Redaktion würde der Aufzählung dann noch hinzuzählen wollen: der BHV und Mars Petcare. Dieses interessante Feld wird möglicherweise noch eine separate satirische Bearbeitung auf DN erfahren!

 

Da wird Mars Petcare aber nicht begeistert sein! Seit Monaten werden die Seilschaften disponiert und das Zusammenspiel zwischen Tierärzten, IHKs und BHV dirigiert, aber dann gibt es ständig Störfeuer. Der kleine Blog Doggennetz.de ist dabei zu vernachlässigen, aber wenn sich jetzt die kynologischen Kapazitäten des Landes unter der AG-BU11 zusammenrotten … werden sie das Kartell wahrscheinlich auch nicht brechen!!!
Bildzitat Screenshot von Mars, Pressemeldung 24.04.14

 

Die Behörden setzten Antragsteller mit der Androhung von Berufsverboten unter Druck und gäben verwirrende oder auch widersprüchliche Auskünfte zum Bestandsschutz.

 

Erhebliche Mängel und Kompetenzschwächen bei Prüfern

Die Erläuterungen steigen dann in unterschiedliche Ansätze und Richtungen der Kynopädagogik ein unter der Überschrift „Sachkundeprüfungen mit erheblichen Mängeln und Kompetenzschwächen bei Prüfern“. In der aktuellen Prüfungspraxis erhielten Konditionierungsspielchen am Hund mit Clicker und Leckerli Vorzug. Dagegen aber wären soziale Mechanismen nicht prüfungsrelevant.

In der weiteren Argumentation kommen dann auch unfreiwillige Highlights zum Vorschein, die auf dem Niveau der Cesar-Millan-Blamage siedeln. Der weltberühmte Hundeflüsterer hatte die Sachkundeprüfung nicht bestanden (vgl. Tageslinks 2014 TL123/14). Das Parallelbeispiel dazu:

              

Wir stellen in diesem Zusammenhang fest, dass die fachlichen Referenzen und Kompetenzen zu prüfender Hunsdetrainer in mehreren Fällen deutlich über den Fähigkeiten der Prüfer lag.

(ibid.)

              

 

Mehrere Prüfer handeln eigennützig und profitieren persönlich

Offensichtlich sind der AG-BU11 Fälle bekannt, in denen verschiedene Mitglieder in Prüfungskommissionen gleichzeitig als Dienstleister kostenpflichtiger Fortbildungsveranstaltungen zur Prüfungsvorbereitung auftreten.

Guck an! Solche Fälle sind der DN-Redaktion auch bekannt und von ihr schon angedeutet worden (siehe Artikelliste zum Thema unten).

Das Exempel bei der AG-BU11 jedoch ist (dieser Redaktion) neu: Ein für Helmstedt zuständiges Veterinäramt verweise Antragsteller an die Firma Lupologic in Düsseldorf. Dort werden dann nicht nur die Vorbereitungslehrgänge für die Prüfung, sondern gleich die Prüfung selbst durchgeführt.

Darauf einen Hopfensteiner!

 

D.O.Q.-Test: unausgereift und fehlerbehaftet

An dieser Stelle sollten jetzt die Tierschützer ganz besonders gut aufpassen. Denn die AG-BU11 geht in den Erläuterungen zum Ministerbrief detailliert auf den Online-Test-Murks ein. Allerdings beschäftigen sich die Kynologen hier natürlich nur mit der D.O.Q.-Test-PRO-Version. Davon haben die Tierschützer, welcher den D.O.Q.-Test IMP ablegen müssen, zunächst noch nichts. Aber die DN-Redaktion ist auf der Grundlage ihr vorliegender externer Expertise der Meinung, dass diese Kritik im gleichen oder noch stärkeren Umfang für die IMP-Version zutrifft.

Wie oben schon erwähnt, beantworten die D.O.Q.-Test-Verantwortlichen die Fragen zum Test PRO nicht. Die werden demnächst auf DN in der Rubrik <Pav Presseauskunft verweigert> veröffentlicht.

Über die homoiothermen Tiere und das binokulare Gesichtsfeld sind – siehe oben – auch die kynologischen Kapazitäten dieses Landes gestolpert. Der Burner mit dem nachgefragten Blaufarbton vom EU-Heimtierausweis kommt leider in der PRO-Version nicht vor und blieb so den AG-BU11-Experten erspart (vgl. dazu Aua1362).

Auch die Kritik an den Bücherlisten wird detailliert substantiiert. Die Erläuterungen kommen mit einem Erfahrungsbericht des Hundetrainers Mustafa Irmak zum Abschluss, in dem der D.O.Q.-Test neuerlich Thema ist. Pointe dieses Berichts ist der Umstand, dass es sich um einen hochqualifizierten Trainer handelt, der alle möglichen Prüfungen vorweisen kann, und trotzdem noch einmal den D.O.Q.-Test absolvieren, 100 Euronen dafür sowie weitere Kosten für die redundante Prüfung abledern musste.

Goldrausch Sachkundeprüfung!

 

Sechs Forderungen

Der offene Brief der AG-BU11 mündet dann in sechs explizite Forderungen nach (formuliert à la DN) Ende der Behördenwillkür, Bestandsschutz, eine stärke Praxisorientierung der Prüfungen, Ende der Abzocke durch Tierärzte und Prüfungskommissionsmitglieder, fachlich-inhaltliche Überprüfung des D.O.Q.-Testes sowie bundeseinheitliche Richtlinien zur Umsetzung von § 11 Tierschutzgesetz.

 

Wer unterzeichnet nicht?

Interessant ist die Liste der Unterzeichner: neben Nadin Matthews sind das der bekannte Fachbuchautor und Sachverständige Thomas Baumann, Sophie Strodtbeck, PD Dr. Udo Gansloßer, Mirko Tomasini (holla!), Gerd Leder, Günther Bloch et al.

Noch interessanter ist, wer nicht bei den Unterzeichnern dabei ist: Martin Rütter. (DN kommentiert das an dieser Stelle unter Auferbietung aller Kräfte nicht! Außerdem: Wer schon einmal bei Mario Barth Hoppe-Hoppe-Reiter machen durfte .. Aua216)
Und Grewe, auch nicht!

So, so.

 

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