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Aua756: Porträt Veterinäramt Diepholz: Die Tagesjournaille verweigert sich dem Klischee

 

{TS-Kritik}

 

Das Veterinäramt im Landkreis Diepholz gehört zu den berühmteren der Republik; im positiven Sinne. Geschuldet ist dieser Ruhm vor allem der engagierten Amtsleiterin, Dr. Anja Eisenack. Was die Veterinärin allein im Kontext mit dem Longseller-Tierschutzskandal Gnadenhof M. durchzustehen hatte, passt auf keine noch so gestreckte Kuhhaut. Das Cybermobbing der Amtstierärztin ergoss sich schlussendlich auch noch in ein recht tendenziöses Video, das gerade noch zur Satirevorlage reichte (vgl. Aua257, Aua269).

 

Ein Highlight der Tagesjournaille

In der heutigen Ausgabe der Kreiszeitung Landkreis Diepholz findet sich mit der Überschrift Immer mehr Tiermessies: verwahrlost, misshandelt, gequält ein von Anke Seidel verfasstes Porträt des Arbeitsalltags der Veterinärbehörde, das weit über den journalistischen Querschnitt herausragt. 

Der Querschnitt oder gar jene, die es noch darunter schaffen (aktuelle Beispiele:  Aua747 und hier), bedient bei der Bearbeitung des Themas Tierschutz ausschließlich Klischees und schadet dem wichtigen Anliegen durch die Herabwürdigung auf das Level  platter Tierschutz-Folklore. Tierquäler sind immer nur die Bösen; Gründe, Erklärungen (ungleich: Entschuldigungen) und gesellschaftliche Hintergründe für ihr Tun müssen ungenannt zurückstehen hinter der möglichst saftigen Ausschmückung des dokumentierten Tierleids und der Glorifizierung jener, die es (angeblich) beenden.

Konjunkturthema kreativ bearbeitet!

Klaro: Das Thema Animal-Hoarding hat gerade Konjunktur, weil eine aktuelle Dissertation dazu vorliegt (vgl. auch Aua741). Diese wiederum wurde „finanziell gefördert durch den Deutschen Tierschutzbund“. (Das ließe auch noch Fragen zu …., führt uns aber vom Thema weg.)

Aber mit Animal Hoarding hat Anke Seidels brillanter Artikel nur peripher zu tun. Stattdessen konzentriert sie sich auf die unter die Oberfläche gehende Darstellung der einzigen behördlichen Struktur im Kampf gegen das ausufernde Tierelend mit dem Kurzporträt der Arbeit des Veterinäramts Diepholz.

Behörden können nur noch den Schutt abräumen

Auch bei der Skalierung der Effizienz dieses Kampfes bemäntelt die Amtsleiterin in dem gerühmten Artikel nichts: „Wir löschen nicht mal mehr das Feuer, wir räumen nur noch den Schutt weg.“  Denn was Dr. Eisenack und ihre Kollegen de facto bei den vielleicht erst gerichtlich errungenen Ortsbegehungen sehen, ist nur der bittere Ausfluss einer kranken Gesellschaft, in der das Thema Tierschutz von den Medien konsequent nur als Dutzidutzitrallala-Veranstaltung und Gutmenschen-Aktionismus behandelt wird: Tiere zu halten ist schon einmal per se toll, wenn nicht sogar therapeutisch wertvoll.

Der Grad individuelle Tierliebe wurde viel zu lange und selbst von einschlägigen Sendungen an Quantitäten gemessen (vgl. Aua23). Jeden Sonntagabend etwa versucht die Sendung Tiere suchen ein Zuhause das Quantum gehaltener Tiere in den bundesdeutschen Haushalten noch einmal zu erhöhen.  Andere „Tiersendungen“ bewerben die Zucht gleich ganz unverhohlen (Aua741). Und unter Tierschutz versteht man heutzutage eigentlich mehrheitlich nur noch den massenhaften Import von Straßenhunden und –katzen aus allen Ländern dieser Erde nach Deutschland.

Rechtsstreite binden 80 Prozent der behördlichen Arbeitskraft

Was bei all dem am Ende herauskommt, das versuchen Eisenack und ihre Kollegen in einer 70-Stunden-Woche wenigstens zu sichten! Diese Sichtung führt sie dann zu sogenannten Tierfreunden, die 500 Meerschweinchen und 200 Kaninchen horten. Sicherlich könnten die Veterinäre in diesem Kampf gegen die Tierfreunde- und „Züchter“-Realitäten erfolgreicher sein, wenn nicht, wie Eisenack anschaulich beschreibt, 80 Prozent der Arbeitskraft in die juristischen Auseinandersetzungen danach gebunden würde.

Auch hier ist der „Tierschutz“ beispielhaft: Szene-Kennern sind die juristischen Nachspiele allein zum Gnadenhof M. hinlänglich bekannt! Verfahren staffelweise, ohne dass diese etwas für diejenigen geändert hätte, welche sie gegen die Behörde und deren Entscheidungen vom Zaune brachen.  80 Prozent!

Dass auch Amtstierärzte das Erlebte und Gesehene  zum Büroschluss nicht einfach hinter sich lassen, modelliert sehr schön diese Indiskretion aus dem amtstierärztlichen Schlafzimmer: „Die krabbeln nachts über die Bettdecke“ , berichtet Eisenack. „Die“, das sind die verwahrlosten, verdreckten, kranken, abgemagerten, verletzten Tiere in den dunklen Verschlägen und Käfigen.

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Doggennetz.de-Senf:

Wenn sich so klebrig-süße, bisher ausschließlich das Klischee bedienende Fernsehsendungen wie die WDR-Seife Tiere suchen ein Zuhause endlich einmal ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags entsinnen wollten, ihren Job als Erfüllungsgehilfe der unter dem Etikett des Tierschutz agierenden Tierschlepper kündigen und Sendungen auf die Beine stellen würden, welche die zentralen gesellschaftlichen Missstände hinter dem Stereotyp des Kuschel-Tierschutzes angehen, dann könnte der gesellschaftliche Wandel zumindest angestoßen werden. Wenn sich Spendengelder akquirierende sogenannte Tierschutzorganisationen und ihre blond gelockten Tapsiger-Bär-Protagonisten nicht auch noch vor den Werbekarren der Futtermittelindustrie spannen lassen würden, um in  Sendungen wie das vermaledeite hundkatzemaus an der Seite von Züchtern aufzutreten, dann könnte sich  der hier schändlichst missbrauchte „Tierschutz“ rehabilitieren. Denn weder Anke Seidel noch das gesamte Veterinäramt des Landkreis Diepholz noch andere solcher vorbildlicher Behörden haben der aus den  Medien permanent auf die Zuschauer herabtropfenden Glorifizierung  reinen Tierkonsums irgendetwas entgegenzusetzen.

Aber der Versuch war’s wert, Anke!