Aua1162P: Ständige Impfkommission Veterinär: Impfstoff gesucht und Pharma nicht gefunden

 

{Tierärztekritik}

 

Zu Aua1160P steht noch die versprochene Sachverhaltsdarstellung aus. In dem ironischen Kommentar ging es um „Organisationsdefizite“ und erstaunlich offen ausgelebte Bockigkeiten beim Bundesverband praktizierender Tierärzte (BpT), aufgrund derer eine berechtigte Anfrage des Sachkundebuch-Autors Martin Krause zur Nichtverfügbarkeit eines empfohlenen Impfstoffes über Wochen hinweg nicht beantwortet worden war. Nach einem ebenfalls äußerst harschen Pressekontakt von DN mit dem BpT kam die Antwort und bestätigte die Vermutung von Krause.

 

Darum ging es

Die beim BpT angesiedelte Ständige Impfkommission Veterinär (StIKo Vet) erwähnt in den neuesten (Juli 2013) Leitlinien zur Impfung von Kleintieren (dort Seite 6), dass für Hunde zurzeit zwei intranasale Lebendimpfstoffe gegen Bordetella bronchiseptica (Erreger Zwingerhusten) erhältlich seien.

Zu dieser angeblichen Verfügbarkeit hatten Krauses Recherchen ergeben:

Ich vermute, dass es sich hierbei um einen Irrtum handelt.

Mit ist nur bekannt, dass Nobivac BbPi (Kombination Bb und Pi) erhältlich ist. Der in Deutschland vom PEI zugelassene Impfstoff „Bronchi-Shield“ (Pfizer / Zoetis) ist nach meinem Kentnisstand – trotz Zulassung in Deutschland – nicht in Deutschland erhältlich und auch „Intrac“ gibt es schon lange nicht mehr.

Somit gibt es in Deutschland wohl nur einen einzigen Impfstoff gegen Bb und auch diesen nur in Kombination mit Pi. Für eine Rückantwort wäre ich Ihnen dankbar.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

(E-Mail-Anfrage Martin Krause an den BpT vom 27.10.2013)

 

Nach mehreren Wochen und einer Nachfrage durch die DN-Redaktion beim BpT klärte sich die Angelegenheit wie vom Autor erwartet auf:

 

Sehr geehrter Herr Krause,

in der aktuellen Leitlinie lautet die Formulierung auf S. 6 konkret „Zurzeit sind zwei Lebendimpfstoffe zur intranasalen Applikation für B. bronchiseptica sowie in Kombination mit caninem Parainfluenzavirus (CPiV) erhältlich“. Das bedeutet, dass es einen Bb- und einen BbPi-Impfstoff gibt. Vor Drucklegung der Leitlinie wurde von der Fa. Zoetis mitgeteilt, dass im zweiten Halbjahr 2013 der monovalente Impfstoff in Deutschland erhältlich sein soll, deshalb die Formulierung „erhältlich“. Besser wäre die Formulierung „sind zugelassen“ gewesen, da die StIKo Vet. keinen Einfluss auf die Vertriebsaktivitäten der Pharmafirmen hat.

Solange der monovalente Impfstoff nicht auf dem deutschen Markt verfügbar ist, ist es sinvoll, bei der subkutanen Impfung konsequent auf Pi zu verzichten und den intranasalen Impfstoff BbPi nur bei Hunden, die ein Zwingerhustenrisiko haben, einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

(Antwort der Pressesprecherin des BpT in der Mail vom 18.11.2013 an Martin Krause)

Der Unterschied zwischen „zugelassen“ und „erhältlich“ ist ja auch kein Drama. So etwas kann einmal passieren. Die ganze Angelegenheit hätte man auch ohne das ärgerliche Beiwerk klären können.

By the way: Das Hü und Hott des Stiko-Vorsitzenden

Da nun aber schon einmal die DN-Recherchemaschine angeworfen war, sollen deren Ergebnisse auch nicht unterschlagen werden.

Vorsitzender der Stiko Vetist Professor Dr. med. vet. Uwe Truyen, Direktor des Instituts für Tierhygiene und öffentliches Veterinärwesen, Veterinärmedizinische Fakultät an der Universität Leipzig.

Das macht schon was her?

Als Stiko-Vorsitzender wird er doch sicherlich hinter den Empfehlungen seiner eigenen Kommission stehen?

Der Tierarzt Dirk Schrader von www.kritische-tiermedizin.de zitiert Truyen in seinem Artikel Die Sache mit den Schutzimpfungen – Teil 2 wie folgt:

Die Impfung gegen Leptospirose sollte vermieden werden. Zwingerhustenimpfung halte ich ebenfalls für unnötig. Entscheidend für den Schutz vor Zwingerhusten ist nicht die Impfung, sondern die Art der Haltung.

(Dirk Schrader, Kritische Tiermedizin, Die Sache mit den Schutzimpfungen Teil 2; Hervorhebg. d. DN-Red.)

Leider gibt Schrader keine Quelle für das Zitat an. Die DN-Redaktion geht jedoch davon aus, dass der kritische Veterinärmediziner eine entsprechende Fundstelle belegen kann.

Festzuhalten bleibt: Der Stiko-Vet-Vorsitzende Truyen hält eine Zwingerhustenimpfung für unnötig, für die in den Leitlinien dann aber zwei Impfstoffe angegeben werden, von denen einer zwar zugelassen, aber leider nicht erhältlich ist.

Soweit alles klar?

Zum Stichwort Leptospirose meint der Experte, die solle vermieden werden. Das allerdings meint er ganz offensichtlich nicht mehr in den aktuellen Empfehlungen der Stiko Vet vom Juli 2013, deren Vorsitzender Truyen ist:

Leptospirose

Jährliche Wiederholungsimpfungen (in Endemiegebieten häufiger) sind zu empfehlen.

(Ständige Impfkommission Veterinär, Leitlinie zur Impfung von Kleintieren Juli 2013, Seite 6)

Ist das nicht herrlich? „Die Impfung gegen Leptospirose sollte vermieden werden“ mit „Jährliche Wiederholungsimpfungen sind zu empfehlen“ – aus dem Munde ein und desselben Wissenschaftlers!

Ist es nicht das, was wir alle an der Wissenschaft so lieben?

Stikos und ihre Nähe zur Pharma

Diese Impfkommissionen, die nicht zuletzt der Pharma ihren florierenden Absatz garantieren, gibt es natürlich nicht nur für den Bereich der Veterinärmedizin. Das kritische und journalistische Augenmerk richtet sich zuerst natürlich auf die humanmedizinische Stiko. Hier weiß Wikipedia etwas:

Die 16-köpfige ständige Impfkommission – abgekürzt STIKO – der Bundesrepublik Deutschland trifft sich zweimal jährlich, um sich mit den gesundheitspolitisch wichtigen Fragen zu Schutzimpfungen und Infektionskrankheiten in Forschung und Praxis zu beschäftigen und entsprechende Richtlinien herauszugeben. Die Empfehlungen der STIKO dienen den Bundesländern als Vorlage für ihre öffentlichen Impfempfehlungen. Mindestens 12 der 16 Mitglieder haben oder hatten finanziellen Kontakt zu Pharmaunternehmen.

(Wikipedia: Impfkommission;)

 

 

 

Eine wirkliche Überraschung ist das mit den „finanziellen Kontakten zu Pharmaunternehmen“ nicht.

Kritiker fordern bereits seit längerem die vollständige finanzielle Unabhängigkeit der Mitglieder der STIKO von Impfherstellern, die gesetzlich jedoch nicht vorgeschrieben ist. In diesem Zusammenhang wird eine mangelnde Transparenz bei Arbeitsweise und Nebentätigkeiten von Mitgliedern bemängelt.Mindestens 12 von 16 Mitgliedern der STIKO werden solche Nebentätigkeiten für Pharmaunternehmen oder von diesen unterstützten Organisationen vorgehalten. Neuen Antrieb erhielt diese Debatte, als im Herbst 2007 Heinz-Joseph Schmitt seinen Vorsitz der STIKO niederlegte und einen Posten in der pharmazeutischen Industrie annahm. Er ist nun bei Novartis tätig.

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen stellte zu diesen Unklarheiten im Oktober 2007 eine kleine Anfrage (16/6718) an die Bundesregierung, in der ein Katalog von Fragen zur Arbeitsweise der STIKO vorgelegt wurde. Die Bundesregierung sah in ihrer Antwort keine Kritikpunkte an der Arbeit der Impfkommission, stellte aber in Aussicht, potenzielle Interessenskonflikte der Kommissionsmitglieder zukünftig zu veröffentlichen. Diese sind mittlerweile im Online-Auftritt der STIKO aufgeführt.

Die Organisation Transparency International stellte zur STIKO fest, „dass die Mehrzahl der derzeit 16 Mitglieder mehr oder minder intensive Kontakte, darunter auch bezahlte Tätigkeiten, zu den wichtigsten Herstellern von Impfstoffen haben.“

(ibid.)

 

Aber wie sieht es mit den „finanziellen Kontakten zu Pharmafirmen“ bei der Stiko Vet aus? Intransparent! Zumindest diese Redaktion konnte auf Webseite der Stiko Vet beim BpT diesbezüglich keine Angaben oder Aussagen finden.

Und wenn die Herstellung von Transparenz hinsichtlich solcher Abhängigkeiten schon bei der Human-Stiko so ein Affentanz ist, bei der Stiko Vet fragt bisher kaum jemand danach.

 

Die kritischen Fragen wieder einmal als Blogger-Job!

Für diesen Job legt dann einmal wieder ein Blogger sein Haupt aufs Schafott. Er tut das mit Downgrade-Risiko, denn ein Impressum und damit eine abmahnfähige Adresse gibt es zu nachfolgend zitierter Kritik des Bloggers „Mäusepusser“ nicht.

Der Artikel beschäftigt sich mit der im Vorfeld zur Novellierung des Tierschutzgesetzes diskutierten Verlagerung der Stiko Vet zum Friedrich-Löffler-Institut.

 

 

Eine Stiko Vet gibt es schon seit einigen Jahren, sie hat die ominöse „Leitlinie zur Impfung von Kleintieren“ veröffentlicht. Betrieben wurde und wird sie bis auf weiteres vom Bundesverband praktizierender Tierärzte (BPT), also einer Interessenorganisation derjenigen, die mit der Überimpferei der Haustiere so schön Geld verdienen. Im Grunde eine private, besser gesagt: eine privatwirtschaftlicheVeranstaltung.

(Blogger „Mäusepusser“, Update Haustierimpfung vom 05.12.2012 auf https://haustiereimpfenmitverstand.blogspot.de/2012/12/die-neue-stiko-vet-wird-bald-alles.html)

        

 
Von dieser Verlagerung verspricht sich der Autor unter Rückgriff auf grundsätzliche Kritik am Konstrukt Stiko nichts:

Denn das Vorbild der Stiko Vet, die „Ständige Impfkommission“ für Humanimpfungen, lässt nichts Gutes erwarten. Diese Stiko ist beim Robert-Koch-Institut angesiedelt und zeichnet sich dadurch aus,

– dass fast alle ihre Mitglieder mit den Impfstoffherstellern finanziell verbandelt sind,

– dass ihre Beratungen geheim sind und

– dass sie bei ihrer Arbeit kritische Forschung kaum oder gar nicht zur Kenntnis nimmt. 

Die organisatorische Anbindung an ein Bundesinstitut ist noch lange keine Qualitätsgarantie.

Die pharmanahen Experten, die in solchen Gremien sitzen, weisen jede Kritik an ihren Industrieverbindungen ab. Sie halten sich für objektiv und neutral.

Das ist immer sehr lustig.

Denn die Pharmaindustrie verschenkt kein Geld. Sie will ihre sagenhaften Nettoumsatzrenditen (20 Prozent, 30 Prozent und sogar noch höher) behalten. Mittel werden so eingesetzt, dass sie Ertrag abwerfen, verjubelt wird nix. Wenn sie den Professoren jährlich fünf- oder sechsstellige Beträge rüberschiebt – für Vorträge, Beratung, Studien usw. -, dann erwartet sie einen Return on investment – und bekommt ihn auch.

Die neue Stiko Vet wird daher nicht besser als die alte sein. 

(ibid.)

Und unerstaunlicherweise kommt „Mäusepusser“ zu demselben Ergebnis wie diese Redaktion

Wir dürfen gespannt sein, ob die Stiko-Vet-Herrschaften künftig wenigstens ihre Industrieverbindungen offenlegen müssen. Bei der Stiko Humanimpfungen hat es sehr lange gedauert, bis man sich wenigstens zu diesem kleinen Schritt in Richtung Transparenz bequemt hat. An der Übermacht der industrienahen Experten in der Stiko hat das natürlich nichts geändert.

(ibid.)

 

Fazit: Ein bisschen Hü, ein wenig Hott in den Aussagen des Stiko-Vet-Vorsitzenden, eine bockig-unverschämte Pressesprecherin beim BpT und insgesamt stabile Intransparenz des Gesamtkonstrukts!

 

Gorillas im Nebel sind spannend. Aber wenn die industriellen Verbindungen der Mitglieder so maßgeblicher Institutionen wie der Stiko Vet im Nebel bleiben, hält sich der Spaß in Grenzen.

©Andreas Hermsdorf / pixelio.de