Aua557: Ausland wehrt sich gegen deutsche Tierärztepools: Beispiel Spanien

{TS-Kritik}

 

Deutsche und internationale Tierschutzorganisationen setzen  im Ausland gelegentlich so genannte Tierärztepools ein, um vor Ort größere Massen an Tieren zu kastrieren. Es besteht Konsens unter deutschen Tierschützern dahingehend, dass solche Aktionen dem Tierschutz dienen.

Dieser Nutzen muss jedoch zunehmend in Frage gestellt werden, weil solche imperialistischen Eingriffe in anderen Ländern von diesen und von den dortigen Behörden und Tierärzten oft abgelehnt werden. Und das ist mehr als verständlich für den, der sich bemüht, diese Aktionen auch einmal aus der Binnensicht dieser Länder zu sehen.

Schweizer Tierärzte kastrieren deutsche Bauernhofkatzen

Man stelle sich einmal vor, so etwas würde in Deutschland passieren: Die Schweiz mit ihrem gegenüber der BRD weit höherem Standard in Tierschutzfragen würde Tierärztepools nach Deutschland schicken, die hier einige der Millionen verwilderten Hauskatzen kastrieren. Es bedarf nicht allzu viel Phantasie sich vorzustellen, wie darauf die deutsche Tierärzteschaft und ihre Standesorganisationen reagieren würden. Plus Pharma.

Warum sollte das im Ausland anders sein?

Letztes Jahr sorgte der ETN mit seinem Tierärztepool in Sardinien für massive Proteste. Die dortigen Tierärzte erstatteten sogar Strafantrag. Der Vorwurf richtete sich auch gegen das Auftreten der deutschen Kollegen, welche die Veterinäre vor Ort noch nicht einmal informiert hatten. CharityWatch.de berichtet darüber hier.

 

Warum kastrieren deutsche Studenten in spanischen Tierkliniken?

Ein neuer Fall aus Spanien, Teneriffa, bestätigt die Vorbehalte:  Eine spezielle Abteilung der Guardia Civil ermittele gegen die Verantwortlichen einer spanischen Tierklinik, in der deutsche Studenten kastriert haben sollen, berichtet diese Meldung.

Studenten kastrieren? Das ist ein bedenklicher Aspekt! Und von deutschen Kastrationsaktionen im Ausland wird sehr häufig im Kontext mit der Ausbildung von Studenten der Veterinärmedizin berichtet. Der oben zitierte CharityWatch.de-Artikel informiert über so ein Ausbildungsprojekt in Ägypten, das die Universität Gießen in Zusammenarbeit mit dem ETN durchgeführt habe.

Welche Tierfreund würde seinen Hund oder seine Katze von einem Studenten kastriert haben wollen?

Interessant ist an der Meldung über die Ermittlungen in Spanien folgende Bewertung (Übersetzung mit Google): „Laut der Tierärztlichen Hochschule von Santa Cruz de Tenerife verstoßen diese Praktiken gegen die Standards des Tierschutzes […]“ (Quelle).

Deutsche Tierschützer müssen sich also in diesem Fall von den spanischen Behörden den Vorwurf gefallen lassen, gegen den Tierschutz verstoßen zu haben.

Das darf man sich auf der Zunge zergehen lassen!

 

Langfristiger Schaden für den Tierschutz

Es ist offensichtlich, dass der Einsatz deutscher Tierärztepools im Ausland dem Tierschutz schadet. Dem eventuell zu kalkulierenden, sicherlich auch nur kurzfristig zu berechnenden „Nutzen“, einige Dutzend Hunde oder Katzen kastriert zu haben, stehen die langfristig wirkenden „Kosten“ entgegen, das Ausland erneut gegen den Tierschutz und deutsche Tierschützer aufzubringen und damit genau das zu verhindern, was allein effektiver Tierschutz sein kann: den Tierschutzgedanken selbst in diesen Ländern zu etablieren.

Seit Jahrzehnten missionieren deutsche Tierschützer das Ausland und setzen sich in vielfältiger Weise über die Rechte und Interessen der dortigen Bevölkerung hinweg. Und seit Jahrzehnten sind keine nennenswerten Fortschritte im Ausland hinsichtlich der Tierschutzstandards zu verzeichnen.

Ein Blick hinüber in die (humanitäre) Entwicklungshilfe zeigt, wie allein es gehen kann:  Wirkliche Erfolge stellen sich erst ein, wenn „Entwicklungshelfer“ MIT der dortigen Bevölkerung und den vor Ort bestehenden Institutionen agieren, nicht GEGEN sie!

 

Spekulation

Im Übrigen ist zu fragen, ob hinter diesen angeblichen Tierschutz-Einsätzen im Ausland, die in Verbindung mit studentischer Ausbildung stehen, nicht ganz andere Interessen stehen? Diese Projekte finden häufig in Kooperation mit der Pharma-Industrie statt. Tierschützer, die mit der Pharma kooperieren?

In der Meldung aus Spanien ist vom schlechten Zustand und Mängeln in den sanitären Verhältnissen die Rede. Im ETN-Fall Ägypten kam dann noch die Besonderheit hinzu, dass ein Professor der Uni Gießen zu Spenden auf ein ETN-Konto für ein weiteres „Ausbildungsprojekt“ (mit dem Spendenzweck „Studentenexkursionen“ bezeichnet) aufgerufen hatte, zu dem es dann gar nicht mehr gekommen sei, wie der aufrufende Professor gegenüber CharityWatch.de selbst einräumte.

Und warum finden diese studentischen Kastrationsaktionen nicht in Deutschland statt, wo jedes Tierheim lange Listen mit unkastrierten freilebenden Katzenbeständen vorlegen kann? Diese Frage kann sich jeder Tierfreund selbst beantworten!

Wer bei diesen Projekten mit welchen Interessen agiert, wird sich nur schwer nachweisen lassen.  Und selbst wenn, ist dann vermutlich wieder mit der übliche Prozesswelle zu rechnen, die solche Veröffentlichungen verhindern soll.

 

Mit den Institutionen vor Ort statt gegen sie

Entscheidend und für die Bewertung des Einsatzes deutscher Tierärztepools im Ausland ist der unmittelbar ablesbare Effekt der Konfrontation (gegensätzlicher Interessen) anstelle der Kooperation zur erfolgreichen Verbreitung (deutscher) Tierschutzstandards.

Wie in der geplanten DN-Artikelserie Neue Konzepte für den Auslandstierschutz noch zu erklären sein wird, ist mit erkennbaren Fortschritten im Auslandstierschutz erst dann zu rechnen, wenn die verschiedenen ausländischen Institutionen auch einen wirtschaftlichen Vorteil von der praktizierten Ethik haben. Wenn spanische, italienische, ägyptische Tierärzte an von ihnen – notfalls unter kollegialer Assistenz deutscher Know-how-Träger – durchgeführten Kastrationsaktionen verdienen, erst dann werden sie sich für den Tierschutz erwärmen können.

Im Übrigen ist schwer vorstellbar,  warum das Weiterreichen deutscher Tierschutzspenden an die Tierärzte vor Ort teurer sein soll als das Einfliegen ganzer Tierärzteteams aus Deutschland und deren Unterbringung während ihres Einsatzes.

Wenn deutsche Tierärztepools von großen Tierschutzorganisationen ins Land geflogen werden, um den ausländischen Kollegen aus einer Position der moralischen Überheblichkeit Konkurrenz zu machen, wird jede Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft im Ansatz zerstört.