Aua1384: Sachkundeprüfung Tierschutzgesetz (6): Was man von der Stadt München über den D.O.Q.-Test und das Bayerische Staatsministerium erfährt

 

{TS-Kritik}

[16.08.2014]

 

Die DN-Redaktion fühlt sich in ihrer Berichterstattung über die Sachkundeprüfung nach § 11 Absatz 1 Nr. 5 Tierschutzgesetz und dabei insbesondere über die Machenschaften rund um den D.O.Q.-Test massiv behindert. Diese Behinderung und Verschleppung erfolgt durch nicht oder erst stark verzögerte Presseantworten der beteiligten Institutionen wie die Tierärztliche Arbeitsgemeinschaft Hundehaltung (TAG-H) bei der Bundestierärztekammer, die Firma Data Parc Ltd. als Rechteinhaber des D.O.Q.-Testes sowie das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).

 

Berichterstattung wird verschleppt

Die erste Vorsitzend der TAG-H, Dr. Dorit Feddersen-Petersen, hat es auch nicht für nötig befunden, auf den offenen Brief der DN-Redaktion vom 15. Juli 2014 zu antworten (Aua1362).

Doch von Autorenkollegen im Bereich Kynologie und Zuchtkritik ist zu vernehmen, dass Madame derlei wohl auch in anderen Fällen und bei prominenteren Blogs als DN nicht nötig hat.

Zwei Presseanfragen der DN-Redaktion liegen der TAG-H seit dem 29. Juli sowie dem 8. August 2014 vor; also mehr als 14 Tage. Bisher gibt es keine Stellungnahme. Die zuständige Dame für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der TAG-H verweist auf die Ferien. Ferien hin, Urlaub zurück, vermarktet wird der D.O.Q.-Test jeden Tag und offensichtlich mit Hilfe des Bayerischen Staatsministeriums. Da sollte innert 14 Tagen einmal eine fundierte Berichterstattung möglich sein, zumal es insbesondere bei Vereinen gerade für solche Fälle Vertreter gibt.

Auch die Firma Data Parc Ltd., die teilweise ganz eigenartige Vermarkungsstrategien des D.O.Q.-Testes fährt und durchaus schon einmal den Mailweg in die DN-Redaktion gefunden hatte (vgl. Aua1362), rührt sich nicht und beantwortet die ihr ebenfalls seit dem 29. Juli 2014 vorliegende Presseanfrage bisher nicht.

Das LGL hat zwischendurch wenigstens um Aufschub gebeten und darauf verwiesen, dass die ursprünglich gesetzte Frist für die Beantwortung der Presseanfrage zu knapp sei. Die Anfrage datiert ebenfalls vom 31. Juli 2014. Am 6. August 2014 wird eine Auskunft „zu gegebener Zeit“ avisiert.

Das ist nach Meinung dieser Redaktion Herrschaftssprache und bedeutet, dass das LGL der Presse vorgibt, wann die Zeit für eine kritische Berichterstattung über ihre Steigbügelhalterdienste für die Firma Data Parc Ltd. gekommen ist.

 

Werbemaßnahmen wie bei den Penisverlängerern

Auch ein sehr geschäftstüchtiges Tierärztinnen-Duo in Bayern, welches nach eigenem Bekunden an der „Ausarbeitung der Prüfungsmodalitäten“ beteiligt war und als „Prüfer für Bayern“ fungiert, beantwortet eine von DN vorliegende Presseanfrage seit Wochen nicht. Telefonisch sind die beiden Damen ebenfalls nicht zu erreichen (Nachrichten auf Anrufbeantworter bleiben unbeantwortet).

Das ist deshalb besonders schade, weil diese beiden Privilegierten  sagenhaft teure Vorbereitungskurse für Hundetrainer anbieten und dafür sogar vor anwaltlich abmahnbaren Marketingmaßnahmen nicht zurückschrecken, wie man sie sonst nur von den Verkäufern von Penisverlängerungen oder Viagra kennt: per unverlangt zugesandter Mailwerbung.

 

Tierärzte müssen sich angesichts rasant sinkender Kunden-Compliance offensichtlich neue Einkommensquellen suchen. Die Marketingmaßnahmen dazu schauen sie sich vermutlich bei den Penisverlängerern und Viagra-Versendern ab. Zwei äußerst geschäftstüchtige Tierärztinnen aus Bayern (!) jedenfalls bewerben derzeit per unverlangt zugesandter Mail ihre Apotheken-Vorbereitungskurse für Hundetrainer auf die neue Sachkundeprüfung nach § 11 Abs. 1 Nr. 8f TierSchG.
Cartoon: Stefan Bayer / pixelio.de

 

 

Der (geheime?) Fragekatalog für Hundetrainer

Mit ungeheurem Energieaufwand (Presseanfrage musste insgesamt viermal an unterschiedliche Empfänger verschickt werden) ist es jetzt jedoch der DN-Redaktion gelungen, zumindest einmal von der Stadt München eine zitierbare und schriftlich vorliegende Auskunft zu erhalten. Wie erwartet ist die dann auch hochinteressant.

Anlass der DN-Presseanfrage an die Stadt München, Kreisverwaltungsreferat, waren zwei Fakten: Zum einen benutzt auch die Stadt München den zumindest in der IMP-Version massiver Kritik unterliegenden D.O.Q.-Test. Zum anderen hatte die Stadt München auf ihrer Internetseite bis Ende Juli 2014 einen „Fragekatalog für Hundetrainer“ veröffentlicht.

Das Teil heißt genau: „Fragekatalog im Rahmen der mündlichen und praktischen Teilprüfung für nach § 11 TierSchG genehmigungspflichtige Personen“ und zwar „a) Fragekatalog für das Fachgespräch“. Nach Auffassung der DN-Redaktion und auch einiger Kritiker des D.O.Q-Testes bietet dieser Fragekatalog zumindest der Zielgruppe Hundetrainer die Möglichkeit, sich besser auf die Prüfung vorzubereiten.

Warum also hat die Stadt München diesen Frage(n)katalog, der mutmaßlich vom LGL, Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung, entwickelt worden ist, wieder aus dem Netz genommen? Warum wird den Prüflingen die Möglichkeit genommen, sich zielgerichtet und kostenfrei und ohne die beiden oben genannten Tierärztinnen mit ihren 650-Euro-Kursen auf die Prüfung vorzubereiten?

 

Besagter Fragekatalog wird in Aua1385 veröffentlicht

Die DN-Redaktion jedenfalls hat jetzt die Nase voll von der Verschleppungstaktik und veröffentlicht mit dem nächsten Artikel (Aua1385) zunächst einmal den besagten Frage(n)katalog, den sie sich rechtzeitig heruntergeladen hatte.

Dokumente von Behörden und Ämtern unterliegen keinem Urheberrecht. Wenn das LGL als Urheber des Katalogs angegeben ist, darf sogar gemutmaßt werden, dass dieser mit Steuergeldern entwickelt wurde.

DN wartet dann mit Spannung ab, wer wann auf welchem Wege sein Veto gegen die Veröffentlichung erhebt.

Der Stadt München war die Veröffentlichung überdies angekündigt.

 

Die Stadt München spricht

Die Antworten der Stadt München auf die Presseanfrage der DN-Redaktion verweisen fast in jedem Punkt auf das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Da diesem zumindest die Presseanfrage an das LGL ebenfalls (im CC) und seit dem 31. Juli 2014 vorliegt, von dort jedoch auch kein Mucks zu vernehmen ist, scheint die Presseantwortstille gegenüber der DN-Redaktion nicht ausschließlich auf urlaubsbedingter Abwesenheit zu beruhen …

Die erste DN-Frage an die Stadt München lautete:

Warum wurde der „Fragekatalog zum mündlichen Fachgespräch und praktischen Teil der Prüfung“, der vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit entwickelt wurde, wieder aus dem Netz genommen?

Presseantwort:

              

Der Fragenkatalog zum mündlichen Fachgespräch und praktischen Teil der Sachkundeprüfung wurde auf Weisung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz aus dem Netz genommen.

(Presseauskunft Landeshauptstadt München, Kreisverwaltungsreferant, an die DN-Redaktion per E-Mail vom 14.08.14)

              

Anschließend hatte DN gefragt, ob dieser Fragenkatalog noch andernorts im Netz verfügbar sei, da eine entsprechende Suchmaschinenanfrage negativ bleibe. Die Stadt München bestätigt das. Nach ihrer Kenntnis sei dieser Katalog nicht anderswo im Netz verfügbar, was aber nicht mit Sicherheit zu sagen sei.

Inzwischen meldete sich ein Informant bei der DN-Redaktion, dem dieser Fragekatalog schon vorher und aus anderer Quelle als der Stadt München bekannt gewesen sei.

 

Fragekatalog stehe nicht im Zusammenhang mit D.O.Q.-Test

Als nächstes hatte DN danach gefragt, ob es unmittelbar vor der Löschung des Links auf diesen Fragekatalog einen Kontakt mit der Firma Data Parc Ltd., dem Rechteinhaber des D.O.Q.-Testes gegeben habe. Dazu antwortet die Stadt München:

              

Der Link zum Fragenkatalog wurde am 30. Juli 2014 gelöscht. Rechteinhaber für den Fragenkatalog zum mündlichen Fachgespräch und praktischen Teil der Sachkundeprüfung ist nicht die Firma „Data Parc Ltd.“. Der D.O.Q.-Test PRO und IMP bezieht sich auf den theoretischen Teil der Sachkundeprüfung. Über die Nutzung des D.O.Q.-Test PRO bzw. IMP und den technischen Support hinaus besteht kein Kontakt zur Firma „Data Parc Ltd.“.

(ibid.)  

              

Hier wird also die Unterscheidung zwischen dem mündlichen Fachgespräch und dem theoretischen Teil der Prüfung hervorgehoben. Nur für den theoretischen Teil der Prüfung in Form des D.O.Q.-Testes liegen die Rechte bei Data Parc Ltd. Der Fragekatalog beziehe sich jedoch auf das mündliche Fachgespräch und den praktischen Teil der Sachkundeprüfung.

Okay, dieses Haar ist sauber gespalten! Als ob man Kenntnisse, die im mündlichen Teil benötigt werden, nicht auch fruchtbar in den theoretischen Prüfungsteil einbringen könnte!

Da durch die Recherchen der DN-Redaktion zu den Verbindungen zwischen der Firma Data Parc Ltd. und den Behörden, insbesondere in Bayern, inzwischen zumindest der Eindruck unentwirrbaren Filzes entstanden ist, richtete sich die nächste Frage auf genau diese Verbindung:

Welche Verbindungen haben die Stadt München und das Veterinäramt zu dem kommerziellen Unternehmen Data Parc Ltd., welche die Vermarktung des D.O.Q.-Testes betreibt?

Klare Antwort:

              

Über die Nutzung des D.O.Q.-Test PRO bzw. IMP und technischen Support hinaus besteht kein Kontakt zur Firma „Data Parc Ltd.“.

(ibid.)  

              

Daran ist nicht zu zweifeln, denn die eigentlichen Verbindungen von Data Parc Ltd. reichen wohl eher zu Fritz als zu Fritzchen, wie nachfolgenden Auskünften zu entnehmen ist.

 

Dieses schockierende Dokument wurde der DN-Redaktion von einem Whistleblower der TAG-H zugespielt und belegt, unter welchen professionellen Bedingungen der D.O.Q.-Test IMP zustande gekommen sein soll.Cartoon: Stefan Bayer / pixelio.de

 

 

Alle Fäden führen ins Bayerische Staatsministerium

Hoffentlich erinnert sich die Stadt München in den Fällen, wo Prüflinge wegen des D.O.Q.-Testes die Verwaltungsgerichte anrufen könnten, auch daran, woher die Weisung, den D.O.Q.-Test zu verwenden, ursprünglich einmal kam.

Frage 6 der DN-Redaktion:

Die Stadt München greift nach eigenem Bekunden für die Sachkundeprüfung nach § 11 TierSchG auf den D.O.Q.-Test in den Versionen PRO und IMP zurück. Zumindest an der IMP-Version besteht erhebliche fachlich-sachliche Kritik. (Entsprechende Presseanfragen dieser Redaktion liegen dem Unternehmen sowie der Tierärztlichen Arbeitsgemeinschaft Hundehaltung vor.) Der Test biete teilweise sachlich falsche Antwortoptionen, zeichne sich durch eine wissenschaftlichen Standards widersprechende Frageformulierung (negative Fragen) aus und frage teilweise redundantes Wissen ab (mehrfach wird nach Symptomen und Verhaltensmerkmalen gefragt, die NICHT typisch oder NICHT zu erwarten sind). Damit ist dieser von den Behörden verwandte Test auch juristisch (Verwaltungsgericht) anfechtbar. Hat die Stadt München den D.O.Q.-Test IMP, der ja keinerlei Zertifizierung vorweisen kann, in irgendeiner Form juristisch und fachlich geprüft?

Antwort der Stadt München

               

Die Landeshauptstadt München, vertreten durch das Kreisverwaltungsreferat, hat den Test weder rechtlich noch fachlich geprüft. Der Test wird auf Weisung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz verwendet.

(ibid.)  

              

Die DN-Redaktion hat ja Verständnis dafür, wenn sich Kleinkleckersdorf oder die Gemeinde Sauldorf so kritiklos den Weisungen von oben beugen, aber wenn eine Landeshauptstadt mit entsprechendem Kontingent von Prüflingen noch nicht einmal selbst einen Blick auf den offensichtlich kritikwürdigen Test zumindest in der IMP-Version wirft, findet das diese Redaktion befremdlich.

Erstaunlich ist die Antwort auf die nächste DN-Frage:

Gerade Tierschützer sind oft sehr klagefreudig; nicht zuletzt deshalb, weil sie aufwendige Gerichtsverfahren häufig aus Spendengeldern finanzieren. Wie hoch schätzt die Stadt München das Risiko ein, dass Tierschützer, welche den D.O.Q.-Test IMP bei der Stadt München nicht bestanden haben, dagegen klagen werden?

Die Stadt München nämlich hält „eine Einschätzung dazu [..] zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht für möglich.

Wir werden uns zu gegebener Zeit daran erinnern …

 

Prüfung koste zwischen 300 und 400 Flocken

Neben all den inhaltlichen Unwägbarkeiten beschäftigt die Betroffenen vor allem aber auch die Kostenfrage. Auch danach hat DN gefragt:

Mit welchen Gesamtkosten für das Genehmigungsverfahren inklusive Sachkundeprüfung nach § 11 TierSchG müssen Tierschützer, welche Hunde aus dem Ausland nach Deutschland verbringen und vermitteln, sowie Hundeausbilder bei der Stadt München rechnen?

Antwort der Stadt München:

              

Für das Erlaubnisverfahren nach § 11 Tierschutzgesetz inklusive Sachkundeprüfung ist nach vorsichtiger Schätzung mit Gebühren in folgender Höhe zu rechnen:

Hundeausbilder: ca. 400,00 €.

Verbringen und Vermitteln von Wirbeltieren aus dem Ausland gegen Entgelt: ca. 300,00 €

Im Einzelfall kann die Gebühr auch höher sein, da sie sich nach dem Prüfungsumfang richtet.

(ibid.)

  

              

Ein Praxisfall bestätigt diese Angabe. Der DN-Redaktion liegt ein Schreiben des Veterinäramts Fürstenfeldbruck an einen Hundetrainer vor, in dem die „Kosten für die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb einer Hundeschule […] sich insgesamt (incl. Fachgespräch) auf ca. 400,– €“ belaufen sollen.

 

Das Theater geht von vorne los

So, wissen wir das auch. Immerhin. Die Stadt München hat geantwortet. Die Direktiven jedoch für den D.O.Q.-Test gehen vom Bayerischen Staatsministerium aus. Das bedeutet für diese Redaktion: Die gesamte Anfrage noch einmal an selbiges zu richten.

Und dann wieder: warten, warten, warten.

 

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