Aua1388: Goldrausch Sachkundeprüfung (1): Bundestierärztekammer begrüßt die Absteckung des neuen Claims!

 

{der satirische Kommentar}

[19.08.2014]

 

Zum politischen Mimikry von Lobbyisten gehört es, neue gesetzliche Regelungen, die man im Vorfeld selbst lanciert hat, freudig überrascht zu begrüßen. Aus der Rubrik: Hoppala! In dieser Pose tritt am 18. August 2014 Professor Dr. Theo Mantel, Präsident der Bundestierärztekammer, an die Mikrofone.

Dort begrüßt und spricht er selig die Erlaubnispflicht für Hundeausbilder (und Tierschlepper) nach § 11 Absatz 1, Satz 1 Nr. 8f (bzw. Nr. 5 für die Schlepper) Tierschutzgesetz, die bisher vor allem eins bewirkt hat: heillose Verwirrung bundesweit, rat- und tatenlose Veterinärämter, hektisches Strippenziehen der verschiedenen Verbände und Institutionen sowie intensive Apothekenkurse-Vorbereitungen von Tierärzten, die schnell genug ihre Goldrausch-Parzelle abstecken konnten.

Aber wo er Recht hat, hat er Recht, der warme Mantel der Lobbyinteressen:

              

Eine Neuregelung, die die Bundestierärztekammer im Sinne des Tierschutzes sehr begrüßt. „Hundehalter, die sich vertrauensvoll und in bester Absicht mit ihrem Tier in eine Hundeschule begeben, müssen sich darauf verlassen können, dass hier die nötige Sachkunde vorliegt und eine qualifizierte Ausbildung der Tiere angeboten wird. Nun ist es möglich, die Spreu vom Weizen zu trennen und Hundehaltern im Anbieter-Dschungel eine Orientierungsmöglichkeit zu geben“, erklärt Prof. Dr. Theo Mantel, Präsident der Bundestierärztekammer.

(Pressemitteilung Bundestierärztekammer vom 18.08.2014: Hundeschulen auf dem Prüfstand)

              

 

Wenn das mit dem „vertrauensvoll“ und „in bester Absicht“ schon bei manchen Tierärzten nicht funzt, an die sich jene so gut ausbeutbare Zielgruppe der Hundehalter immer wieder zu wenden gezwungen ist, tröstet es den gemeinen Hundehalter, wenn die Chancen darauf wenigstens beim Besuch der Hundeschule steigen.

Das ist fully okay.

 

Chaos unter dem Mantel des prophylaktischen Lorbeers

Aber im Moment steigt nur eins: das Chaos! Über das Mantel den Mantel vorauseilender Lorbeerstreuung breitet. Kein Hauch verströmt der akademische Oberindianer zu den fehlenden Verwaltungsverordnungen zur Durchführung dieser neuen Regelung; zu den von Juristen gesehenen Regelungslücken (vgl. Aua1378) und zu der (nicht nur von der DN-Redaktion) befürchteten Klagewelle (nicht nur der Tierschützer).

Vor allem aber schweigt auch er zu den mehr als eigenartigen Verbindungen zwischen der Tierärztlichen Arbeitsgemeinschaft Hundehaltung bei der Bundestierärztekammer (TAG-H), einer ominösen Firma Data Parc Ltd. (Rechteinhaber des D.O.Q.-Tests) und den bei einigen Behörden, vornehmlich in Bayern, feststellbarem, befremdlichen „Engagement“ für das dazugehörige Produkt – den D.O.Q.-Test in seinen neuen und zumindest teilweise defizitären Varianten IMP und PRO.

Da versteigt sich dann schon einmal eine Oberveterinärin des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit (LGL) dazu, Mitbewerber der Firma Data Parc Ltd. bei voller Namensnennung in Behördenschreiben zu verleumden und Antragsteller (in diesem Fall eine Ausbildungsakademie) mutmaßlich zu nötigen mit der Äußerung:

              

Solange die Zusammenarbeit mit [voller Name des D.O.Q.-Mitbewerbers; von der DN-Red. entfernt] besteht, kann der Antrag nicht bearbeitet werden.“

(Äußerung einer Oberveterinärin des Bayerischen Landesamts für Gesundheit (LGL) am 15.07.2014 in einer E-Mail an eine Fortbildungsakademie, die sich beim LGL um die Anerkennung der Gleichwertigkeit der von ihr angebotenen Sachkundelehrgänge mit dem Fachgespräch beim Amtstierarzt bemüht hatte. Dem LGL liegt die Anfrage dieser Redaktion zu einer Stellungnahme zu diesem Vorgang seit dem 31.07.14 vor. Bisher gibt es keine Antwort.)  

              

 

Und kritische Fragen von der singulären Journaille, welche diese filzartigen Verflechtungen seit Monaten beobachtet, dokumentiert und beweisen kann, werden einfach nicht beantwortet. Weder von der TAG-H noch von der Firma Data Parc Ltd. noch vom LGL noch von bayerischen Tierärztinnen, die in der Manier von Penisverlängerung-Anbietern und Viagra-Verkäufern unverlangte Werbemails an Hundeausbilder verschicken, die bitte ihre 650-Euro-teuren Vorbereitungskurse auf die Sachkundeprüfung Hundeausbilder buchen mögen.

Goldrausch-Time!

 

Vorsicht Falle! Die Hinterfotzigkeit von Mänteln wird gemeimhin unterschätzt. Ihre oft wärmend-schützende Funktion verdeckt gern auch einmal das, was sich unter so einem weiten Mantel alles an Eigeninteressen verbergen lässt. Auf die pragmatische Schizophrenie gerade diesen Mythos, durch grobmotorisches Herumfuhrwerken mit Schwertern jegliche Funktion des Mantels zu zerstören, soll jedoch an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

 

 

Unwissenschaftlich, intransparent, nicht validiert

In der Mitte von allem steht ein ominöser Online-Test für den theoretischen Teil der Prüfung, der streng geheim ist und keine wissenschaftliche und unabhängige Überprüfung („Validierung“) vorweisen kann.

Hätte es dazu nicht auch ein Ausschreibungsverfahren geben müssen?

Warum erhalten noch nicht einmal unabhängige Kapazitäten Zugang zu diesem ominösen Test?

Warum werden kritische Fragen an diesen von den Urhebern desselben (TAG-H) nicht beantwortet?

Wo gibt es denn so etwas: Ein Test, der redundantes Wissen abfragt à la „was ist nicht typisch …“, „… was gehört nicht zu den Symptomen“ etc.?

Wie seriös ist es, wenn die Entwickler der Testfragen im Rahmen einer gemeinnützigen Tätigkeit für einen e. V. anschließend ihre Kenntnisse durch Kursangebote versilbern, bei deren Marketing sie nicht verabsäumen, darauf hinzuweisen, selbst Prüfer zu sein?

Was ist von einem Test für Hundeausbilder zu halten, dessen Akzente ausschließlich auf verhaltensbiologischen, veterinärmedizinischen und juristischen Fragen ruhen, aber das ebenso wichtige weite Feld der Wissensvermittlung (man nennt’s: „Didaktik“) vom Ausbilder an den Hundehalter komplett außen vor lässt? (Sofern die Kritiker dieses versilberungsfähigen Staatsgeheimnisses Recht haben.)

Was haben die „Unterschiede des binokularen Gesichtsfeldes“ „zwischen Fluchttier und Raubtier“ mit der Sachkunde von Hundetrainern zu tun? (Frage aus D.O.Q.-Test PRO in der im Juni 2014 verfügbaren Version.)

Oder wie stellen Kenntnisse eines Hundetrainers über auszeichnende Merkmale von homoiothermen Tieren Qualität bei der Hundeausbildung sicher? (Frage aus D.O.Q-Test PRO in der im Juni 2014 verfügbaren Version).

Oder warum sollen Hundetrainer viel Geld für einen Online-Test bezahlen, der sie ganz offensichtlich in den Antwortoptionen zu der Frage „Welche Fähigkeit braucht ein Hundetrainer nicht?“ verarscht: „Profilierungssucht“. Ganz abgesehen davon, dass auch diese Frage wieder redundantes Wissen abfragt (welche Fähigkeiten X NICHT braucht) und negative Frageformulierungen als unseriös und verwirrend gelten.

 

Sachkundeprüfungsmodalitäten-Genese

Auch die Genese dieses Testes, der mit Hilfe der Behörden offensichtlich bundesweit etabliert werden soll, ist interessant. Im Zuge demokratischer Prozesse, an denen alle betroffenen Verbände beteiligt werden, berichten diese etwa so:

              

Die Interessengemeinschaft unabhängiger Hundeschulen e. V. hat kurz nach Bekanntgabe des Gesetzes bei der zuständigen Arbeitsgruppe ihre Mitarbeit angeboten, um bei der Ausarbeitung einer fairen und sinnvollen Regelung mitzuhelfen. Diese Mitarbeit wurde – wie auch ähnliche Angebote anderer Berufsverbände – komplett abgelehnt.

Im Mai 2014 tagte die Arbeitsgruppe der Bundesländer mit dem Ergebnis, dass man sich auf eine bundeseinheitliche Vorgehensweise nicht einigen konnte.

Es gibt bis zum heutigen Tag weder eine Rechtsverordnung noch Durchführungsbestimmungen geschweige denn eine Prüfungsordnung. Wie in allen anderen ähnlich gelagerten Fällen in den vergangen en Jahrzehnten praktiziert, fehlt außerdem komplett eine Regelung zum Bestandsschutz.

(IG Hundeschulen, Pressemitteilung Neuregelung des § 11 Tierschutzgesetz; Hervorhebg. d. DN-Red.)

              

„Diese Mitarbeit wurde […] komplett abgelehnt“: Da fragt man sich natürlich, wovon träumt die Vorsitzende der IG Hundeschulen e. V., Elke Müller, eigentlich nachts? Womöglich von der Beteiligung unterer Stände an Regelungen, die ihren Beruf und dessen Ausübung massiv betreffen? Von niederem Volk, das an den Ausarbeitungen von Akademikerzusammenrottungen zur Sicherung eigener Pfründe hinzugerufen wird?

Oder mangelt es Frau Müller einfach nur an der Wendigkeit des Berufsverbandes der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen e. V. (BHV)? Der hat es in der Pressemitteilung der Bundestierärztekammer jetzt immerhin zur namentlichen Erwähnung (mithin: Empfehlung) geschafft. Das hörte sich vor wenigen Wochen aus dem Munde von dessen Präsidenten Rainer Schröder noch ganz anders an. Da war im Gespräch mit der DN-Redaktion von Pikantem und Interessantem im Zusammenhang mit der D.O.Q.-Test-Genese die Rede, dem journalistischer Zugang verschafft werden sollte. Doch dann brach der Kontakt einseitig und plötzlich ab.

Was immer diese neue Sachkundeprüfung ist und bewirken soll/kann/wird: Wie sie zustande gekommen ist, was genau die Inhalte sind und wer sie bestimmt hat und warum, wer sie wie wo durchführt, das alles verbleibt im Nebel des Klüngels und hinter einem Berg unbeantworteter Fragen.

 

Panzerglas für den Kinderglauben

Ach, man möchte es ja soo gern glauben: Das hinter dieser neuen und einträglichen gesetzlichen Regelung nur und allein und einsam und singulär das berechtigte Interesse des fürsorglichen Gesetzgebers stehe, Hundehalter vor inkompetenten Hundeausbildern zu bewahren.

Allein:

Es dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass es insgesamt eher wenige Tierärzte sind, welche eine Zusatzqualifikation in Richtung Verhaltenstherapie vorweisen können. Aber mit der gesetzlichen Regelung und dem damit verbundenen ungeregelten Prüfungswesen wird peu à peu und durch oben geschilderte Machenschaften der gesamte Bereich der Kynopädagogik von der Tierärzteschaft vereinnahmt.

Existenziell kommt diese Chance zur rechten Zeit und mag einkommensrelevanten Geländeverlust kompensieren, der durch das Fallen der Impflüge und das durch Verbraucherinformation initiierte Abschmelzen der Angstmache vor „Impflücken“ sowie die Emanzipation einiger Hundehalter von der Futtermittelindustrie (Beispiel: BARF) entstanden ist.

Treibt es einen nicht die Tränen der Rührung in die Augen, wie sich die Bundestierärztekammer in ihrer Hoppala-Pressemitteilung selbstlos, hehr und rein pur für die Interessen ihrer Kunden der Hundehalter ins Zeug schmeißt?

Welchen Teflon-Effekt Sachkundeprüfungen der Veterinärämter nach § 11 haben, konnte man schon sehr schön vor der Novellierung des Tierschutzgesetzes und im Kontext mit der auch seinerzeit schon geltenden Sachkundeprüfung für Betreiber von Tierheimen und tierheimähnliche Einrichtungen beobachten. Die – vorzüglich – InhaberINNEN dieses angeblichen Qualifikationsnachweises sahen sich auch danach nur in wenigen Schrittfolgen ihres Dilettantentangos begrenzt. Man frage Besitzer dieses Sachkundenachweises lieber nicht nach dem Unterschied zwischen Kastration und Sterilisation oder nach dem berühmten Welpenschutz!

Zu viel Sachkunde bei subalternen „Kunden“ ist auch eher kontraproduktiv, denn die Tierärzteschaft kann gut auf Patientenhalter verzichten, die ihr beim zeitgleichen Entwurmen und Impfen, beim Impfen ohne vorherige Untersuchung oder bei der Verwendung des falschen Nahtmaterials ständig in die Arme fällt, an der immer noch üblichen Verwendung von T61 bei Euthanasien herummäkelt oder gar das Flüssigkeitssubstitutionsregime nach Magendrehungs-OP kritisch hinterfragt.

Wer sich also seinen Kinderglauben daran erhalten möchte, dass hier ein ganzer und thematisch involvierter Berufsstand völlig selbstlos nur danach trachtet, Hundehalter vor Schaden durch nicht qualifizierte Hundeausbilder zu bewahren, der bringe diesen Glauben am besten unter der Käseglocke in Sicherheit. Die DN-Redaktion empfiehlt für diese: Panzerglas!

 

Quatsch ist das Michelangelos Pieta! Das ist die Bundestierärztekammer (Mutti), die sich rührend, selbstlos und mitleidig um ihre Kundschaft, die armen, vornehmlich von inkompetenten Hundetrainern ausgebeuteten Tierhalter kümmert! Unter Anrufung des Höchsten: „im Sinne des Tierschutzes“! Diese Redaktion packt gelegentlich das kalte Grausen, was alles unter das Label „im Sinne des Tierschutzes“ genagelt wird!
Foto: Katharina Wieland Müller / pixelio.de

 

 

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