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Aua772: Novellierung Tierschutzgesetz (1): Generelle Erlaubnispflicht für Einfuhr von Auslandstieren?

 

{TS-Kritik}

 

Der Entwurf zur Novellierung des Tierschutzgesetzes beinhaltet unter anderem eine generelle Erlaubnispflicht zur Einführung, Verbringung und Vermittlung von Auslandstieren. Der bisher vorliegende Entwurf mit den Stellungnahmen des Nationalen Normenkontrollrats (im verlinkten pdf-Dokument ab S. 68) und des Bundesrates (ab S. 71), der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (ab S. 107) liegt in digitaler Version hier vor.

Der Entwurf sieht in Paragraph 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4a (neu) die Festschreibung der grundsätzlichen Erlaubnispflicht für folgende Zielgruppe vor: Wer „Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe an Dritte verbringen, einführen oder vermitteln“. Das trifft für Tierschutzorganisationen, welche Tiere (vorwiegend: Hunde und Katzen) aus dem Ausland nach Deutschland verbringen, zu.

Das bekannte Contra und das neu Pro

Inzwischen entwickelt sich zu dieser geplanten gravierenden Gesetzesänderung eine hochinteressante Diskussion innerhalb der Tierschutzszene, die sich offensichtlich in zwei Lager spaltet. Da sind zum einen die vornehmlich großen Tierschutzorganisationen, die sich auch mit Tiereinfuhren beschäftigen. Diese widersprechen der geplanten Änderung vehement.

Und dann gibt es Protest gegen den Protest: Tierschützer und Vereine, welche die geplante Regelung begrüßen würden.

Die großen Vereine wie ETN, bmt etc. finden ihr Publikum ohnehin außerhalb der Doggennetz.de-Leserschaft und bedürfen nicht der zusätzlichen Publicity. Ganz anders ist es mit den wichtigen Stimmen, die sich jedoch aufgrund ihrer „Größe“ nicht die mediale Aufmerksamkeit verschaffen können, die bei den Großen schon infrastrukturell abgesichert ist. Deshalb eröffnet diese Redaktion eine weitere Artikelserie, in der insbesondere den „zarteren“ Tierschützer-Stimmchen Gehör verschafft werden soll.

Mit der Eröffnung dieser Artikelserie einher ergeht die ausdrückliche Einladung an bekannte Auslandstierschützer und themenfeste Tierfreunde, hier auf Doggennetz.de ihre Bewertung der anstehenden wichtigen Regelung für den Auslandstierschutz zu artikulieren.

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Bildzitat Screenshot von https://www.facebook.com/photo.php?fbid=284342315004806&set=a.239681556137549.44346.233173336788371&type=1&theater
Die Kritiker und Kämpfer gegen eine generelle Erlaubnispflicht für die Einfuhr von Auslandstieren durch Tierschutzorganisationen tragen den einen und wichtigsten Mythos vor sich her: den Mythos von der RETTUNG der Tiere. Aber eine schier endlose Anzahl von Artikeln auf Doggennetz.de beweist gerade eben das Gegenteil, nämlich dass von „Rettung“ für viel zu viele Tiere überhaupt keine Rede sein kann. Die großen Tierschutzorgas bleiben auch jeden Beweis für diese Rettung schuldig. Mehr noch: Fragen Interessierte dort nach dem Verbleib einzelner Hunde, erhalten sie keine Auskunft! Neben diesem gigantischen Quantum an Auslandshunde, die im Nirwana verschwinden, gibt es grausam viele Fälle von Auslandshunden, die in Deutschland zu Tode operiert werden, beim dilettantischen  Handlling entkommen und auf deutschen Straßen und Autobahnen überfahren werden oder im freien Gelände verenden, die aufgrund von Verhaltensproblemen von einem Platz zum anderen weitergereicht werden und in nicht wenigen Fällen als unvermittelbar in deutschen Tierheimen landen! Dazu kommt der fatale Anreiz, welche die Einfuhrmöglichkeit als solche schafft – wie obiger Fall aus Aua768.

 

Szene komplett überrascht

Mit dieser spezifischen Gesetzesänderung hatten die Tierschützer und Tierschlepper offenbar nicht gerechnet, denn zu diesem Thema gab es Vorfeld der Novellierung keine Diskussionen, keine Petitionen, keine Proteste. Und die Information über diese geplante Gesetzesänderung, die den gesamten Auslandstierschutz komplett revolutionieren würde, tröpfelte zunächst auch nur leise in die Szene ein.

Die erste Szene-Adresse, zumindest nach Wissen dieser Redaktion, die auf das Novum aufmerksam machte, war Zergportal in einem Newsletter vom 17. September 2012.

Mit leichter Verzögerung reagierten dann die Tierschutzverteiler. In einer Rundmail des MUT-Landesverbandes Hessen vom 20. September 2012 brach der Aktionismus los. Die Adressaten des Verteilers  wurden dazu aufgefordert, „hier sollten ganz viele schreiben, um dieses indirekte Verbrechen an den Straßentieren im Ausland zu verhindern – möglichst mit Bilddokumentationen.“ (Zitat aus Tierschutzverteiler-Mail vom 20.09.2012, Martina Gerlach, MUT-Landesverband Hessen).

 

Offene Briefe und Petition vom ETN

Die nächste große Öffentlichkeitsaktion kam vom Europäischen Tier- und Naturschutz e. V. (ETN). In einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 27. September 2012 kritisiert der Verein die Bundesregierung dafür, sich einer undifferenzierten Auffassung angeschlossen zu haben. Dabei bezieht sich der ETN auf folgende Begründung des Gesetzesentwurfs

              

Das Verbringen oder Einführen von Wirbeltieren, insbesondere von Hunden und Katzen, in das Inland zum Zweck der Abgabe an Dritte einschließlich der Vermittlung findet seit einigen Jahren vermehrt statt. Viele dieser Tiere werden über Tierschutzvereine, in der Regel über Pflegestellen, oder direkt auf Bestellung an einen neuen Halter vermittelt. Bei den Tieren handelt es sich vielfach um leicht vermittelbare Welpen. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein großer Teil dieser Tiere gezielt für den deutschen Markt gezüchtet und auf dem Luftweg nach Deutschland von so genannten Flugpaten begleitet wird. Dabei handelt es sich oft um Touristen, die sich auf dem Rückweg nach Deutschland befinden und durchaus gezielt angesprochen werden.

(Deutscher Bundestag Drucksache 17/10572 vom 29.08.2012 Gesetzesentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes; S. 94)

              

Dem setzt der ETN entgegen:

              

Offenbar ist niemandem im Bundesrat und auch in der Bundesregierung wirklich klar, was Tierrettung bedeutet und welche Kosten letztlich damit  verbunden sind. Offenbar weiß auch niemand, wie viele verletzte, misshandelte Tiere nach Deutschland verbracht werden. Gewinne werden jedenfalls mit der ordnungsgemäßen Auslandstierrettung keine erzielt. Im Gegenteil. Aber: Nicht alles im Leben ist gewinnorientiert.

(Europöäischer Tier- und Naturschutz e. V. ETN Offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 27.09.2012)

              

Zeitgleich wurde auf Petition24.com vom ETN eine dazu passende Petition eingestellt

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Die gesamte Argumentation der „Tierschützer“, welche die ständige Einfuhr von Auslandstieren als unabdingbar und alternativlos darstellen, fußt auf der unbeweisbaren Behauptung, dem Mythos der RETTUNG! Immer weniger Tierfreunde jedoch sind bereit, diesem Mythos zu folgen. Und immer mehr Fälle werden bekannt, die beweisen: Für viele Auslandstiere ist Tierschutz nachgerade ein Todesurteil! Nicht alle dieser Fälle sind so spektakulär wie der des gelähmten Auslandshundes Umut, der, wie in Aua245 beschrieben wird, im „Hundeparadies“ Deutschland im Keller seines Pflegeplatzes qualvoll und buchstäblich verschimmelt ist!
Zeichnung: Erri Emra

 

Prinzessin Maja: „Aigner verhindert Rettung von gequälten Tieren“

Dem offenen ETN-Brief, unterzeichnet von Dieter Ernst, folgte ein offener Brief der ETN-Botschafterin Maja Prinzessin von Hohenzollern an die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner. Die anklagende Überschrift „Aigner verhindert Rettung von gequälten Tieren“ führt ein zu dem vier Seiten langen Schreiben.

Unter anderem beklagt die Prinzessin, „seriöse Tierschützer“ (?) würden mit „kriminellen Welpenhändlern“ in einen Topf geworfen.

Imposant, wie häufig beim ETN, sind die genannten Zahlen, zu denen weder angegeben wird noch vorstellbar ist, woher sie kommen:

100.000 Galgos würden jedes Jahr in Spanien an Bäumen erhängt

5 Millionen Hunde und Katzen würden dort in staatlichen Tiertötungsstationen ermordet

250.000 Straßenhunde in der Ukraine seien 2011/2012 in fahrenden Krematorien lebendig verbrannt worden

Die ETN-Botschafterin geht nicht zimperlich mit der Ministerin um. Diese „irre[…] gewaltig“, bedürfe der Schließung von „Wissenslücken“ (und zwar durch den ETN) und verfolge möglicherweise sogar die „Absicht“, Tierrettung verhindern zu wollen.

 

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Bildzitat Screenshot von Bildzitat: Screenshot vom Video der Sendung Menschen, Tiere &  Doktoren vom 17.10.2011 https://www.voxnow.de/menschen-tiere-doktoren/geschwollene-pfote-bei-kater-repo.php?film_id=49724&player=1&season=0
Mythos Rettung: Die Exzesse, zu denen die bisherige Praxis im Auslandstierschutz führt, sind nahezu endlos: Hier wurde ein nach Aussage eines deutschen Tierarztes kunstfehlerhaft amputierter Hund auf einem 17 Stunden währenden Landtransport mit offener Amputationswunde von sogenannten Tierschützern nach Deutschland geschleppt. Doggennetz.de hatte darüber satirisch in Aua382 berichtet. Übrigens erfährt man fast nie, was aus solchen Fällen wird!


bmt mit der bekannten Argumentation

Zeitlich leicht verzögert, in der Wucht der Anwürfe gegen die Ministerin aber vergleichbar dynamisch, meldet sich am 2. Oktober 2012 nun auch der Bund gegen Missbrauch der Tiere, bmt, zu Wort.

Neue Argumente gibt es keine, dafür rhetorisch, diplomatisch, logisch und auch sonst äußerst zweifelhafte Strategien wie etwa die Frage: „Frau Aigner, was ist Ihnen ein Hundeleben wert?“. Auch die bmt-Vorsitzende Petra Zipp fürchtet die Egalisierung mit „illegalen Welpenhändlern“.

Es steht übrigens zu befürchten, dass Zipp  eigentlich „legale“ Welpenhändler meint, denn „illegale“ Welpenhändler werden von dem Gesetz gar nicht angesprochen! Solche derben Logikbrüche erschöpfen sich übrigens nicht in der Schadenfreude sie aufspießender Linguistinnen, sondern sie verweisen auf viel tiefer liegende „Missverständnisse“!

Doch die Fokussierung auf den illegalen Hundehandel hat System. Entsprechend endet der Text relativ unvermittelt mit dem etwas opernhaften Ausruf:

              

Doch anstatt konsequent gegen dieses Milliardengeschäft auf dem Rücken wehrloser Hundebabys vorzugehen, wird den Tierschutzorganisationen nun unterstellt, sie betrieben Handel mit den Tieren, die sie mit hohem persönlichem und finanziellem Einsatz [sic!] in ihren Heimatländern vor dem sicheren Tod bewahren – das ist blanker Zynismus und weit an der Problematik vorbei.

(Bund gegen Missbrauch der Tiere: bmt kritisiert Novellierung des Tierschutzgesetzes scharf)

              

Zu dem „hohen persönlichen und finanziellen Einsatz“ erwähnt Zipp an dieser Stelle jedoch nicht, dass die Auslandstierschutzorganisationen genau dafür Spenden erhalten!

Anhörung am 17. Oktober 2012

Am 17. Oktober 2012 steht die öffentliche Anhörung in der 77. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Thema Novellierung des Tierschutzgesetzes auf der Agenda. Die Tagesordnung dazu hier.

 

Weitere Doggennetz.de-Artikel in dieser Serie: Aua773, Aua774 / Aua778 / Aua780 /

Aua772NovellierungTSchGLuiLui  

Mythos Tierrettung: Noch ein spektakulärer Fall aus dem Jahr 2011. Was „Tierschützer“ so alles unter „Rettung“ verstehen: Diese bedauernswerte Katze („LuiLui“) wurde mit einem chronisch offenen Bauch (eine seit Monaten nicht heilende Wunde) auf die mehrtägige Flugreise von Thailand nach Deutschland verschickt. Dort endlich angekommen, musste sie auf Anweisung des zuständigen Veterinäramts aufgrund tierseuchenrechtlicher Bestimmungen eingeschläfert werden.
Auch solche Exzesse gehören in die Rubrik Auslandstierschutz und auch solche Exzesse werden vom hysterisch aufrechterhaltenen Mythos der Tierrettung beatmet!
Zeichnung: Erri Emra

 
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