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Aua914: Ein neues Konzept für den Auslandstierschutz (1): Grundsätzliches

 

{TS-Kritik}

 

So geht es nicht. So funktioniert er nicht, der „Auslandstierschutz“, der in Tat und Wahrheit überhaupt kein Auslandstierschutz (ATS) ist, sondern sich im Status quo auf die blanke Tierschlepperei beschränkt.

Seit 15 Jahren „schützen“ deutsche und andere zentraleuropäische Tierschutzorganisationen im europäischen und außereuropäischen Ausland herum, ohne dass diese Aktivitäten bisher nennenswerte Änderungen in den Ländern hervorgebracht hätten. Von „großen“ Tierschutzorganisationen oder solche, die sich dafür halten, kommen dann gern so pauschalisierende Ausreden wie „das Ausland ist noch nicht so weit“.

Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür, wie der bisherige Auslandstierschutz die wesentlichen Strukturen jenseits unserer Grenzen verfehlt, dokumentierte Aua903 mit den aktuellen Zuständen im städtischen Tierheim Danyflor der rumänischen Stadt Timisoara (auch: Temeswar genannt).

Darüber hinaus belegt die Mehrheit von bisher rund über 900 Artikeln auf Doggennetz.de die eklatanten Defizite des bisherigen Auslandstierschutzes. Auf diese soll deshalb an dieser Stelle nicht mehr eingegangen werden. Der Beweis ist hinlänglich erbracht.

 

Erlaubnispflicht mit dem neuen Tierschutzgesetz

Zeitgleich ändern sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen in  Deutschland, denn auch die Behörden und der Gesetzgeber haben inzwischen erkannt, dass es „so“ (i. e. unkontrollierte massenweise Einfuhr von Auslandshunden) nicht mehr weitergeht. Mit dem neuen Tierschutzgesetz wird die Einfuhr von Auslandstieren erlaubnispflichtig. Das bedeutet: Jeder (unabhängig ob Verein oder vereinsfreie Orga oder Privatperson), der mit dem Ziel einer Vermittlung Tiere aus dem Ausland nach Deutschland bringen will, braucht dafür eine Genehmigung der zuständigen Veterinärbehörde für den gewerblichen Handel mit Tieren. Liegt diese Genehmigung zuzüglich einer Registriernummer nach Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung vor, müssen alle Transporte VORHER über TRACES gemeldet werden.

Im Gegensatz zu dem, was manche Tierschutzorganisationen jetzt behaupten, wird die Einfuhr also nicht verboten, sondern lediglich legalisiert.

Das eigentliche Schmankerl an der neuen Regelung ist die damit verbundene Pflicht, über den Verbleib der nach Deutschland eingeführten Tiere einen Nachweis führen zu müssen. Und nach Meinung dieser Redaktion ist genau diese Nachweispflicht der Grund, warum sich manche Vereine gegen diese Regelung soo vehement gewährt haben.

 

Auslandstierschutz ist Entwicklungshilfe

Wie man die besinnungslose Tierschlepperei durch effektiven Auslandstierschutz ersetzen kann, liegt eigentlich auf der Hand. Die Tatsache, dass das Offensichtliche bisher nicht praktiziert und noch viel weniger thematisiert wurde, belegt – wieder nach Meinung dieser Redaktion – den Verdacht, dass es einem nicht unerheblichen Teil dieser Orgas überhaupt nicht um den Tierschutz geht.

Auslandstierschutz ist im Prinzip nichts anderes als eine spezielle Form der „Entwicklungshilfe“. „Entwickelt“ werden sollen dabei vor Ort Strukturen, die gewisse tierschützerische Mindeststandards sicherstellen. „Entwickelt“ werden soll dabei vor Ort aber vor allem auch ein entsprechendes Bewusstsein bei der Bevölkerung.

Kann man sich auf die Prämisse der theoretischen Gleichwertigkeit von effizientem Auslandstierschutz und Entwicklungshilfe verständigen, braucht man eigentlich nur noch zu gucken, wie erfolgreiche Entwicklungshilfe funktioniert, um die entsprechenden Merkmale auf den ATS übertragen zu können.

  
In der Doggennetz.de-Artikelserie Stefan Hack – EINE  Wahrheit über die Hunde n der Ukraine wurde mit vielen Bildern dokumentiert, was die ukranische Bevölkerung ganz von sich aus und ohne die Mission deutscher Tierschützer für die Straßenhunde tut. Hier zum Beispiel: Wasser zur Verfügung stellen – so hilfslos das Arrangement auch sein mag! Vergleicht man dieses Angebot mit dem in Aua903 dokumentierten Zuständen im rumänischen Tierheim Danyflor, wird schnell klar: Die Hunde auf der Straße haben es besser als diejenigen, die zur Verelendung in ausländische Tierheime gesperrt werden. Warum das nicht zwingend zu der Einsicht bei deutschen Tierschützern führt, dass einige, wenn sicher auch nicht alle, Hunde im Ausland auf der Straße die größere Überlebenschance haben, hängt mit dem Stichwort Spenden zusammen!
Foto: Stefan Hack

 

Aus Fehlern lernen!

Vor allem ließe sich aus den Fehlern der Entwicklungshilfe lernen. Ein eindrückliches Beispiel dafür sind sogenannte Hilfslieferungen, also die Einfuhr von Gütern in das zu entwickelnde Land. Längst weiß man in der Entwicklungshilfe, dass solche Hilfsgütertransporte allenfalls in akuten Notsituationen (Erdbeben, Tsunami etc.) sinnvoll, ansonsten völlig kontraproduktiv sind. Und ebenso ist es im Tierschutz. Auf diesen Punkt wird weiter unten noch detailliert eingegangen.

Moderne, sinnvolle und dann auch erfolgreiche Entwicklungshilfe fokussiert immer, nur und ausschließlich den Aufbau entsprechender Strukturen im Ausland selbst. Erklärtes Ziel dabei ist es, die jeweiligen Hilfsbedürftigen so rasch wie möglich vom „Tropf“ der Hilfslieferungen weg in die Stabilisierung autarker Strukturen zu bringen. Ein dafür häufig benutztes Stichwort ist „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Der Aufbau dieser Strukturen muss möglichst dezentral erfolgen und in der Gesamtgesellschaft verankert sein.

 
Eine „dezentrale Struktur“ für Straßenhunde in der Ukraine, die ganz ohne moralische Keule durch deutsche Tierschützer von irgendeinem ukranischenTierfreund geschaffen wurde, damit ein Straßenhund Unterschlupf findet. An solche Tierfreunde im Ausland, die solches schon von sich aus zu tun bereit sind, braucht effizienter Auslandstierschutz nur heranzutreten, sie freundlich anzusprechen und Kooperationen aufzubauen.
Foto: Stefan Hack

 

Voraussetzungen: Land, Sprache und Mentalität kennen

Wer Strukturen in einer fremden Gesellschaft aufbauen möchte, der muss dieser Gesellschaft auf Augenhöhe begegnen. Die unglaubliche Arroganz insbesondere deutscher Tierschützer und ihre teilweise bis zur Volksverhetzung reichenden herabwürdigenden Äußerungen über andere Völker stehen jedem ernst gemeinten Auslandstierschutz und dem unabdingbaren Aufbau funktionierender Strukturen einschließlich des gewünschten Bewusstseinswandels entgegen. Wer ganzen Völkern pauschal jede Verbindung zum Tier abspricht, komplette Länder als „im Blut der Hunde schier ertrinkend“ verleumdet, dem ist es vermutlich nicht um Auslandstierschutz in seinem besten Verständnis zu tun.

Verständnis – das Schlüsselwort: Wenn deutscher Auslandstierschutz sich irgendwann über die schiere Tierschlepperei hinaus erheben möchte, dann müssen sich maßgebliche deutsche Tierschützer, vor allem leider TierschützerINNEN, erst einmal ihre ätzende Arroganz, ihre verstörende Überheblichkeit gegenüber den Bewohnern anderer, insbesondere süd- und osteuropäischer Länder abtrainieren, die sie missionieren wollen. 15 Jahre ineffizienter Auslandstierschlepperei mit durchgehender Verleumdung der Rumänen, Türken, Spanier, Italiener und aller anderen Nationen haben jetzt schon einen kapitalen Schaden angerichtet. Auf dem Kurswechsel zu einem Auslandstierschutz, welcher diesen Namen auch verdient, wird ein Gutteil Aufwand in die Wiederherstellung des Vertrauens vor Ort fließen müssen.

Voraussetzung dafür wiederum: Das Land, das der Verein X tierschützerisch gern missionieren möchte, das muss er erst einmal kennen und verstehen lernen. Und „verstehen“ meint hier nicht nur im intellektuellen Sinne: Wer die Bevölkerung im Land X erreichen möchte, der muss ihre Sprache sprechen und verstehen. Wer der Bevölkerung im Land Y ein neues Bewusstsein heilbringen möchte, der muss erst einmal die  Mentalität dieses Volkes kennen. Dazu muss er sich mit der Geschichte, der Religion und der Kultur auseinandersetzen.

Es ist rasch ersichtlich, zu welchem Konsequenzen das führt: Tierschutzvereine, die angeblich in mehreren Ländern gleichzeitig „Auslandstierschutz“ zu betreiben vorgeben, sind unglaubwürdig.

Glaubwürdig und sinnvoll ist es, wenn sich ein Verein auf ein Land konzentriert, sich auf dieses „spezialisiert“. Die wichtigsten Personen vor Ort sowie verantwortliche Vereinsfunktionäre sollten die Landessprache zumindest grob beherrschen.

Das Abhalftern der unerträglichen deutscher Tierschützer-Arroganz im Umgang mit anderen Völkern bedingt auch, dass man deren Ängste und Sorge nicht einfach abtut und ignoriert. Die Angst vor Hundebissen und die Übertragung von Tollwut durch Straßenhunde ist ein solches Motiv, das effizienter ATS erst einmal ernst nehmen muss.

  
Die von manchen deutschen Tierschutzorganisationen systematisch als hundemordend verleumdete Bevölkerung der Ukraine bei der Fütterung von Straßenhunden. Dies hier könnte die im Artikeltext angenommene Rentnerin E. sein? Sie sieht nicht so aus, als füttere sie die Hunde aus eigenem existenziellen Überfluss heraus? Warum knüpfen zentraleuropäische Tierschutzorganisationen nicht hier an? (Das ist natürlich eine dumme Frage: Mit dem ewigen Lamento der blutrünstigen Osteuropäer, die alle ein fahrbares Hundekrematorium im Schuppen haben, lässt sich viel leichter Spenden werben!)
Foto: Stefan Hack

 

Hintergründe deutscher „Tierliebe“

Auf dem weiten Weg zum Bewusstseinswandel anderer, bisher in ihrem Umgang mit Haustieren eher „unsentimentalen“ Völker hilfreich ist die Hinterfragung zentraleuropäischer Tierliebe. Warum eigentlich geht es – zumindest – den Haustieren in Zentraleuropa besser (nach üblichen Tierschützer-Standards) als denen in Süd- und Osteuropa? Die einzig ehrliche Antwort macht sich nicht an irgendwelchen moralischen Vorzüglichkeiten, sondern  ganz konkret an wirtschaftlichen Kennzahlen fest: Die angeblich so überragende zentraleuropäische „Tierliebe“ ist einzig und allein Ausfluss des Wohlstands dieser Länder. In Deutschland, Österreich, der Schweiz können sich Menschen teures Tierfutter, noch teurere Tierarztbehandlungen, jede sinnvolle und dekadente Variante von Tierzubehör leisten. Jeder Tierhalter ist von einem ganzen Netz Gewerbetreibender umgeben, die an seiner Tierhaltung verdienen und deshalb ein unmittelbares und ganz eigennütziges Interesse daran haben, dass diese Tierhaltung auf dem höchsten (bzw. finanzierbaren) Niveau praktiziert wird.

Dieses Netz von Tierfuttermittelindustrie und –händlern, von Tierärzten, Tierheilpraktikern, Hundetrainern, Hundepsychologen, von auf Tierrecht spezialisierten Anwälten und Tierversicherungsexperten übt auf den einzelnen Tierhalter immer auch eine Form des Drucks, eine Erwartungshaltung hinsichtlich der Erfüllung gewisser Tierhalterstandards aus. Der Tierarzt möchte nicht aus purer Tierliebe, dass der Hund von Kunde Müller geimpft wird. Dem Tierversicherungsfachmann ist es persönlich auch relativ gleichgültig, ob Bello zu seiner nächsten Operation kommt oder nicht; sein Interesse an dieser Bello-OP knüpft sich allein an die Versicherungspolice, die er Bellos Herrchen verkaufen kann.

Wer dieser ganz nüchternen Erklärung zustimmen kann, kommt von dort aus sehr rasch zum nächsten Merkmal effizienten Auslandstierschutzes: den Eintrag von so viel Geld wie möglich in ausländische (Wirtschafts-)Strukturen! Kein Tierschutzverein kann die wirtschaftliche Situation Rumäniens verändern und den Wohlstand der Gesamtbevölkerung heben. Aber jede Tierschutzorganisation kann dafür sorgen, dass die unglaublich vielen Gelder, die ihnen Spender für den „Auslandstierschutz“ (und eben nicht für die Tierschlepperei) überlassen, im Zielland auch ankommen! Und dabei handelt es sich gelegentlich um respektable Summen: Ein im „Auslandstierschutz“ tätiger großer deutscher Tierschutzverein weist in seiner Jahresüberschussrechnung 2012 ein Vereinsvermögen von über 10 Millionen Euro aus!

  
Bildzitat Screenshot von https://www.casa-cainelui.com/das-neue-tierheim/
So sieht er leider immer noch aus, der deutsche Auslandstierschutz: Gute perspektivische (!!!) Darstellung des neuen – nach Meinung dieser Redaktion – Hundegulags Casa Cainelui im rumänischen Timisoara. Er wurde gerade erst mit deutschen Spendengeldern gebaut Soo würden heute nicht einmal mehr deutsche Tierheime bauen: Die Hunde haben keine Aussicht und blicken sich nur gegenseitig an, was zu Aggressionen führt. die hohe Anzahl der Zwinger lässt Schlimmes befürchten. Die ganze Anlage ist nicht strukturiert und bietet den Hunden keine optischen Fixpunkte ohne Aggressionspotenzial. Den Spendern sei Dank!

 

Futtermitteltransporte schaden dem Tierschutz

Im Gegensatz zu den Fakten und dem, was manche Tierschutzorganisationen deutschen Spendern glauben machen wollen, ist in den meisten von deutschen Tierschützern zwangsmissionierten Ländern Hundefutter in ausreichender Qualität und Menge verfügbar. Viele große Futtermittelkonzerne haben dort Niederlassungen. Und in allen Ländern werden auch eigene Tierfuttermittel produziert. Das betrifft auch Rumänien und Ungarn!

Der Aufbau der für den Tierschutz relevanten Strukturen erzwingt es nachgerade, dass die Spendengelder ins Land fließen und dort ihre Wirkung entfalten.

Auch aus ökologischer Sicht sind alle Futtermitteltransporte zum Beispiel nach Rumänien der blanke Irrsinn und bedienen – nach Meinung dieser Redaktion – eine ganz andere Agenda der solcherart handelnden Tierschützer. Wer regelmäßig mit 40-Tonnen-LKws nach Rumänien brettert, wird dem Struktur- und vor allem auch dem Bewusstseinswandel vor Ort schaden.

Einsichtiger wird dieser Teil der Doggennetz.de-Argumentation vielleicht durch Beispiele.

Ein Futtermittelhändler A  in Rumänien: Er bietet Hundefutter in mindestens mittlerer Qualität an. Der Vorzeige-Tierschutzverein A wendet sich an ihn und macht ihm ein attraktives Angebot: Wir werden das Futter für das von uns in Rumänien unterstützte Tierheim von dir beziehen. Du wirst daran verdienen. Im Gegenzug möchten wir in deinem Geschäft Informationsmaterial in der Landessprache über unsere Arbeit vor Ort, über Tierschutz in Rumänien und über unsere einzelnen Aktionen auslegen dürfen. Der Futtermittelhändler freut sich.

In der Mittagspause sieht er zufällig, wie einige Jugendliche einen Straßenhund quälen. Das schadet seinem Geschäft, denn vielleicht kauft der Vorzeige-Tierschutzverein A ja auch für diesen Hund in seinem Geschäft das Futter. Eventuell tritt er vor den Laden und brüllt die Jugendlichen an, sie sollen gefälligst seinen Endverbraucher in Ruhe lassen?

Auf der nächsten Messe trifft er Futtermittelhändler B und erzählt ihm von seinen neuen Kunden. Auch Futtermittelhändler B möchte gern von den üppig fließenden deutschen Tierschutzspendengeldern profitieren. Er sucht den Kontakt zum Vorzeige-Tierschutzverein B in seiner Region und schließt mit diesem einen lukrativen Vertrag über Futtermittellieferungen für das vom Vorzeige-Tierschutzverein B unterstützte Tierheim.

Strukturen entstehen. Einzelne Personen und Unternehmen profitieren wirtschaftlich vom deutschen / zentraleuropäischen Tierschutz. Sie entwickeln  Interesse. Ihre Tätigkeiten werden breiteren Bevölkerungskreisen bekannt. Tierschutz keimt.

 

Bildzitat Screenshot von https://www.perspektierisch.com/perspektierisch-hilft/casa-cainelui-rumänien/
Das sind sie, die Realitäten: Dies ist jetzt sage und schreibe schon der dritte DEUTSCHE Verein, der sich im Zeitfenster des Neubaus des rumänischen privaten Tierheims Casa Cainelui gründet: PerspekTIERisch e. V. Stolz verkünden die Experten hier gerade ihre Vereinseintragung.
Erster Verein im selben Zeitfenster war Helden für Tiere e. V. von Ralf Seeger. Zweite Vereinsgründung war Tierhilfe Kowaneu e. V. (vgl. Aua903), die sich inzwischen von dem rumänischen „Tierschützer“ Romulus Sale und dem Projekt distanziert. Wie Pilze schießen die Vereine mit Auslandsengagement aus dem Boden – in Deutschland! Dabei gäbe es in Rumänien durchaus unterstützenswerte Organisationen wie etwa Pet Hope Association (vgl. Aua903). Es könnte nur sein, dass die etwas über Romulus Sale wissen?
Nebenbei: Sehr interessant an dem neuen Verein ist der (von der DN-Red.) mit dem unteren roten Pfeil gekennzeichnete Text, den diese Redaktion als glatte Drohung an potenzielle Kritiker versteht!

 


Tierärztepools schaden dem Tierschutz

Ist es wirklich so schwer sich vorzustellen, welche enormen Aversionen sogenannte Tierärztepools, die von großen deutschen Tierschutzorganisationen ins Ausland geschickt werden, vor Ort erregen? Ist es wirklich so schwer sich vorzustellen, was deutsche Tierärzte unternehmen würden, kämen auf einmal Schweizer Veterinäre nach Deutschland, um ihnen das Geschäft wegzunehmen?

Überdies gibt es Beispiele: In meinem CW-Artikel Vom Staatsanwalt befragt, von der Uni Gießen hofiert über den Europäischen Tier- und Naturschutz e. V. (ETN) 2011 wurde von einem Strafantrag der Tierärzte in Sardinien gegen den Tierärztepool des ETN berichtet.

Es ist eine mehr als verständliche Reaktion, wenn die Tierärzte im Ausland empört auf die deutsche Konkurrenz reagieren. So wird man auch, meint Doggennetz.de, keine funktionierenden Strukturen eben dort aufbauen können.

 

Bildzitat Screenshot von https://www.casa-cainelui.com/aktuelles-news/
Typisch deutscher und von Deutschen finanzierter Tierschutz im Ausland, hier Rumänien: Casa Cainelui. Für ein angekündigtes Kastrationsprojekt wird „ein deutscher Tierarzt“ vor Ort sein! Chance vertan! Die rumännischen Tierärzte in Timisoara werden nicht begeistert sein. Aversionen gegen (deutsche) Tierschützer sind verständlich.
Überhaupt gibt es wenige andere deutsche Auslandsprojekte wie dieses Casa Cainelui, an dem sich in Hülle und Fülle die kontraproduktiven Merkmale des 08-15-Vorgehens deutscher Tierschützer ohne Sachkunde darstellen lassen.
In Aua903ist dokumentiert, dass es ad1) einige essenzielle Dinge für die Hunde in Danyflor gibt, die dringender wären – Wasser zum Beispiel. Ad 2) ist dort des Weiteren dokumentiert, dass sehr viele Hunde aus Danyflor physisch überhaupt nicht in einem Zustand sein dürften, in dem sie operationsfähig sind. Mit einem den dortigen Realitäten angemessenen Zynismus könnte man auch sagen: Für die Hunde in Danyflor spielt es keine Rolle, ob sie kastriert oder unkastriert verdursten und verhungern!

Dazu muss man die Tierärzte im Ausland mit ins Boot holen. Auch sie müssen die Möglichkeit haben, am Tierschutz zu verdienen. Und Spenden sammelnde Vereine mögen bitten nicht ihren Spendern suggerieren, ausländische Veterinärmediziner arbeiteten auf dem Niveau afrikanischer Medizinmänner. Die veterinärmedizinische Ausbildung in Europa ist weitgehend vereinheitlicht; die Standards europäischer Universitäten sind so unterschiedlich nicht. Und wo es hier und da noch an der Optimierung chirurgischer Techniken und weiterer tierschonenderer Behandlungsmethoden mangelt, sollten deutsche Tierschutzorganisationen den Tierärzten entsprechende Kollegen zur Seite stellen und/oder einschlägige Fortbildungen organisieren. Geld genug für solche Maßnahmen ist vorhanden!

Auch hier ein erdachtes Beispiel:

Der Tierarzt Dr. A in Rumänien kooperiert seit geraumer Zeit mit Vorzeige-Tierschutzverein A. Mit diesem Verein hat er einen attraktiven Vertrag abgeschlossen: Für jede Kastration, von der er seine Kunden überzeugen kann, übernimmt der Verein A einen Teil der Kosten oder zahlt ihm eine kleine Provision. Tierarzt Dr. A. wird zum aktivsten Tierschützer seiner Stadt, denn er möchte etwas verdienen.

Außerdem liegen in seiner Praxis Infoblätter in der Landessprache aus, welche seine Kunden über wichtige Tierschutzthemen und die besonderen Verdienst des Vorzeige-Tierschutzvereins A beim Aufbau von Strukturen vor Ort informiert. Das Infomaterial nennt auch landesinterne Ansprechpartner bei akuten Tierschutzproblemen. Kunde D nimmt das Blatt mal mit nach Hause.

Die Hündin vom Nachbar von D ist leider noch unkastriert. Jetzt stellt der Nachbar entsetzt fest, dass sie tragend ist. Er spricht mit D darüber. D krömelt den Zettel heraus, den er bei seinem Tierarzt Dr. A mitgenommen hat und empfiehlt D, sich mit den rumänischen Ansprechpartnern des Vereins in Verbindung zu setzen. Die würden ihm ganz bestimmt helfen! Da der Nachbar von D auf keinen Fall die Welpen will, greift er zum Hörer.

Strukturen entstehen. Tierschutz keimt.

 

Tierheime im Ausland sind Stätten der Verelendung

Erfolgreiche Entwicklungshilfe wird niemals zentraleuropäische Standards auf afrikanische oder asiatische oder sonst irgendwelche Länder übertragen.

Zentraleuropäischer Tierschutz tut Solches unausgesetzt!

Ein solcher übertragener Standard sind zentraleuropäische Tierheime. Bleiben wir beim Beispiel Deutschland: Tierheime in Deutschland sind in keiner Weise mit Tierheimen im z. B. osteuropäischen Ausland vergleichbar. Denn dort entfallen alle Voraussetzungen, welche Tierheime in Deutschland zu tragenden Säulen der Tierschutzinfrastruktur machen:

—->>> Ein von Spenden finanziertes Vereinswesen, das Träger solcher Vereine sein könnte, gibt es nicht. Damit entfällt auch die Möglichkeit, ausreichend Personal angemessener Qualifizierung zur Versorgung der Tiere einzusetzen.

—>>> Eine Verpflichtung der Kommunen zur tierschutzgerechten Fundtierverwaltung, die sie auch finanziell beteiligt, gibt es nicht.

—>>> Eine Tierhalterkultur, welche die Übernahme von Tieren aus Tierheimen zu moralisch vorzüglichem Handeln mit hohem sozialen Prestige macht, gibt es nicht.

—>>> Menschen in ausreichender Anzahl, die sich ehrenamtlich für die Tiere und deren Versorgung in Tierheimen einbringen, gibt es nicht.

Die Konsequenz daraus muss die  Einsicht sein, dass Tierheime im Ausland nur unter sehr eng begrenzten Bedingungen sinnvoll sind und der Tierschutz-Infrastruktur dienen. Unter diesem Aspekt enthüllt ein deutsches Tierschutz-Projekt wie der Neubau des privaten (!!!) Tierheims  Casa Cainelui in Timisoara seine erschütternde Sinnlosigkeit.

Allerdings befördern Tierheime im Ausland das, worauf es leider viel zu vielen Tierschutzorganisationen ankommt: eine nicht abreißende Flut von Spenden lockenden Bildern aller denkbaren Varianten der Verelendung der dort untergebrachten Tiere und des damit beabsichtigten, tierschutzkontraproduktiven Abtransports dieser Tiere nach  Deutschland.

Natürlich wird man besonders auch in großen Städten auf ein eng definiertes Kontingent kleinerer Tierheime und Auffangstationen nicht verzichten können. Es müssen schließlich Adressen verfügbar sein, wo Abgabetiere oder kranke und verletzte Tiere aufgenommen werden. Dabei muss effizienter Auslandstierschutz aber immer und vorrangig die eine Wahrheit im Auge behalten: In der Regel und wenn die Auslandstierschlepperei demnächst auch gesetzlich abgedämpft wird, haben die Tiere dort keine Chance und werden dieses Tierheim nie mehr verlassen.

Ein weitere Ausnahme sind Vorzeige-Tierheime, die auch primär eine pädagogische Funktion haben und auf den wünschenswerten Bewusstseinswandel  der Bevölkerung abzielen.

Im weiteren Verlauf dieser Artikelserie wird Doggennetz.de ein solches Projekt in Ungarn vorstellen.

 
Tierheime im Ausland sind sehr häufig nichts als Stätten der systematischen und massenhaften Verelendung; hier: im rumänischen Tierheim Danyflor (vgl. Aua903). Dieser Hund hat sich längst aufgegeben. Er hat nicht einmal Wasser – anders als seine Kollegen, die das vielleicht gefährlichere, insgesamt aber chancenreichere Leben auf der Straße führen. Deutsche Tierschützer im Ausland tragen unter Rückgriff auf Spendengelder in Millionenhöhe dazu bei, diese Hunde in die Verelendung zu zwingen.
Foto: Pet Hope Association Rumänien, Claudia Bejan.

 


Kleine Versorgungseinheiten
statt der Verelendung dienender Tierheime

Und wenn es dann schon ein Tierheim sein muss, dann bitte muss dieses in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt sein – nicht wie das private Tierheim Casa Cainelui viele Kilometer außerhalb von Timisoara, wo die Bevölkerung gar nicht mitkriegt, was dort eigentlich geschieht. Damit lässt sich kein Bewusstseinswandel erreichen.

Wie es anders gehen kann, das zeigt hoch eindrücklich die Doggennetz.de-Artikelserie Stefan Hack – EINE Wahrheit über die Hunde in der Ukraine (vgl. Aua543 / Aua544 / Aua546 / Aua549). Der Globetrotter Stefan Hack, der Doggennetz.de dankenswerter Weise seinen Bericht mit vielen Bildern zur Verfügung gestellt hat, hatte ähnliche Beobachtungen auch in Rumänien gemacht.

Bericht und Bilder bestätigen: Die ukrainische Bevölkerung ist weitaus toleranter gegenüber Hunden als etwa die deutsche Gesellschaft. Und es gibt viele tierliebende und zur Fürsorge bereite Ukrainer, die sich um Straßentiere kümmern. Das sind zum Beispiel Gegebenheiten, an die effizienter Tierschutz ganz hervorragend anknüpfen kann.

Ein Beispiel: Die ukrainische Rentnerin E kümmert sich rührend um fünf Straßenhunde. Sie hat sogar von ihrem Enkel einen kleinen Unterstand für ihre Schützlinge bauen lassen. Vorzeige-Tierschutzverein E hat von der tierlieben Dame gehört und besucht sie. Schnell wird man sich einig: Nachdem Verein E die betreffenden Hunde hat kastrieren und impfen lassen, wird die weitere Versorgung und Betreuung an Rentnerin E übertragen. Sie muss es auch nicht umsonst tun: Futter und dringende Pflegemittel für die fünf Hunde werden ihr vom Verein E gestellt. Außerdem erhält sie einen kleinen Obulus für ihre Tierschutzarbeit, der ihre karge Rente aufbesssert.

Rentnerin F sieht nun Oma E täglich auf der Wiese hinter dem Haus die Hunde füttern und spricht sie darauf an. E prahlt damit, dass sie von deutschen Tierschützern damit beauftragt wurde und sich sogar ein kleines Zubrot verdienen kann. Das will F auch! Sie nimmt Kontakt mit den Vertretern des Vereins E auf, mit denen sie sich selbstverständlich in ihrer Sprache verständigen kann. F hat es eher mit Katzen. Zufällig weiß sie, dass es auf dem Gelände der Fabrik, wo ihre Enkelin arbeitet, eine gigantische Population herrenloser Katzen gibt. Der Verein E wird auch mit ihr schnell handelseinig: Der Verein kümmert sich zunächst um das Einfangen und die Kastration der Katzen bei einem Tierarzt vor Ort, der sich über den dicken Verdienst die Hände reibt. Anschließend wird F mit der täglichen Versorgung der Katzen auf dem Fabrikgelände beauftragt. Auch sie kann sich ihre schmale Rente, die kaum  zum Leben reicht, etwas aufbessern.

E und F sind G zum Geburtstagskaffee eingeladen. Sie erzählen.

Tierschutz keimt. Strukturen entstehen.

Ach so: Auf der Geburtstagsfeier anwesend ist auch Frau H., die ihre Katze gern kastrieren lassen würde. E und F geben ihr die Telefonnummer des Vereins. 

E, F und H kriegen sich bei dieser Gelegenheit noch mit I in die Wolle, weil die meint, ihre Hündin müsse unbedingt einmal einen Wurf haben. E, F und H wissen da schon mehr

Tierschutz keimt. Strukturen entstehen

Da der Vorzeige-Tierschutzverein E nun schon seit 15 Jahren effizienten Tierschutz im Wohnort von E, F und H macht, besteht inzwischen ein dichtes Netz von kleinteiligen Versorgungszentralen für Straßentiere.

Eine dezentrale, schon recht luxuriöse „Versorgungseinheit“ für Straßenhunde in der Ukraine, die ohne deutsche Spendengelder „errichtet“ wurde (vgl. dazu die DN-Artikelserie Stefan Hack – EINE Wahrheit über die Hunde in der Ukraine). Bauherr suchen, in seiner Landessprache auf Augenhöhe ansprechen, praktische und finanzielle Unterstützung aus dem Millionenetat deutschen Auslandstierschutzes anbieten und fertig ist nicht nur die Laube!
Foto: Stefan Hack

 

Mit den Institutionen im Gespräch

Die Grundlinien effizienten Auslandstierschutzes sind damit klar:

–          Land, Mentalität und Sprache kennen und können

–          auf Augenhöhe mit der Bevölkerung kommunizieren

–          wirtschaftlichen Benefit tierschützerischen Handelns ins Land tragen

–          dezentrale, bevölkerungsnahe Versorgungseinheiten etablieren

 

Von dort aus ist dann alles relativ einfach: A kennt B, B kennt C, C kennt D, E und F und so weiter und so fort. Natürlich ist der Vorzeige-Tierschutzverein aus Deutschland mit seinen exzellenten Sprachkenntnissen auch im permanenten Dialog mit Institutionen und Behörden: der Stadtverwaltung, dem Veterinäramt, der Jägerschaft, der Tierärztevereinigung, dem Zuchtverband, den Zeitungen, dem Fernsehen usw.

Außerdem hat er längst vor Ort einen Partnerverein gegründet, dem über die Jahre sukzessiv immer mehr Verantwortung übertragen wird, bis es dem deutschen Auslandstierschutzverein möglich ist, sich aus dem Land zurückzuziehen, weil die Strukturen dort etabliert sind.

Ein weiteres Beispiel: Der Vorzeige-Tierschutzverein L engagiert sich seit vielen Jahren im Ort L, das über gewisse touristische Attraktionen verfügt. Weil der mit dem Verein L kooperierende Tierarzt einen Bruder im Stadtrat hat, konnte mit der Stadt eine neue Regelung zum Umgang mit Straßenhunden vereinbart werden, die landesweit Vorzeigecharakter besitzt. Die Schwester von der Vereinsvorsitzenden L. aber arbeitet bei einem deutschen Touristikunternehmen. In transparent geführten Verhandlungen konnte man bei diesem erreichen, dass der Erholungsort L. aufgrund seines besonderen Engagements für Straßentiere einen lobenden Artikel im deutschen Verbandsorgan bekommt. Gut für den Tourismus in L.

Strukturen entstehen. Tierschutz wurzelt.

 

[Fortsetzung folgt]