Aua1390: Das tierseuchenrechtliche Drittländer-Chaos (1): Das BMEL weiß es wohl selbst nicht?

 

{TS-Kritik}

[22.08.2014]

 

Dem Chaos Suchenden kann derzeit keine zuverlässigere Adresse empfohlen werden als Veterinärämter, die dazugehörigen Länderministerien sowie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Er begehre eine zuverlässige Auskunft wahlweise zu Durchführungsdetails rund um die Sachkundeprüfung nach § 11 Absatz1 Welche-Nummer-auch-immer oder gar Drittländer!

Drittländer ist ganz toll. Da sind an Antworten und Auskünften zu haben, was immer der Beliebigkeit beliebt.

 

Die Türkei ist ein nicht gelistetes Drittland … oder auch nicht

Mit nicht unbeträchtlichem Unwohlsein hatte sich die DN-Redaktion in Aua1380 der schlichten Empirie der Tierschützer von Streunerherzen & Tiere in Not Alanya, Nicole Mader, angeschlossen. Denn diese auf die Türkei spezialisierten Tierschützer haben in Gemeinschaft mit dem für sie zuständigen Veterinäramt Solingen eine tierseuchenrechtliche Position eingenommen, wie sie in ihren Grundzügen bis dato auch dieser Redaktion geläufig war: Die Türkei ist ein nicht gelistetes Drittland. Gewerbsmäßige Einfuhren von (lebenden) Tieren, die Tollwut übertragen können, ist nach geltendem Tierseuchenrecht nicht möglich. Ergo und seit der Novellierung des Tierschutzgesetzes 2013 sowie dem Auslaufen der Übergangsfrist am 1. August 2014 sind Einfuhren von (lebenden) Tieren durch Tierschützer aus der Türkei und anderen nicht gelisteten Drittländern (z. B. Serbien) nicht mehr möglich.

Punkt.
Gedankenstrich.
Fragezeichen.

Oben aufgerufenes Unwohlsein dieser Redaktion nährte sich vorzüglich aus dem Umstand, dass dieses „Wissen“ ad hoc nicht mit entsprechenden Gesetzes- oder Verordnungszitaten zu belegen war. Deshalb hatte DN eine entsprechende Presseanfrage an den Lieben Gott des (nationalen) Tierseuchenrechts gerichtet: das BMEL.

Dieses hat – gefühlt – „irgendwann“ in der langen Zeit seit Beginn der ministeriumskritischen Berichterstattung auf DN und heute auch noch sein „V“ verloren! (Lüge. Es war nicht „irgendwann“, sondern, wie Wikipedia belehrt, 2013 und mit Beginn der Legislaturperiode „Merkel III“. Das „V“, „Verbraucherschutz“, hockt jetzt beim Justizministerium, ohne dass bisher bekannt geworden wäre, ihm ginge es dort wesentlich besser.

Wir verplaudern uns schon wieder.

 

Völlig „unverständliche“ Presseantwort des BMEL

Um das nicht belegbare „Wissen“ aus Aua1380 mit entsprechenden Antworten der obersten Bundesbehörde für solche Fragen zu stützen und gleichzeitig die kaum unterschwellige Kritik an dem Internetportal Tiervermittlung.de sowie den Umtrieben weiterer Türkei- und Serbien-Tierschützer abzusichern, richtete diese Redaktion eine glasklare Frage an Tierschutz-Cheffe, das BMEL:

             

1. Ist es zutreffend, dass die gewerbsmäßige Einfuhr von Tieren aus nicht gelisteten Drittländern durch Tierschützer generell verboten bzw. nicht möglich ist?

(Frage Nr. 1 aus der Presseanfrage der DN-Redaktion an das BMEL am 12.08.14)  

              

Wir verlieren uns jetzt nicht in den Zauber einer derart klaren, eindeutigen, pointierten und obendrauf noch ironiefreien Fragestellung der DN-Redaktion,

Stattdessen lassen wir uns mitreißen von einer BMEL-Presseantwort, die in ihrer Unbestimmtheit, ihrem Verwirrungspotenzial und ihrer – mutmaßlich – sachlichen Mängelhaftigkeit kaum zu überbieten ist.

Um so etwas überhaupt hinzukriegen, sind bestimmte Antworttechniken der zuständigen Pressestelle des BMEL erforderlich. Die etwa zersprengen die Klarheit von Antworten schon dadurch, dass sie auf Fragen nicht einzeln, sondern gesammelt antworten.

Jetzt passen Sie mal auf, was dabei herauskommt:

WARNHINWEIS: Auslandstierschützer sollten diese Presseauskunft des BMEL nach Meinung dieser Redaktion auf gar keinen Fall ernstnehmen. Sie kann unmöglich in ihrer Gesamtheit zutreffend sein!

              

Zu den Fragen 1, 2, 3 und 5:

Listen von Drittländern in Bezug auf die Einfuhr von Hunden im Rahmen des Handels bestehen nicht nach dem Tierschutzgesetz, sondern im Tierseuchenrecht. Sie finden sich sowohl im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 998/2003, die sich u.a. mit der Einfuhr von Hunden im Rahmen des Reiseverkehrs befasst, als auch im Anhang II Teil 1 der Verordnung (EU) Nr. 206/2010, auf die das Tierseuchen-Handelsrecht zusätzlich Bezug nimmt.

Derzeit werden folgende Drittländer mindestens in einem der relevanten Anhänge der beiden Verordnungen gelistet:

Andorra, Schweiz, Island, Liechtenstein, Monaco, Norwegen, San Marino, Vatikanstadt, Ascension, Vereinigte Arabische Emirate, Antigua und Barbuda, Albanien, Niederländische Antillen, Argentinien, Australien, Aruba, Bosnien und Herzegowina, Barbados, Bahrain, Bermuda, Brasilien, Botsuana, Belarus, Belize, Kanada, Chile, China, Kolumbien, Costa Rica, Kuba, Algerien, Äthiopien, Fidschi, Falklandinseln, Grönland, Guatemala, Hongkong, Honduras, Israel, Indien,  Island, Jamaika, Japan,  Kenia, St. Kitts und Nevis, Kaimaninseln, St. Lucia,  Marokko,  Montenegro,  Madagaskar,  Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Montserrat, Mauritius, Mexiko, Malaysia,  Namibia,  Neukaledonien, Nicaragua,  Neuseeland,  Panama, Französisch-Polynesien, St. Pierre und Miquelon, Paraguay,  Serbien, Russische Föderation, Singapur, St. Helena,  El Salvador,  Swasiland, Thailand,  Tunesien,  Türkei, Trinidad und Tobago, Taiwan,  Ukraine, Vereinigte Staaten von Amerika (einschließlich Amerikanisch-Samoa, Guam, Nördliche Marianen, Puerto Rico und Amerikanische Jungferninseln),  Uruguay, St. Vincent und die Grenadinen, Britische Jungferninseln, Vanuatu, Wallis und Futuna, Mayotte,  Südafrika und Zimbabwe.

Aus anderen als den genannten Drittländern ist aus tierseuchenrechtlichen Gründen die Einfuhr in die EU nicht zulässig.

(Presseantwort des BMEL am 19.08.14 an die DN-Redaktion auf die Frage, ob Tierschützer Tiere aus nicht gelisteten Drittländern nach Deutschland einführen dürfen; Hervorhebg. d. DN-Red.)

  

              

 

Einfuhren im Rahmen des Reiseverkehrs sind irrelevant

Was für ein ….!

Die EG-Verordnung 998/2003 bezieht sich ausdrücklich auf Verbringungen „von Heimtieren zu anderen als Handelszwecken“ und trifft deshalb schon einmal nicht auf die gewerbsmäßigen Tätigkeiten von Tierschützern zu. Die nämlich fallen seit der Novellierung des Tierschutzgesetzes GRUNDSÄTZLICH und ohne Ausnahme in die Rubrik „zu Handelszwecken“; sie sind gewerbsmäßig.

Lediglich hinsichtlich der Kategorisierung in Drittländer, davon wieder gelistete versus nicht gelistete, lässt sich eine Referenz herstellen.

Wer jedoch auf die ausdrückliche Frage nach gewerbsmäßigen Verbringungen mit dem Hinweis auf EU-Verordnungen zu nicht gewerbsmäßige Verbringungen antwortet, was darf man zu einem solchen Orakel sagen?

Wir führen das an dieser Stelle nicht weiter aus.

 

Im Widerspruch zu den eigenen Verlautbarungen

Dieser demokratietoxische türkische Präsident Erdogan wäre vermutlich selbst am meisten überrascht, sein Land schwuppdiwupp hinsichtlich lebender Tiere, die Tollwut übertragen können, urplötzlich und ohne weitere Intervention auf der Liste der gelisteten Drittländer zu finden. Es interessierte ihn denn.

Aber die DN-Redaktion muss gar nicht erst ihre Macho-Toleranz strapazieren, um das zu überprüfen. Denn das BMEL selbst verlautbart auf seiner Webseite unter gleichem Datum inklusive Tippfehler:

              

Nicht gelistete Drittländer

Unter dem Begriff „Drittland“ werden alle Länder außerhalb der EU zusammengefasst. „Nicht gelistete Drittländer“ sind alle Länder, die nicht in den Anhängen zur EU-Verordnung 998 / 2003 aufgelistet sind.

 

Nicht gelistete[t] Drittländer

Für sie gelten besondere Anforderungen. Eine Einreise mit dem Tier in eines dieser Länder ist dabei meist nicht aufwändig, die Wiedereinreise nach Deutschland und in die EU ist aber erschwert.
Zu den nicht gelisteten Drittländern zahlen beispielsweise Ägypten, Serbien und die Türkei.

(Internetseite des BMEL; Hervorhebg. d. DN-Red.)

  

              

Auf dem Boden seriöser Berichterstattung verbleibend, wäre DN fürderhin gezwungen, gemäß obiger Auskunft des BMEL per Presseantwort die Türkei als gelistetes Drittland zu markieren; gemäß zeitgleicher Information auf der BMEL-Webseite jedoch bleibt sie „nicht gelistetes“ Drittland.

Suchen Sie sich etwas aus!

 

 
Bildzitat Screenshot BMEL über Drittländer mit ausdrücklicher Erwähnung der Türkei als nicht gelistetes Drittland.

 

 

Welches waren denn die anderen DN-Fragen?

Da die BMEL-Pressestelle die kollektive Beantwortung gleich mehrerer Fragen wie oben zitiert bevorzugt, seien dem logisch Denkenden die anderen zur Antwort Nr. 1 gehörigen Fragen nachgereicht. Da hätten wir:

              

2. Wo genau ist dieses Verbot in welchem Gesetz formuliert (Rechtsgrundlage)?

3. Gibt es Ausnahmeregelungen von diesem Verbot?

5. Welche Länder genau gehören zu den „nicht gelisteten Drittländern“?

  

              

Das nur der Vollständigkeit halber.

 

Einzelantwort zu Einzelfrage Nr. 4

Die Tierschützerin Nicole Mader hatte in Aua1380 glaubwürdig von sogenannten „Erinnerungsmails“ der Länderministerien an die Veterinärämter berichtet. Deren Inhalt bezog sich auf das Thema verbotener Einfuhren von lebenden Tieren durch Tierschützer aus nicht gelistete Drittländer – wie etwa die Türkei.

Sodann hub die DN-Redaktion an, vom BMEL wissen zu wollen:

               4. Ist es zutreffend, dass die Länderministerien aufgrund der hohen Rechtsunsicherheit bei den Veterinärbehörden vor Ort diese nach dem Stichtag 1. August 2014 noch einmal per Erinnerungsmail an dieses geltende Verbot der Einfuhr aus nicht gelisteten Drittländern erinnern mussten?                 

Dazu wurde DN zur Antwort:

              

Zu Frage 4:

Seit dem 1. August 2014 ist nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 in Verbindung mit § 21 Absatz 4a des Tierschutzgesetzes das Verbringen und die Einfuhr nach Deutschland von Wirbeltie¬ren (außer Nutztieren) zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt sowie die entgeltliche Vermittlung der Abgabe solcher Tiere erlaubnispflichtig. Die Regelung wird von den für den Vollzug des Tierschutzgesetzes nach Landesrecht zuständigen Behörden ausgeführt. Informationen zu den Verwaltungsvorgängen in den Ländern erhält das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in der Regel nicht.

(Presseantwort des BMEL an die DN-Redaktion vom 19.08.14)

  

              

Die kürzere und arbeitseffizientere Antwort wäre also gewesen: Davon ist dem BMEL nichts bekannt. Warum die Pressestelle des BMEL noch einmal den ganzen Schlonz aus § 11 davor setzt, man weiß es nicht! Auf jeden Fall ist im Ministerium nichts von solchen Erinnerungsmails bekannt, was aufgrund der üblichen „Verwaltungsvorgänge“ nicht besagt, dass es diese nicht gibt/gab.

(Man hätte dort ja auch einfach einmal nachfragen können ….)

 – Artikel wird fortgesetzt in Aua1391

 

Vom Gesetzgeber zur Verfügung gestelltes Instrumentarium, um herauszubekommen, ob Tierschützer nun lebende Tiere aus nicht gelisteten Drittländern einführen dürfen oder nicht oder um sich auszuwürfeln, ob die Türkei zu den nicht gelisteten Drittländern gehört oder eben doch lieber nicht.
Foto: Honeypix / pixelio.de