Deutschland sucht den Superstar – Schönheit contra Leistung

Eine satirische Betrachtung von N. Taphorn

Es geschah am hellichten Tag am 25. Januar 2004 mitten in Deutschland. In Augsburg demonstrierten mehrere hundert Mitglieder gegen den Vorstand ihres Hundeverbands.
Der Vorstand wählte dort nämlich in einer ausserordentlichen Bundesversammlung den eigenen Bundeszuchtwart, einen Kritiker der „Schönheitszucht“, ab, der erst vor einem Jahr in diese Funktion gewählt worden war.
Was war geschehen?
Die zwei Lager des Verbands, „Schönheitszucht“ und „Leistungszucht“, waren aufeinandergeprallt.
„…, und dabei geht es nicht nur um unterschiedliche Meinungen, sondern auch um viel Geld. Zuchtrüden, die auf Ausstellungen „prämiert‘ werden, bringen vor allem im Ausland bis zu 300.000 Euro, denn der Besitzer eines solchen Rüden verdient ganz ordentlich an jedem Deckakt seines Hundes – die Kaufinvestition soll sich ja lohnen. Dieses System, das letztlich zum verhältnismäßig überdurchschnittlichen Einsatz weniger Rüden in der Zucht führt, wird vom Wiener Kynologen und Buchautor Hellmuth Wachtel schon lange gegeißelt, ist es doch Ursache einer hohen Inzucht mit den bekannten negativen gesundheitlichen Folgen wie erhöhte Krankheitsanfälligkeit und Vitalitätsverlust.“ (Hundemagazin WUFF 3/04, S. 11-12.)

Am nächsten Tag zierte der folgende Titel den Bericht der „BILD“-Zeitung über die Demonstration: „Weil sie so blöd und feige sind: Polizei mustert Schäferhunde aus.“ (WUFF 3/04, S. 11.)
Schä-fer-hun-de ? Na also, solche imageschädigenden Aktionen der Basis kommen gottlob nicht überall vor. Zum Glück hat die Deutsche Dogge auch keinen Beruf, aus dem man sie ausmustern könnte. Das wäre ja noch schöner!
Ein ordentlicher Hund hat keine Zeit für Berufstätigkeit, ebensowenig wie sein Besitzer. Wo sollte man denn noch irgendwelche Tätigkeiten unterbringen?
So ein dahergelaufener Hund, der mit Impfungen, Wurmkuren und einmal täglich „Schlappi“ aus der Dose 14 Jahre alt wird, langweilt sich regelrecht ohne Beruf. Bitte, die Deutsche Dogge hat nicht halb so viel Zeit, aber diese ist wahrlich nicht langweilig.
Was sagt man passionierten Autofetischisten nach, die jede freie Minute schraubend und putzend unter ihrer Karosse liegen? „Wer sein Auto liebt, der schiebt!“
Nein, wir scheuen keine Kosten und Mühen. Ein ausgefeilter Ernährungs- und Bewegungsplan erst lässt unsere Dogge schadlos wachsen. Herzröntgen und EKG gehören nun einmal zum Leben wie die regelmässige Schutzimpfung. Ein Röntgenbild ist auch nötig, wenn wir wissen möchten, wie es um Hüfte und Ellbogen unserer Lieblinge steht. Das Entropium lassen wir operieren. Wir können unserem Schatz ohnehin kaum von der Seite weichen, sonst versäumen wir noch die ersten Anzeichen einer Magendrehung.
Nein, Langeweile kommt bei uns nicht auf. Dramatik und Spannung sind garantiert, weil es immer wieder Doggen gibt, die ganz plötzlich den Herztod sterben, und weil im Falle einer Magendrehung die Lebensrettung entscheidend vom rechtzeitigen Eingreifen und von der Kompetenz der Tierärzte abhängt. Hier zählt jede Minute!

Andere Hunde müssen regelmässig getrimmt werden. Na und? Was geschieht, wenn der Besitzer nachlässig ist? Der Hund fängt an zu haaren oder ist gerade nicht ausstellungskonform.
Was passiert dem 08/15-Modell, das nach dem Essen tobt? Womöglich erbricht es sich. Lachhaft! Auch soll es Hunderassen geben, die geradezu entnervend aktiv werden, wenn man ihnen nicht ständig Aufgaben gibt. Wenn man diese Hunde dreimal täglich füttern, ihre Bewegung portionieren und ihre Aktivität der Herzschwäche und Knochenanfälligkeit gemäss regeln würde, dann hätten die aber keine Flausen mehr im Kopf!

Der wahre Hundeliebhaber greift zur Dogge. Eine Dogge ist nicht beliebigen Ansprüchen ihrer Besitzer unterzuordnen und damit der puren Nachlässigkeit preisgegeben. Eine Dogge weiss, was sie will und braucht.
Wer eine Dogge hat, wird sich nicht einfallen lassen, bei Schneetreiben im Januar auf Demonstrationen gegen die „Schönheitszucht“ aufzutauchen. Lächerlich!

N. Taphorn